Die mahnenden Worte von Fed-Chef Jerome Powell, dass er heuer keine Zinssenkungen sehe, stoßen an der Börse auf taube Ohren.

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"Never fight the Fed", lautet ein bekannter Spruch an der Börse. Man sollte sich also nie gegen die US-Notenbank mit ihren beinahe unbegrenzten finanziellen Mitteln stellen. Allein, derzeit scheinen ungewöhnlich viele Finanzprofis sich nicht daran zu halten. Denn die an den Finanzmärkten gehandelten Zinserwartungen decken sich nicht mit jenen der Fed. Während die Prognosen der Währungshüter nach oben gehen, gehen die Märkte von baldigen Zinssenkungen aus. Was steckt dahinter?

Die volkswirtschaftlichen Daten der USA sind zuletzt überraschend stark ausgefallen – die Arbeitlosenquote ist im Jänner etwa auf 3,4 Prozent gesunken –, was tendenziell inflationsfördernd wirkt. Und die Teuerung hält sich mit 6,4 Prozent zu Jahresbeginn hartnäckig auf hohem Niveau, ebenso die von Notenbankern vielbeachtete Kerninflation, bei der die schwankungsfreudigen Preise für Energie und Nahrung ausgeklammert sind.

Explizite Absage

Daher brachten zuletzt Fed-Vertreter sogar wieder größere Zinsschritte ins Spiel, nachdem die Notenbank im Februar den Leitzins nur noch um einen viertel Prozentpunkt auf 4,75 Prozent – das höchste Niveau seit November 2007 – angehoben hatte. Dabei erteilte Fed-Chef Jerome Powell baldigen Zinssenkungen sogar explizit eine Absage: "Ich sehe einfach nicht, dass wir in diesem Jahr die Zinsen senken werden."

Auch die als "Dot Plot" bezeichneten vierteljährlichen Zinsschätzungen der Fed-Vertreter, bei denen sie anonym ihre Erwartungen für Jahresende angeben, zeigten schon im Dezember steil nach oben. Demnach stieg ihre Prognose bereits vor den zuletzt starken Wirtschaftsdaten für den US-Leitzins auf 5,1 Prozent nach zuvor 4,6 Prozent.

Rezession erwartet

An den Finanzmärkten wird indes eine andere Musik gespielt, denn sie gehen von baldigen Zinssenkungen und von einer US-Rezession aus. Starkes Indiz dafür ist die sogenannte inverse Zinskurve, bei der zweijährige Anleihen mit fast 4,7 Prozent Rendite wesentlich mehr einspielen als ihre zehnjährigen Pendants mit 3,9 Prozent – ein Phänomen, das seit den 1960er-Jahren vor jeder Rezession aufgetreten ist. Und in einer schrumpfenden Wirtschaft wird die Fed die Zinsen senken, so die Erwartung.

Wer wird recht behalten, welches Szenario wird eintreten? Eine Studie der US-Ökonomen John Burke und Andreas Christofi hat den Zeitraum zwischen 2012 und 2017 ausgewertet und kommt zu dem Schluss, dass die Finanzmärkte die Zinsentwicklung besser voraussagen als die "Dot Plots" der Notenbank. Allerdings ist das Ergebnis wegen des kurzen Zeitraums nur bedingt aussagekräftig. Sollten diesmal die Erwartungen der Fed-Notenbanker – also keine Rezession und hohe Zinsen bis Jahresende – eintreffen, droht den Finanzmärkten ein böses Erwachen. (Alexander Hahn, 22.2.2023)