Justizministerin Alma Zadić (Grüne) arbeitet an der Reform. SPÖ-Bereichssprecherin Sabine Schatz hätte gerne mehr Einbindung.

Begrüßt haben sie eine umsichtige Reform des NS-Verbotsgesetzes, auch bekannt unter dem Paragrafen 3g, alle drei: Justizministerin Alma Zadić (Grüne), Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und die SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur im Nationalrat, Sabine Schatz. Jetzt sorgt die Novelle des Gesetzes, das in seiner Stammfassung am 6. Juni 1945 in Kraft trat, aber bereits vor deren Präsentation für Ärger bei der SPÖ. Denn Schatz hatte schon bei Bekanntgabe des Reformvorhabens im vergangenen November darauf gedrängt, auch an den Verhandlungstisch geladen zu werden.

Ein aktueller Entwurf zur Regierungsvorlage liegt dem STANDARD nun vor – den Oppositionsparteien allerdings nicht, wie ein Rundruf ergab. Schatz betont, sie habe trotz mehrmaliger Nachfrage bei Zadić noch keinen Entwurf bekommen. "Ich habe erst im Jänner die Ministerin wieder gefragt", sagt Schatz, "sie sagte, es gebe noch keinen Entwurf." Auch die Justizsprecher der anderen beiden Oppositionsparteien, Harald Stefan (FPÖ) und Johannes Margreiter (Neos), haben noch keinen Entwurf zum Gesetzestext bekommen, wie sie auf Nachfrage des STANDARD sagen.

Zur Umsetzung des lange geplanten Gesetzesvorhabens braucht die türkis-grüne Bundesregierung allerdings zumindest die Stimmen der SPÖ oder der FPÖ, denn ohne Zweidrittelmehrheit kann es im Parlament nicht beschlossen werden.

Holocaust-Verharmlosung auf Demos

Die Novelle hatte man sich schon im Regierungsprogramm von Anfang 2020 vorgenommen. Seither sorgten eine deutliche Zunahme bei antisemitischen Vorfällen und mehrere bekannt gewordene Fälle von NS-Wiederbetätigung für zusätzlichen Auftrieb für eine Überarbeitung des Gesetzes.

Auf Corona-Demos kam es zudem immer wieder zu Verharmlosungen des Holocausts – Teilnehmende hatten sich mitunter mit jüdischen NS-Opfern verglichen, indem sie sich bei Kundgebungen gelbe Sterne mit der Aufschrift "Ungeimpft" an die Kleidung hefteten. Fällen wie diesen will man mit dem Gesetzesentwurf künftig besser habhaft werden: Aus der im Verbotsgesetz festgehaltenen "gröblichen Verharmlosung" soll das Wort "gröblich" gestrichen und damit jegliche Verharmlosung strafbar werden.

Staatsgrenze nicht mehr entscheidend

Ein weiterer zentraler Punkt: Ein Aufenthalt im Ausland soll bei entsprechenden Delikten nicht mehr vor Strafverfolgung in Österreich schützen. Setzt etwa jemand von Polen oder Italien aus ein strafbares antisemitisches Posting ab, das "im Inland abgerufen oder empfangen werden konnte", könnten die heimischen Behörden das juristisch ahnden. Die geltenden Gesetze in Polen oder Italien spielen dafür dann keine Rolle.

In der Vergangenheit hatte das Fehlen einer solchen Regelung schon bei einem besonders prominenten Fall für Probleme in der Strafverfolgung gesorgt: Die rechtsextreme Website Alpen-Donau-Info, ab 2009 das wichtigste Forum für die österreichische Neonaziszene, konnte erst 2011 auf Betreiben heimischer Behörden vom Netz genommen werden, weil sie über Server in den USA lief.

Weitere Eckpunkte des vorliegenden Entwurfs: NS-Devotionalien sollen künftig von Behörden eingezogen werden können, auch wenn sich aus den Gegenständen selbst keine strafrechtliche Verantwortlichkeit ableitet. Bisher war ein Einziehen nur möglich, wenn Wiederbetätigung nachweisbar war.

Debatte um Diversion

Und: Jede rechtskräftige Verurteilung nach dem Verbotsgesetz soll künftig bei Beamtinnen und Beamten automatisch zu einem Amtsverlust führen – unabhängig von etwaigen disziplinarrechtlichen Schritten. Anlass dafür war der Fall eines Bundesheer-Unteroffiziers, der eine SS-Uniform getragen und den Hitlergruß gezeigt hatte, danach aber weiter im Heer tätig sein durfte.

Schon bei der Ankündigung der Gesetzesnovelle durch Zadić und Edtstadler im November hatten sowohl Schatz als auch Experten wie der wissenschaftliche Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW), Gerhard Baumgartner, vor einer Aufweichung des Gesetzes durch vermehrte Diversion gewarnt. Eine solche ist zumindest im Erstentwurf aber geplant. "Eine Diversion für Erwachsene wäre bei NS-Wiederbetätigung das völlig falsche Signal. Wenn Neonazis nicht mehr zu befürchten haben als einen geführten Rundgang durch die KZ-Gedenkstätte Mauthausen, trägt das sicher nicht dazu bei, die hohe Zahl an rechtsextremen Straftaten zu senken", sagt dazu am Dienstag auch Robert Eiter, Jurist und Experte des Mauthausen-Komitees für das Verbotsgesetz, dem STANDARD auf Nachfrage.

Schatz weist zudem darauf hin, dass solche Rundgänge wie auch Gespräche mit Zeitzeugen eher präventive Maßnahmen wären. "Es bräuchte wirkliche Diversionsprogramme, die eigens für straffällig Gewordene entwickelt werden. Die Institutionen, die diese anbieten, müssten außerdem auch ausreichend finanziert werden", betont Schatz. Dem Vernehmen nach ist für den geplanten Gesetzesentwurf aber kein Thema, dass etwa nur ein einmaliger Mauthausen-Besuch zur Diversion ausreichen könnte. (Colette M. Schmidt, Martin Tschiderer, 22.2.2023)