Andrea Mayer will für das RSO-Wien eine Lösung suchen.

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Dem Radio-Symphonieorchester des ORF droht das Ende. Doch zahlreiche Reaktionen zeugen vom Entsetzen über den Plan, diese Institution zu liquidieren. Nun regiert auch die Politik. "Das RSO ist ein Orchester von Weltrang und spielt vor allem in Bezug auf die zeitgenössische Musik eine tragende Rolle für die österreichische Kulturlandschaft. Und auch was die Rolle von Frauen in der klassischen Musik angeht, werden hier immer wieder neue Maßstäbe gesetzt", sagt Staatssekretärin Andrea Mayer (Grüne). "Es kann und darf nicht sein, dass dieser wunderbare Klangkörper Sparzwängen zum Opfer fällt. Der kulturelle Auftrag darf bei den anstehenden Diskussionen über die Finanzierungsgrundlage des ORF nicht außer Acht gelassen werden. Dafür werde ich mich auch persönlich in den nächsten Wochen auf Regierungsebene einsetzen. Für mich ist klar: Es muss eine Lösung für den Fortbestand des RSO geben."

Auch die grüne Kultur- und Mediensprecherin Eva Blimlinger bezieht nun Stellung: "Das RSO ist absolut unersetzbar für den heimischen Musik-, Film- und Kulturstandort. Ein großer Teil des zeitgenössischen Repertoires wäre ohne dieses Orchester nicht repräsentiert, viele heimische Filmproduktionen, Festivals, Kulturbetriebe und nicht zuletzt Künstler und vor allem Künstlerinnen würden ihren wichtigsten Kooperationspartner verlieren. Das Radio-Symphonieorchester muss erhalten bleiben – wir Grüne sehen es als gemeinsame Aufgabe der Kulturnation Österreich, eine Lösung zu finden, die den Erhalt des Orchesters sicherstellt", hält Blimlinger fest.

Allgemeines Entsetzen: Wie geht es mit dem ORF-Radio-Symphonieorchester Wien weiter?
Foto: ORF / Thomas Ramstorfer

Intendantin will RSO im ORF halten

Dass es wirklich um "eine Einstellung geht", befürchtet auch Angelika Möser, künstlerische Leiterin des RSO. Eine endgültige Entscheidung sei nicht gefallen, Möser kämpft um das Orchester. Es liegt ihr "grundsätzlich an einem Verbleib des RSO im ORF, denn ich bin davon überzeugt, dass das Orchester einen wichtigen Teil zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Kultur- und Bildungsauftrags leistet. Das hat es in seiner fast 55-jährigen Geschichte eindrücklich bewiesen. Die finanzielle Lösung, wie auch immer diese ausfällt, sollte langfristig den Erhalt des RSO sichern, es gibt dafür sicher unterschiedliche Ansatzmöglichkeiten. Hier sind der politische Wille und die Kreativität aller Beteiligten gefragt."

Die Szene reagiert entsetzt

Komponist Georg Friedrich Haas sieht nur den Höhepunkt einer langandauernden Entwicklung: "Meinem Eindruck nach wurde das RSO in den letzten Jahren systematisch ausgehungert. Der ORF erfüllt schon jetzt den Kulturauftrag höchst mangelhaft. Wenn er zusätzlich das RSO streicht (und z. B. zeitgenössische Musik aus Ö1 verbannt), wird wohl früher oder später ein Privatsender wegen unlauteren Wettbewerbs klagen. Ich bin davon überzeugt, dass viele Künstler*innen – so wie ich – bezeugen werden, dass der ORF den Kulturauftrag nicht erfüllt und die Gebühren lediglich benutzt, um in seinem populistischen Programm einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der privaten Konkurrenz zu erzielen."

Auch der Intendant des Klangforums Wien, Peter Paul Kainrath, hält die Entwicklung für bedenklich: "Das Klangforum Wien hat in den knapp vier Jahrzehnten seines Bestehens viele, unzählige Meisterwerke der Gegenwart uraufführen dürfen – maßgeschneidert komponiert für unsere Ensemblebesetzung. Aber wer kann sich ein monumentales Werk wie Spiegel des eben verstorbenen Komponisten Friedrich Cerha ohne RSO, das es uraufgeführt hat, vorstellen? Wohl niemand! Wenn das kulturell-musikalische Österreich wirklich groß denkt und weiter denken will, kann das RSO nicht fehlen. Wer hingegen Österreich im Spiegel seines öffentlich-rechtlichen Medienunternehmens klein denken will, soll es laut und deutlich sagen", so Kainrath. "Ein RSO steht für eine Haltung, für eine wertekonnotierte res publica. Eine hochteure, wochenlange Betanzung des Fernsehpublikums hingegen steht für etwas, das genauso gut außerhalb, also im privaten Medienunternehmensbereich, seinen Fortbestand findet. Kürzungen, falls wirklich notwendig, müssen dort ansetzen."

RSO-Chefdirigentin Marin Alsop (rechts) und Komponist Georg Friedrich Haas.
Foto: Dieter Nagl für den Musikverein

Auch jene Institutionen, die vom Ende des RSO betroffen wären, zeige sich entsetzt: Stefan Herheim, Intendant des Theaters an der Wien betont, dass das Ende des Orchesters "das Musiktheater an der Wien künstlerisch und finanziell in ernsthafte Schwierigkeiten bringen und wäre ein kulturpolitisch fatales Signal in einem Land, dessen weltweit anerkanntes, kulturelles Erbe von Institutionen wie der unseren getragen und erhalten wird."

Auch Ulrike Sych, Rektorin der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, bezeichnet das RSO als "eines der bedeutendsten Orchester dieses Landes" und nennt die kolportierten Maßnahmen "eine massive Bedrohung der österreichischen Musikkultur". Das wird die Politik vielleicht doch zu sinnvollen Aktivitäten bringen.

Die Komponistin Olga Neuwirth äußert sich ebenfalls kritisch: "Die Musiklandschaft der "zeitgenössisch klassischen Musik" kommt corona- und lockdownbedingt durch die äußerst schwierigen Jahren 2020 bzw. 2021 ohnehin erst mühsam wieder zu einer Art von Stabilisierung, aber anstatt sie zu stützen und unterstützt, wird sie anscheinend gar nicht mehr gebraucht", so Neuwirth. "Das RSO daher gleich ganz aus der österreichischen Kulturlandschaft zu nehmen, hat daher irreversible Folgen und sind ein Zeichen der absoluten Minderschätzung der Gesellschaft und der Politik musikalischer Innovationen auf diesem Gebiet. Besonders betrüblich ist für mich als Professorin an der mdw, dass dadurch einer jüngeren Generation die Möglichkeit zur Präsentation ihrer Kunst genommen wird."

Wichtig für Konzerthaus und Musikverein

Matthias Naske, Intendant des Wiener Konzerthauses, wiederum meint, dass "die Schließung des RSO Wien ein barbarischer Akt" wäre. "Die Umsetzung dieses Vorhabens verletzt die kulturelle Identität dieses Landes und macht Österreich deutlich ärmer." Das RSO Wien bzw. dessen Vorläufer sei seit seiner Gründung fixer Bestandteil der künstlerischen Planung im Wiener Konzerthaus. Das Vorhaben, das Orchester zu schließen, zeige "eine erschreckende Fehleinschätzung der Entscheidungsträger für die Bedeutung kultureller Werte", so Naske: "Die Schließung eines der bedeutendsten Orchester des Landes wäre ein historischer Fehler der Medienpolitik."

Auch Stephan Pauly, Intendant des Wiener Musikvereins, warnte vor einem irreparablen Einschnitt in das österreichische Musikleben, sei das RSO doch ein unverzichtbarer Bestandteil des Kulturlandes Österreich. "Ohne das ORF RSO Wien wäre die jüngere Musikgeschichte anders verlaufen, es ist nicht vorstellbar, wie sie ohne diesen immens wichtigen Klangkörper weitergehen sollte", betonte Pauly, der an die Verantwortlichen appellierte, eine Lösung zu finden: "Eine Auflösung des ORF RSO Wien wäre ein unersetzlicher Verlust für die Wiener und die österreichische Musikszene."

Auch Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) bezeichnet das Radio-Symphonieorchester in einer Stellungnahme als "tragende Säule des österreichischen und Wiener Musiklebens".
Foto: APA / HANS PUNZ

Auch Kaup-Hasler für Beibehaltung

Ins selbe Horn stieß Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) in einer Stellungnahme: "Der ORF sollte stolz sein auf sein Radio-Symphonieorchester: Es ist eine tragende Säule des österreichischen und Wiener Musiklebens und muss als solche weiter bestehen. Das RSO ist aus der Musikstadt Wien nicht wegzudenken." Nicht zuletzt sei das Orchester ein Botschafter der Wiener Klangkultur in der Welt. "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einen Kulturauftrag, und ich appelliere an die Verantwortlichen, diesen nicht mit Füßen zu treten, indem sie das Fortbestehen des RSO in frage stellen. Hier ein rein wirtschaftliches Denken als Maßstab für Entscheidungen anzulegen, deren Auswirkungen weit über den ORF hinausreichen, halte ich für die falsche Herangehensweise."

ÖVP-Kultursprecherin Großbauer: "Kann mich nur wundern"

Geht es nach der ÖVP-Kultursprecherin Maria Großbauer, so dürfte die Meinung der Bundesregierung zum Thema bereits einhellig für eine Beibehaltung des RSO ausfallen: Auf Anfrage des STANDARD hält nämlich auch sie fest, dass "dieser wunderbare und wichtige Klangkörper natürlich Bestand haben muss". Sie könne sich "nur wundern" über die Idee, das RSO einsparen zu wollen. "Wo bleibt der Kulturauftrag des ORF, wenn man gerade hier sparen will?" Dass das RSO bereits zum wiederholten Mal infrage gestellt wird, finde sie betrüblich. Jedenfalls sei das aus ihrer Sicht keine ÖVP-Idee, sie kenne niemanden in der Partei, der diese Einsparung mittragen wolle, und werde sich sehr für eine tragfähige Lösung einsetzen. (Ljubiša Tošić, 21.2.2023)