Eine Demonstration gegen die Teilnahme Russlands am Donnerstag vor der Hofburg.

Foto: APA / Tobias Steinmaurer

Wien/Kiew/Moskau – Die Wintertagung der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat am Donnerstag in Wien begonnen. Die Anwesenheit russischer Abgeordneter sorgt für viel Kritik. Die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung, Margareta Cederfelt, verteidigte gegenüber Journalisten die Einladung. Die Russen "verdienen es, hier zu sein" und die vereinte Ablehnung des russischen Angriffskriegs zu hören, sagte Cederfelt.

Die Ukraine verteidige nicht nur sich selbst, sondern auch "die Prinzipien und die Vereinbarungen, auf denen unsere Sicherheit beruht", erklärte Cederfelt. Die schwedische Konservative betonte, "Sympathien" für Kolleginnen und Kollegen zu haben, die nicht gemeinsam mit russischen Parlamentariern in einem Sitzungssaal sein wollten. Es gebe Diskussionen über einen vorübergehenden Ausschluss Russlands aus der Parlamentarischen Versammlung (PV), bestätigte die PV-Präsidentin. Allerdings hätten 18 Staaten Bedenken geäußert, ein Komitee beschäftige sich mit der Frage.

USA und Ukraine kritisieren russische Teilnahme

Scharfe Kritik an der Teilnahme der Russen an der OSZE-Tagung kam aus der Ukraine und den USA. Der demokratische US-Senator Ben Cardin, Leiter der US-Delegation, erklärte in einer Pressekonferenz in Wien: "Wir sind vereint in unserer Unterstützung der Ukraine." Die sechs Russen, die unter US- und EU-Sanktionen stehen, "sollten nicht zu diesem Treffen kommen dürfen". Die russischen Parlamentarier seien bei dem Meeting "stark isoliert" worden.

Der ukrainische Delegationsleiter Mykyta Poturajew, der trotz des Boykotts nach Wien gereist war und zahlreiche bilaterale Treffen absolvierte, ergänzte, dass Russland die Werte und Prinzipien der OSZE verletze. Ein weiterer Grund für den Boykott der Ukrainer sei eine ethische Frage. Die Russen seien stolz auf ihre Kriegsverbrechen. "Sie sind stolz auf die Tausenden von Ukrainern, die getötet, ausgeraubt, vergewaltigt und ermordet wurden." Es handle sich um einen "Krieg gegen das Recht, zu leben, die eigene Sprache zu sprechen, das Recht, Teil der eigenen Kultur zu sein, einen eigenen Staat zu haben". Sowohl Cardin als auch Poturajew forderten eine Reform der OSZE. Eine Organisation, die Kriege vorbeugen könne und wirklichen Dialog fördere, sei dringend nötig, sagte Poturajew.

In seinen Eröffnungsworten der OSZE-Wintertagung hatte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) die "ungeteilte Solidarität an der Seite der ukrainischen Regierung und des ukrainischen Volkes" betont. Gleichzeitig sei es die "Pflicht" der Mitglieder der OSZE und der Parlamentarischen Versammlung, "die Tür der Diplomatie nicht zuzuschlagen", betonte Sobotka. Cederfelt, rief zu einer Schweigeminute für die Opfer des russischen Angriffskriegs und des verheerenden Erdbebens in der Türkei und Syrien auf. Sie kritisierte die russische Aggression scharf. Moskau "verletzt jedes Prinzip des internationalen Rechts", erklärte Cederfelt. Auch der amtierende OSZE-Vorsitzende, der nordmazedonische Außenminister Bujar Osmani, verurteilte "den unprovozierten Angriff" Russlands in einer Videobotschaft.

Russische Delegation benutzte Hintereingang

Die 1995 gegründete OSZE ist die größte regionale Sicherheitsorganisation der Welt. Der Parlamentarischen Versammlung (PV) gehören 323 Parlamentarier aus 56 Staaten an. Die diesjährige Wintertagung findet am Jahrestag des Beginns des russischen Angriffskriegs statt. Russland hat für die Versammlung neun Delegationsmitglieder eingemeldet, davon stehen sechs auf den EU-Sanktionslisten. Die Ukraine und Litauen boykottieren deshalb das Treffen.

Nach Wien ist die ukrainische Delegation jedoch schon gereist. Der ukrainische PV-Delegationsleiter Mykyta Poturajew kritisierte die Präsenz der Russen. Die russischen Abgeordneten würden versuchen, die Veranstaltung "als Propagandashow" zu verwenden. "Wir haben Würde, Ehre und sind keine Puppen in einer russischen Muppet-Show", sagte Poturajew im Vorfeld. Kritik kam auch aus den USA. Zwei US-Kongressabgeordnete – der Demokrat Steve Cohen und der Republikaner Joe Wilson – kritisierten gegenüber dem US-Auslandssender Radio Free Europe / Radio Liberty die Visavergabe an die russische Delegation durch Österreich.

Vor dem Veranstaltungsort am Heldenplatz verlief der Auftakt der Wintertagung vergleichsweise ruhig. Während sich Delegierte lange vor einem Container anstellten, um ihre Akkreditierungen abzuholen, und es dadurch zu Verzögerungen kam, erfuhr die russische Delegation eine gesonderte Behandlung: Die vom Duma-Vizepräsidenten Pjotr Tolstoj angeführte Delegation wurde über einen Hintereingang in die Hofburg gelotst, bestätigten Behördenvertreter der APA.

Demonstrierende vor Haupteingang

Keinen Sichtkontakt zu den Russen gab es daher auch für Demonstranten. Unmittelbar vor dem OSZE-Haupteingang demonstrierten etwa 15 Vertreter und Vertreterinnen der ukrainischen Diaspora. "Russische Verbrecher, die diesen Krieg propagieren, wurden zum Verhandlungstisch eingeladen", kritisierte die Aktivistin Anna Pattermann gegenüber der APA.

Zur Diaspora gesellten sich Angehörige jener ukrainischen Parlamentarierdelegation, die die Tagung selbst boykottiert. Die Oppositionsabgeordnete Iryna Heraschtschenko nutzte die Szenerie für einen Liveeinstieg: Von diesem Balkon habe einst Hitler über die Annexion von Österreich gesprochen, nun passiere eine "Schande", erzählte sie einem ukrainischen Fernsehsender. "Zum Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine findet eine Tagung statt, zu der Vertreter Russlands und von Belarus eingeladen wurden: alle diese Sluzkis und Tolstojs, die für die Annexion der Krim gestimmt haben", prangerte die Ukrainerin an. Leonid Sluzki ist der Leiter des Außenausschusses in der Duma und steht ebenso wie der russische Delegationsleiter Pjotr Tolstoj auf der EU-Sanktionsliste.

Etwas abseits machte eine kleine Gruppe sozialdemokratischer Aktivistinnen und Aktivisten auf sich aufmerksam. Bewusst zum Auftakt der OSZE-Parlamentarierversammlung wolle man auch die Bundesregierung dazu auffordern, eine aktive Neutralitätspolitik zu betreiben, sagte die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Katharina Kucharowits.

Außenministerium: Zu Visaerteilung verpflichtet

81 Abgeordnete aus 20 Ländern hatten bereits Anfang Februar Österreich aufgefordert, die Teilnahme der russischen Delegation zu verhindern. Parlamentarier aus Polen, Litauen, Belgien, Kanada, Tschechien, Dänemark, Estland, Frankreich, Georgien, Deutschland, Island, Lettland, den Niederlanden, Norwegen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Schweden, der Ukraine und Großbritannien unterzeichneten das Schreiben.

Die Tagung in Wien dauert bis Freitag. Bei vorangegangenen OSZE-Treffen hatten die Gastgeber Großbritannien und Polen keine Russen einreisen lassen. Österreichs Außenministerium vertritt den Standpunkt, dass man als Land, in dem die OSZE ihren Hauptsitz hat, zur Erteilung der Visa verpflichtet sei. Auch die OSZE bestätigte das. "Die ausgestellten Visa erlauben lediglich die Teilnahme an der OSZE-Versammlung. Bei Missbrauch wird das Visum aufgehoben", erklärte ein Sprecher des Innenministeriums. Der Besuch anderer Veranstaltungen, etwa des freiheitlichen Akademikerballs am Freitag, wäre demnach nicht erlaubt.

Keine Journalisten zugelassen

Bei der Wintertagung sind keine Medien zugelassen, um damit eine "riesige Propagandashow" russischer Journalisten in der Wiener Hofburg zu verhindern. Dies erklärte der Vizepräsident der Versammlung, Michael Georg Link, am Donnerstag gegenüber der APA. Die österreichische Nationalrätin Gudrun Kugler (ÖVP) bestätigte diese Darstellung. Das Aussperren von Journalisten sei in der Tat nicht gut, erklärte Link. "Aber man kann es dadurch begründen, dass man verhindern will, dass die russischen Journalisten reinkommen und dort eine riesige Propagandashow machen würden."

Der Ausschluss von Journalisten sei auch Thema einer internen Sitzung der Parlamentarierversammlung gewesen, erzählte der APA Kugler, die als Delegierte bei der Tagung teilnimmt. Präsidentin Cederfelt habe am Donnerstagvormittag erklärt, dass man Russen keinesfalls eine Bühne bieten will, sich zu inszenieren und auch russische Journalisten mitzubringen, erläuterte Kugler. Cederfelt habe aber auch betont, dass ihr Medienfreiheit wichtig und deshalb eine Videoübertragung möglich sei.

Begründung Sicherheit und Logistik

Cederfelt beharrte am Donnerstag trotzdem auf logistischen Gründen der Entscheidung. Die Parlamentarische Versammlung der OSZE hatte bereits zuvor und wiederholt den Ausschluss aller Journalisten mit Fragen von Logistik und Sicherheit begründet. Noch am Mittwoch hatte Pressesprecher Nat Parry auf explizite APA-Nachfrage, ob eine mögliche Präsenz russischer Journalisten eine Rolle für die Entscheidung gespielt hatte, auf Logistik- und Sicherheitsgründe verwiesen.

Nachdem die Vereinigung der Europajournalistinnen und -journalisten und der Verband der Auslandspresse in Wien bei der OSZE-Medienfreiheitsbeauftragte Teresa Ribeiro protestiert hatten, hatte zudem ein Ribeiro-Berater diese offizielle Erklärung der PV wiederholt. Gleichzeitig hatte er jedoch jede Kritik an dieser aus Sicht der Journalistenverbände potenziell "starken Beeinträchtigung der Freiheit der unabhängigen Berichterstattung" vermieden. (APA, 23.2.2023)