Regierungsbildungsauftrag im Blick: FPÖ-Obmann Herbert Kickl.

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Hat wieder einen Kanzlerbonus – aber auf bescheidenem Niveau: Karl Nehammer.

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Linz – Die vom Linzer Market-Institut im Auftrag des STANDARD gezeichnete Optimismuskurve zeigt weiter nach oben, wenn auch auf bescheidenem Niveau: Diese Woche sagen 28 Prozent der Wahlberechtigten, dass sie mit Optimismus und Zuversicht der nahen Zukunft entgegenblicken – das sind zehn Prozentpunkte mehr als im Oktober des Vorjahrs, als vor einem Kältewinter gewarnt wurde.

Parallel dazu haben sich auch die Werte von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in der – theoretischen – Kanzlerfrage gebessert. Zu Beginn des Herbstes hätten nur 17 Prozent den Amtsinhaber bei einer Direktwahl gewählt. Jetzt sind es wieder 22 Prozent und damit so viele wie im April des Vorjahrs.

Market-Meinungsforscherin Martina Sturmair gibt allerdings zu bedenken: "Nehammer liegt in der Kanzlerfrage vorne, mit 22 Prozent auf demselben Wert, wie er für die ÖVP in der Hochrechnung herauskommt."

Kanzlerbonus versus Hochrechnung

Dazu muss man wissen: Für die hochgerechnete Sonntagsfrage werden Rohdaten aus der Frage, wen man am Sonntag wählen würde, herangezogen. Dabei sagt rund ein Viertel der Befragten, dass sie unentschlossen sind oder gar nicht wählen würden. Das entspricht auch der erwarteten Wahlbeteiligung, die ja typischerweise um die 70 Prozent beträgt. Die Rohdaten müssen also auf die wahrscheinlich Wählenden hochgerechnet werden.

In den Rohdaten haben die Parteien also typischerweise weniger Nennungen als in der hochgerechneten Sonntagsfrage. Anders ist das bei der Kanzlerfrage: Diese ergibt genau jene Personen, die dem jeweiligen Kandiaten oder der Kandidatin die Stimme geben würden, wenn es eine Direktwahl gäbe.

Zur Einschätzung auch wichtig ist, dass die ÖVP bei der Wahl 2019 über 37 Prozent gekommen ist – und dass Nehammer vor einem Jahr noch 26 Prozent hatte. Von den 52 Prozent, die Sebastian Kurz zu seiner besten Zeit im Jahr 2020 hatte, ganz zu schweigen.

Nehammers persönliche 22 Prozent positionieren ihn deutlich vor SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner (14 Prozent) und FPÖ-Chef Herbert Kickl (17 Prozent) – diese Werte liegen zwei bis drei Prozentpunkte unter den Rohdaten der jeweiligen Partei in der Sonntagsfrage und noch weiter hinter den Hochrechnungswerten. Dies ist ganz normal – es fehlt ja der Amtsbonus. Dieser hilft aber auch der ÖVP nicht viel weiter. Denn die ÖVP punktet vor allem bei Optimisten. Die ausgesprochenen Pessimisten, mit 41 Prozent immer noch in der Mehrheit, wählen zu einem Drittel die FPÖ und sind zu einem weiteren Viertel unentschlossen oder deklarierte Nichtwähler.

Stärkste Partei wäre auch nach der diese Woche durchgeführten Umfrage die FPÖ. Sie liegt bei hochgerechneten 28 Prozent – und damit deutlich vor den 24 Prozent der SPÖ.

FPÖ in der Regierung?

Das führt zu der Frage, ob die FPÖ nach der Wahl – regulär im September 2024 – einen Anspruch auf Regierungsämter oder gar das Kanzleramt hätte. DER STANDARD ließ diese Fragen in der aktuellen Umfrage stellen.

  • "Soll die FPÖ nach der nächsten Wahl mit Ministerinnen und Ministern in der Regierung vertreten sein oder eher in Opposition bleiben?" Darauf sagten 30 Prozent, dass sie das wünschen, 54 Prozent sind für eine Oppositionsrolle, und 14 Prozent wissen keine Antwort auf diese Frage. Auffallend ist, dass vor allem Menschen mit einfacher Bildung, Arbeiter und Landwirte die FPÖ in der Regierung haben wollen. Ziemlich geschlossen – nämlich zu 93 Prozent – sind die erklärten FPÖ-Wähler für eine Regierungsbeteiligung. Die ÖVP-Wählerschaft ist zu 22 Prozent dafür. 92 Prozent der Grünen-Anhänger, 85 Prozent der SPÖ-Präferenten und 75 Prozent der Neos-Anhänger sind ausdrücklich dagegen.
  • Die zweite Frage ergibt sich aus den Zweifeln, die Bundespräsident Alexander Van der Bellen an den Gepflogenheiten der Zweiten Republik geschürt hat: "Angenommen, die FPÖ wird stimmenstärkste Partei. Soll die FPÖ dann den Bundeskanzler stellen oder eher nicht?" Darauf sagen 22 Prozent, die FPÖ habe bei einem derartigen Wahlergebnis "auf jeden Fall" den Kanzleranspruch, weitere 13 Prozent sehen das "eher schon" so. Aber 15 Prozent wollen das "eher nicht" und 40 Prozent "sicher nicht". In der FPÖ-Gefolgschaft vertreten 75 Prozent den unbedingten Kanzleranspruch. Strikte Ablehnung kommt von jeweils zwei Dritteln der Sozialdemokraten und Grünen. Auffallend ist, dass ein Drittel der politisch nicht Festgelegten gegen einen FPÖ-Kanzler eingestellt sind, was sie zur Zielgruppe eines Anti-FPÖ-Wahlkampfs machen könnte.

Und was ist mit den Kleinparteien?

In diesem Szenario gibt es – wie schon oft in den letzten 25 Jahren – drei Mittelparteien, die um Aufmerksamkeit buhlen. Und entsprechend wenig Beachtung für die kleineren Parteien. Für diese steht es so:

  • Die Neos kommen hochgerechnet auf elf Prozent. Ihre Chefin Beate Meinl-Reisinger könnte bei einer Kanzler-Direktwahl auf acht Prozent der Stimmen hoffen.
  • Die Grünen rittern mit den Neos um Platz vier, hochgerechnet liegen sie mit zehn Prozent derzeit eher auf Platz fünf. Spitzenmann und Vizekanzler Werner Kogler bringt es in der Kanzlerfrage auf fünf Prozent.
  • Derzeit nicht in den Mandatsrängen wäre die Bierpartei mit drei Prozent.
  • MFG und KPÖ würden mit je einem Prozent unter "ferner liefen" rangieren.
    (Conrad Seidl, 23.2.2022)