Der Abformungsprozess geschieht in einem geschützten Raum im Museum, geladen sind "alle Personen mit Vulva", geraten wird zu einer "relativ frischen Rasur".

Gloria Dimmel

Linz – Noch sind einige Wandbereiche der aktuell im Linzer Stadtmuseum Nordico laufenden Ausstellung "What the Fem*?" leer. Und das aus gutem Grund: Geplant ist, die Leerstellen gemeinsam mit dem Publikum und geladenen Künstlern zu füllen.

Die in Wien lebende Künstlerin Gloria Dimmel etwa produziert und sammelt seit 2017 Gipsabdrücke von Vulven. Und wird ihre Künste auch im Rahmen der Linzer Ausstellung in zwei speziellen Workshops anbieten. Am 3. März sind Besucherinnen eingeladen, gemeinsam blank zu ziehen und sich gleichzeitig Gedanken zu Sexualität, Geschlechtergleichheit, Ungerechtigkeiten und dem gewaltsamen Einfluss von genormten Körperbildern und Schönheitsidealen zu machen. 85 Euro kostet ein 3D-Abdruck, dieser kann nach der Session "entweder verpackt im Nordico abgeholt werden oder auf Wunsch postalisch zugestellt werden".

"Unsinn stoppen"

Doch ehe noch die erste Vulva geformt und gegossen wurde, ist die Erregung auf politischer Seite groß. Konkret fühlt sich die Linzer FPÖ peinlich berührt und sieht einen Affront gegen Frauen. "Es ist ein Unding, Frauen unter dem Aufhänger des Feminismus immer noch auf ihre Vulva zu reduzieren. Das hat mit der Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau schlichtweg nichts zu tun", ärgert sich FPÖ-Frauensprecherin Martina Tichler. Sie appelliere "von Frau zu Frau" an Kulturstadträtin Doris Lang-Mayrhofer (ÖVP), "diesen Unsinn zu stoppen".

Außerdem müsse "die Förderwürdigkeit derart sinnloser Aktionen bzw. der Einrichtungen, die diesen fragwürdigen Einlagen Bühnen bieten, auf den Prüfstand". Die Stadt subventioniere die städtischen Museen jährlich mit über drei Millionen Euro. Tichler fordert "keine öffentlichen Mittel für ordinären Aktionismus". Was hier den Linzer Frauen "aufgebürdet" werde, sei "an Doppelmoral" nicht zu überbieten. Tichler: "Während viele fleißig arbeitende und oft alleinerziehende Frauen nicht wissen, wie sie aufgrund der derzeitigen Umstände über die Runden kommen sollen, werden weiterhin öffentliche Mittel für ordinäre und für niemandem hilfreiche Aktionen bereitgestellt."

Reaktion von Nordico

Das Nordico Stadtmuseum reagiert auf die Angriffe und spricht eine Einladung an Tichler aus: "Als Stadtmuseum nehmen wir unseren Bildungsauftrag sehr ernst und verstehen uns als ein Museum, das auch gesellschaftspolitisch brisanten Themen Raum bietet, wie die bestehende soziale und finanzielle Benachteiligung von Frauen. FPÖ-Frauensprecherin Martina Tichler möchten wir herzlich einladen das Nordico zu besuchen und mit Leiterin Andrea Bina und Kuratorin Klaudia Kreslehner zu sprechen, um sich selbst vor Ort ein Bild über die Ausstellung zu machen."

Nordico verweist zudem darauf, dass der Vulva-Abdruck-Workshop nur eines der vielfältigen Angebote zur Auseinandersetzung mit Feminismus aus unterschiedlichen Blickwinkeln sei. Im Fokus stehe die Selbstermächtigung und die persönliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper und Sexualität, als auch die Sensibilisierung für Diversität von Geschlechtsorganen. "Die Ausstellung als auch das Programm finden großen Zuspruch", heißt es aus dem Nordico, "So ist auch der Vulva-Abdruck-Workshop seit Wochen ausgebucht."

Ziel ist, darüber zu sprechen

Künstlerin Gloria Dimmel sagt zu der Sache: "Gerade das Tabu und die Schamgefühle, die um die ordinäre Vulva herrschen, lassen diese übermäßige Sexualisierung und Reduktion von FINTA* auf ihr Geschlechtsteil zu, von der Martina Tichler spricht." Dimmel versuche mit ihrem Workshop einen Raum zu kreieren, in dem aus Scham Selbstermächtigung werden könne. Die vielfältigen 3D-Modelle würden letztendlich zur Aufklärung und Normalisierung der Vulva beitragen, die zum Teil nicht mal in Aufklärungsbüchern richtig dargestellt werde und die man sonst nur aus Pornos kenne. "Mein Ziel ist es, dass die Menschen sich unaufgeregt darüber unterhalten können. Dass es die Aufregung der FPÖ braucht, um in der Öffentlichkeit über die Vulva zu sprechen, verdeutlicht einmal mehr, wie unsichtbar das Thema ist."

Keine Steuergeldverschwendung

Gar von Unkenntnis spricht die Linzer Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer. Auf dieser dürfte ihrer Meinung nach der von Tichler geäußerte Vorwurf der Steuergeldverschwendung bezüglich des Workshops "Vulva Abdruck Session" beruhen. Sie weist abermals auf den Kostenbeitrag für die Teilnehmer*innen von 85 Euro hin. "Über das Thema und die verschiedenen Sichtweisen der Ausstellung "What the Fem*?" darf und soll natürlich diskutiert werden. Das ist ja auch das sehr mutige und bewusst museale Experiment dieser Ausstellung. Die offen konzipierte Ausstellung lädt zum Dialog, auch wenn nicht alle Positionen gefallen oder geteilt werden müssen. Aufgrund ihres großen Zuspruchs und der Beteiligung ist die Ausstellung bereits jetzt ein großer Erfolg." (Markus Rohrhofer, 22.2.2023)