Der VAR hat den Schiedsrichter angestupst, dieser hält Nachschau. Symbolfoto (nicht aus Linz).

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Der erste Treffer im neuen Linzer Stadion ist jetzt schon legendär und wird es bleiben. Hausherr LASK hat am Freitagabend in der mit lediglich 12.000 Zuseherinnen und Zusehern gefüllten Raiffeisen-Arena (das ist eine andere Geschichte) die Austria aus Lustenau mit 1:0 besiegt. Marin Ljubicic scorte in der vierten Minute der Nachspielzeit per Elfmeter. Das Legendäre war nicht die Eleganz der Ausführung, sondern die Entstehung: Es hat in der abwechslungsreichen Geschichte der heimischen Fußballbundesliga kaum einen lachhafteren Strafstoß gegeben, zumindest nicht seit Einführung des VAR, des Videoschiedsrichters.

Der Linzer Florian Flecker war einfach nur ausgerutscht, der Lustenauer Cem Türkmen war praktisch unbeteiligt. Harald Lechner, Österreichs bester Schiedsrichter, hatte eine völlig falsche Wahrnehmung. Er war von einem Beinvergehen, einem Beistellen ausgegangen. Und der VAR korrigierte das nicht. Der verantwortliche Christian-Petru Ciochirca bestätigte aus nicht nachvollziehbaren Gründen nach kurzer Rücksprache den Pfiff, also sah sich Lechner nicht genötigt, die Szene am sogenannten "on-field review" selbst anzuschauen. In der Hektik hat er auch auf eine zusätzliche Nachspielzeit verzichtet.

Entschuldigung

Lechner hat sich danach entschuldigt: "Wir haben als Team versagt. Ich bin richtig angefressen, aber davon hat Lustenau nichts." Am Tag danach sagte er: "Es hat schon schönere Nächte gegeben." Unmittelbar nach dem Spiel hatte der Wiener den Lustenau-Trainer Markus Mader angerufen. "Das war mir ein Anliegen. Er reagierte natürlich emotional. Aber er hat mir später eine Whatsapp-Nachricht geschrieben und sich für den Anruf bedankt." Hätte der LASK so ein Tor kassiert, frage nicht, da wäre die Geschichte vielleicht anders ausgegangen. Denn die Linzer werden von Didi Kühbauer gecoacht, der zu Ex-tremen neigt. Aber das ist natürlich Kaffeesudleserei und zudem ein Fall von Unschuldsvermutung.

Der VAR ist eine prinzipiell positiv zu beurteilende Einrichtung, er führt trotz einiger Lücken zu mehr Fairness und Gerechtigkeit. Bei Abseitsentscheidungen etwa sind Irrtümer auszuschließen, die gezogenen Linien sind ein Faktum, eine Art von Wahrheit. Okay, Handspiel ist mitunter Geschmacksache – was Absicht ist und was nicht, wird mitunter auch nach Ansicht der Bilder ein Rätsel bleiben.

Benotung

Robert Sedlacek ist Präsident des Wiener Verbandes und im ÖFB fürs Schiedsrichterwesen zuständig. Dem STANDARD sagt er: "Das war eine unrichtige Entscheidung, die leicht hätte korrigiert werden können. Der VAR wurde ja nicht aus Jux und Tollerei installiert."

Schiedsrichter werden beobachtet und benotet, das gilt international. Beansprucht einer in einer Partie fünf- oder sechsmal persönlich den Bildschirm und muss er dann seine Entscheidung zurücknehmen, zeugt das nicht unbedingt von Souveränität. Wobei Sedlacek sagt: "Es gehört zur Schiedsrichterehre, Fehler einzugestehen." Was der 40-jährige Lechner eindrucksvoll getan hat. Halt ohne Bildschirm. Lechner hat übrigens nichts zu befürchten. Er war ja bis zu dieser Szene absolut solide, fast makellos. Die Höchstnote 8,4 bekommt er halt nicht, es wird eine 7,8 oder 7,9, was wiederum ziemlich wurscht ist. Erst unter 7,1 ist eine Pause angedacht.

Großartige Lehren können aus diesem Vorfall keine gezogen werden. Die Folgen in der Tabelle sind überschaubar, der LASK wäre auch bei einem Remis fix in der Meistergruppe. Und Lustenau ist vom Abstieg immer noch sehr weit weg. Abgesehen davon hat die Welt andere Sorgen. Und Lechner hat sich ohnedies entschuldigt. (Christian Hackl, 27.2.2023)