110 Kilogramm hebt Adrijana Dabic. Darüber redet sie aber nicht gern: "Das machen eher die Burschen auf Instagram."

Foto: Christian Fischer

Pizza und Spaghetti, das gönnt sich Adrijana Dabic nur in der Off-Season.

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Mit dem "Feinschliff" ihres Körpers beginnt Andrijana Dabic circa zwei Monate vor dem Wettkampf. Da sieht sie kein Fett unter ihrer Haut, wenn sie sich im Spiegel betrachtet, da sieht sie nur Muskeln und setzt alles daran, diese im Detail zu definieren.

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Eine "athletische und zugleich ästhetische Figur" wird angestrebt.

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Andrijana Dabic, heute 34 und Österreichs erfolgreichste Bodybuilderin, erinnert sich: Als Achtjährige war sie mit ihrer Mutter im Urlaub in Montenegro und sah am Strand ein Bodybuilder-Pärchen, dessen Anblick sie begeisterte. "Ich werde so aussehen wie die!", prophezeite sie ihrer Mutter. Diese Prophezeiung hat sie sich erfüllt.

Schon bald nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub begann sie nämlich, Klimmzüge zu machen und Kurzhanteln, die ein Kilo wogen, zu heben. Mit 15 Jahren meldete sie sich schließlich in einem Fitnesscenter an und trainierte zunächst vor allem Ausdauer. Auf dem Laufband legte sie pro Woche 200 Kilometer und mehr zurück, was sie auf eine Art süchtig machte, die nur Ausdauersportler verstehen: "Die Glückshormone, die dabei ausgeschüttet werden, will man nicht missen."

Gut möglich also, dass sie auch heute noch laufen würde, wenn sie nicht fünf Jahre später ein Freund mit der Bodybuilding-Szene in Kontakt gebracht hätte. Und der erklärte ihr, dass sie sich von ihrer Leidenschaft verabschieden müsse, wenn sie Muskeln aufbauen wolle. "Vom Laufen wegzukommen war richtig schwierig", sagt sie. "Das dauerte Monate."

15 Kilo reine Muskelmasse

Es dauerte weitere drei Jahre, bis sie sich über die Wettkampfkategorie "Bikini-Fitness" in die zweithöchste Frauenkategorie "Body fitness" hochtrainierte. Ziel war aber immer die höchste Wettkampfkategorie, die seit 2013 "Women’s Physique" heißt. Die Internationale Fitness und Bodybuilding Federation (IFBB) beschreibt die Teilnehmerinnen dieser Kategorie so: "Frauen, die einen schwereren Körper im Bodybuilding-Stil anstreben und dennoch nicht extrem trocken, fettfrei und muskulös sein wollen".

Eine "athletische und zugleich ästhetische Figur" werde angestrebt. Für Frauen mit 80 bis 90 Kilo Körpergewicht, die früher die Kategorie "Bodybuilding" dominierten, gebe es keine Klasse mehr, erklärt Dabic. Sie selbst hat, seit sie in der Szene ist, exakt 15 Kilo Muskelmasse zugelegt. Beim Bank drücken hebt sie während der Vorbereitung 110 Kilo, bei der Beinpresse bewegt sie 400 Kilo, den Oberkörper trainiert sie lieber als die Beine. Über gehobene Gewichte und Muskelumfang in Zentimetern redet sie aber eigentlich nicht so gerne, "denn das machen die Burschen auf Instagram, die dort ihren Bizepsumfang posten und wer wie viel hebt." Sie selbst macht ihren Sport aber nicht für Likes. "Ich mache das, weil ich es liebe."

Pizza als Luxus

Gerade befindet sie sich in der Off-Season, nach eineinhalb Jahren, während deren sie – wieder einmal – ihr ganzes Leben und ins besondere die Ernährung auf Training und Wettkampf ausgerichtet hat. Jetzt gönnt sie sich endlich wieder mal einen großen Teller Spaghetti, "was für mich absolut wow ist!", oder bestellt sich am Abend eine Pizza nach Hause, was sie "als Geschenk" empfindet. Kein Wunder, gibt es doch während der Wettkämpfe und der Vorbereitung darauf meist nur drei bis vier Dosen Fisch am Tag plus vielleicht ein bisschen Salat dazu. 90 Prozent der Athleten, sagt sie, würden diese Zeit als "die schlimmste" bezeichnen, für sie aber ist es die glücklichste. "Da bin ich ständig unterwegs und schaue so aus, wie ich möchte. Und dafür reiße ich mich zusammen und bin stur."

Während der Wettkampfsaison ist sie dann an jedem Wochenende woanders. Meist in Europa – "Spanien, Tschechien, Polen, auch Österreich" – und nur selten in Übersee, denn die langen Flüge wären für den Körper "zaaach, und man zieht Wasser vom vielen Sitzen".

Kein Zickenkrieg

An den Wettkampforten sind dann immer ein paar Hotels mit Gleichgesinnten belegt, was sie genießt. Zickenkrieg unter den Wettkämpferinnen gibt es keinen, weil sie alle befreundet sind. Außerhalb der Community freilich muss sie sich von Menschen, die mit ihrer Sportart nichts am Hut haben, manchmal seltsame Fragen gefallen lassen: Ob sie ein Mann sei oder vorhabe, einer zu werden? "Da bin ich aber auch nicht böse!", lacht sie selbstbewusst. "Ich weiß ja, dass meine Muskeln nicht jedem gefallen, und dann erkläre ich einfach, dass ich eine Sportart betreibe, wie andere Golf spielen."

Wichtig sei aber, "dass der Partner diesen komplett anderen Lebensstil versteht. Dass ich jeden Tag trainiere, dies und jenes nicht esse und nicht die ganze Nacht in der Bar sitze." Aber auch optisch zieht sie Männer aus ihrer Community vor: "120 Kilo muss er schon haben!", lacht sie.

Die Bräune per Make-up

Mit dem "Feinschliff" ihres Körpers beginnt Andrijana Dabic circa zwei Monate vor dem Wettkampf. Da sieht sie kein Fett unter ihrer Haut, wenn sie sich im Spiegel betrachtet, da sieht sie nur Muskeln und setzt alles daran, diese im Detail zu definieren. Beim Wettkampf selbst ginge es nämlich nicht um Muskelumfang oder gehobene Gewichte, sondern "rein um die Optik".

Sie wiegt dann 61 Kilo, die auffällige Bräune wird als Make-up in mehreren Schichten aufgetragen oder in flüssiger Form mit Rollen. Danach wird der Körper noch eingeölt. "Da gibt es zig Firmen und Produkte", erklärt sie, ebenso am Markt der Nahrungsergänzungsmittel, wo man um die Kaufkraft der 120-Kilo-Männer buhlt, die ihre Muskeln mit Energie versorgen müssen: Bars, Kapseln und Powders werden angeboten, und dann vielleicht noch verbotene Substanzen.

Zu gewinnen gibt es bei den Wettkämpfen außer einem Pokal, der Ehre und einem schönen Foto für den Instagram-Account, so man denn einen hat, dann nichts. "Natürlich freut man sich, wenn man bei einer EM oder WM gewinnt oder vorne ist", sagt die Vizewelt- und Europameisterin. Aber mit dieser Erwartung ginge sie nie in den Wettkampf, "weil dann bist du psychisch fertig, wenn du nicht gewinnst".

Ab ins Finale

Gewertet werde von einer Jury, die mit Männern und Frauen besetzt ist. "Das ist dann natürlich auch eine Sympathiefrage", erklärt sie. "Ehemalige Bodybuilder werden automatisch Mädels bevorzugen, die mehr Masse haben. Frauen, die in der Bikiniklasse waren, werden eher zierliche Damen bevorzugen. Ist Grün meine Lieblingsfarbe, dann gefällt mir die Wettkämpferin mit dem grünen Bikini. All das geschieht unbewusst."

Im April nächsten Jahres wird sie dann selbst wieder ins Wettkampfgeschehen einsteigen, nach einem Jahr "reduziertem Training", in dem sie vor allem an ihren "Schwachstellen" arbeitet. Bei den Wettkämpfen wird sie dann ganz sicher wieder ins Finale kommen, "denn ins Finale komme ich immer". Und bis dahin gibt’s noch ein paarmal Spaghetti und Pizza. (Manfred Rebhandl, 28.2.2023)