FPÖ-Chef schießt über die Grenzen der Überzeichnung und Verzerrung hinaus und landet bei blanker Beleidigung.

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Manfred Haimbuchner war offenbar selbst nicht ganz wohl zumute. Bei einem Event wie diesem gehe es etwas heftiger und zynischer zu, schickte er seiner Rede beim politischen Aschermittwoch der FPÖ eine Art Entschuldigung nach. Der Vize-Landeshauptmann Oberösterreichs weiß: Er hat einen Ruf als moderater Vertreter seiner Partei zu verlieren.

Es ist rätselhaft, wie Haimbuchner in den Medien zu diesem Image kommt. Offenbar hegen manche Journalisten eine innere Sehnsucht, dass es auch in dieser Partei konstruktive Kräfte geben muss. Beim Auftritt in der Rieder Jahnturnhalle jedoch stand der angeblich so gemäßigte Landespolitiker seinem Parteichef Herbert Kickl an Scharfmacherei nicht nach.

Bezeichnend war die Passage über die Ausländerfrage. Haimbuchner zählte einen Mord nach dem anderen auf, den Zuwanderer begangen hätten. Diese Fälle mögen tatsächlich so passiert sein – doch der Auflistung fehlte jede Einordnung, jeder Hinweis darauf, dass Gewalttäter natürlich auch unter Migranten eine kleine Minderheit stellen. Wie die Botschaft bei der bierseligen, schenkelklopfenden Masse angekommen sein muss, liegt auf der Hand: Mit Asylwerbern holen wir uns Mörderbanden ins Land. Haimbuchner tut damit nichts anderes, als sein Publikum aufzuhetzen.

Destruktive Kreativität

Genauso funktioniert Kickls antiaufklärerischer und fortschrittsfeindlicher Diskurs. Der passionierte Reime-Dichter entwickelt zweifellos bemerkenswerte Kreativität bei der Formulierung seiner Sprüche. Doch notorisch schießt er über die Grenzen der Überzeichnung und Verzerrung, wie sie echte Satire kennzeichnen, hinaus und landet bei blanker Beleidigung und Diffamierung. Die Regierenden erklärt Kickl zu "Trotteln", Bundespräsident Van der Bellen zur "Mumie", die "senil" in der Hofburg hocke. Wer die Verrohung der Sitten in den sozialen Medien beobachtet, lernt: Mit Augenzwinkern wird das nicht aufgenommen – sondern genauso, wie es gesagt wird.

Die vordergründig launige Präsentation ist keine Rechtfertigung dafür, was die blauen Brandredner veranstalten: Sie zerstören die politische Gesprächsbasis, hintertreiben den gesellschaftlichen Zusammenhalt, untergraben den Respekt vor demokratischen Institutionen wie dem Bundespräsidentenamt – und leben prächtig davon. (Gerald John, 23.2.2023)