Das von Wien Energie nie in Anspruch genommene Darlehen des Bundes an das Land Wien läuft aus. Nun springt die Stadt Wien für ihren Versorger in die Bresche.

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Wien – Die zuletzt wieder häufig vorgebrachte Forderung der SPÖ nach einem Schutzschirm für Energieversorger hatte augenscheinlich einen handfesten Hintergrund: den Finanz- oder Schutzschirmbedarf von Wien Energie. Am Montag wurde offiziell verkündet, worüber DER STANDARD vorige Woche exklusiv berichtete: Die Stadt will das Darlehen der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur ÖeBFA ersetzen und spannt über ihren Versorger Wien Energie einen eigenen Schutzschirm auf.

Zu diesem Zweck sichert sich die Wien-Energie-Mutter Wiener Stadtwerke einen sogenannten großen revolvierenden Konsortialkredit (Revolving Credit Facility; RCF) bei insgesamt zehn Kommerzbanken im Volumen von 1,7 Milliarden Euro. Das ist zwar weniger als in der Ausschreibung über zwei Milliarden Euro, die dem STANDARD von Banken bestätigt worden waren. Dieser RCF wird allerdings durch den "Schutzschirm" der Stadt Wien aufgefettet, den das Land Wien im Volumen des ÖeBFA-Darlehens vom September 2022 aufspannt. In Summe stehen für die Termingeschäfte von Wien Energie somit bis zu 3,7 Milliarden Euro zur Verfügung, verkündete der Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ).

Ersatz ab 1. Mai

Aus freien Stücken wird der Schutzschirm natürlich nicht aufgespannt. Denn die im Rahmen der Länder- und Rechtsträgerfinanzierung des Bundes gewährte OeBFA-Kreditlinie, die nie schlagend wurde, läuft am 30. April aus. Üblicherweise laufen Finanzierungen für Gebietskörperschaften durch den Bund längerfristig. Angesichts der Umstände – der Geldbedarf für Margin-Calls, also Sicherungsleistungen für Termingeschäfte, war am letzten August-Wochenende quasi über Nacht nicht mehr zu verheimlichen – entschied sich der Bund allerdings für eine ungewöhnlich kurze Laufzeit. Die Bundeshauptstadt hatte also Zeitdruck bei der Aufstellung einer alternativen Finanzierung der Margin-Verpflichtungen ihres städtischen Energieversorgers.

Der Wiener Schutzschirm werde ab 1. Mai für zwei Jahre aufgespannt, betonte Hanke, und so die kommenden zwei Heizperioden abdecken. Konkret handle es sich um einen Kreditrahmenvertrag zu "marktüblichen Konditionen", der die Schulden der Stadt nicht in die Höhe treibe, versicherte Hanke. Schuldenerhöhend wirkt er freilich dann, wenn Wiener Stadtwerke die Kredite in Anspruch nimmt – bis diese zu marktüblichen Konditionen wieder zurückgezahlt und saldiert werden.

Großer Schirm

Finanziert wird die Kreditlinie der Stadt über eine ihrer Hausbanken, die Bank-Austria-Mutter Unicredit, in der einst die Gemeindesparkasse Zentralsparkasse aufgegangen war. Noch vor einer Woche hatten Wien Energie und Wiener Stadtwerke diesbezügliche Auskünfte unter Verweis auf Betriebsgeheimnisse verweigert. Die Größe des Schirms orientiere sich an den am "black friday" fälligen Margin-Zahlungen, das waren rund 1,75 Milliarden Euro. Eine Nachschussverpflichtung gebe es nicht, versicherte Hanke auf Nachfrage des STANDARD.

"Für extreme Ausreißer"

Der Wiener-Stadtwerke-Konzern sei damit "für mögliche extreme Ausreißer auf den Energiemärkten bestens gerüstet", betonte Hanke. Gleiches gelte für die Versorgungssicherheit der Wienerinnen und Wiener. Eine Verlängerung um ein weiteres Jahr sei möglich. Gewinnausschüttungen von Wien Energie während der Laufzeit sind ausgeschlossen. Sie wären allerdings auch ohne Schutzschirm unwahrscheinlich gewesen. Denn bereits in der Bilanz 2021 waren die Termingeschäfte mit rund 450 Millionen Euro negativ, das Eigenkapital war stark dezimiert und die Dividende empfindlich geschrumpft. Ehe die Stadt mit Sicherungsleistungen in die Bresche springen muss, kommen freilich die Geschäftsbanken in die Ziehung, mit denen die Wiener Stadtwerke GmbH Kreditlinien vereinbart.

Spiel mit hohem Risiko?

Die Opposition im Wiener Rathaus schäumt. Hier werde in verantwortungsloser Art und Weise mit dem Risiko gespielt, echauffierte sich der ÖVP-Klubobmann im Gemeinderat, Markus Wölbitsch. Dahinter liege die Absicht, "alles weiterhin verschleiern zu wollen, sich hinter dem Geschäftsgeheimnis zu verstecken" und auch dem Bund Einsicht in Geschäfte zu verwehren.

Der grüne Klubchef David Ellensohn kritisiert die späte Umsetzung: "Wäre dieser Schritt schon vor einem Jahr erfolgt, hätten sich Wien Energie und Wiener Stadtwerke leichter getan." Wienerinnen und Wienern wäre viel erspart geblieben. Das Vorgehen ähnle einer trotzigen Reaktion auf die politische Kontrolle roter Machtnetzwerke in Wien.

FPÖ-Klubobmann Maximilian Krauss sorgt sich, wer im "worst case" für die Banken-Kreditlinie haftet und wie die Zinsen bedient würden. Er mahnte "Risk-Spreading" gegen den volatilen Markt ein.(Luise Ungerboeck, 28.2.2023)