Aufs Kleingedruckte kommt es bei Energielieferverträgen an – und auf die Preise an den Börsen und im Großhandel.

Foto: Imago Images

Verbund AG, Tiroler Tiwag und Salzburg AG sind nicht die einzigen Energieversorger, mit denen Verbraucherschützer im Clinch liegen. Gegen rund ein Dutzend – darunter zahlreiche Landesenergieversorger – wurden Klagen eingebracht, weil die Kunden mit Preiserhöhungen konfrontiert sind oder weil sie aufgrund ihrer Verträge unter Aufkündigung von Preisgarantien vor die Tür gesetzt wurden.

Frage: Warum wurde und wird geklagt und wie wird das gerichtliche Vorgehen begründet?

Antwort: Beim Verbund, gegen den der Verein für Konsumenteninformation (VKI) vor Gericht gezogen ist, ist der Angriffspunkt die Werbung mit hundert Prozent Wasserkraft. Der Slogan steht im Widerspruch mit den tatsächlich verrechneten Strompreisen, die über Strombörsen ermittelt werden und aufgrund des sogenannten Merit-Order-Systems und hoher Gaspreise tatsächlich deutlich höher sind, als es die Produktionskosten für Wasserkraft nahelegen. Die Versorger legitimieren ihre Preiserhöhungen mit Klauseln in den Kundenverträgen, die sich auf den Österreichischen Strompreisindex (ÖSPI) stützen. Diese Klauseln sind aus Sicht des Handelsgerichts intransparent und nachteilig für die Kunden. Das Urteil ist, wie berichtet, nicht rechtskräftig, der Verbund geht in Berufung.

Frage: Wer steht noch in der Kritik?

Antwort: In einem von der Tiroler Arbeiterkammer in Auftrag gegebenen Gutachten sieht Unternehmensrechtler Alexander Schopper von der Uni Innsbruck Rechtswidrigkeiten bei angekündigten und vollzogenen Strompreiserhöhungen von Anbietern in Tirol und Salzburg. Die Tiwag müsste aus seiner Sicht in ihren Klauseln die Kostenstruktur (wie viel Eigenstromproduktion, wie viel Zukauf) offenlegen. Der bloße Verweis auf Inflation, Ukraine oder Strompreisindex reiche nicht. Bei hoher Eigenproduktion könne es sein, dass der ÖSPI gar nicht maßgeblich sei. Die Salzburg AG hat inzwischen in Aussicht gestellt, nächste Woche ihren Aufsichtsrat zu informieren und dann die Öffentlichkeit.

Frage: Wurden weitere Versorger in Österreich geklagt und aus welchen Gründen?

Antwort: Der auf Verbraucherrecht spezialisierte Rechtsanwalt Michael Poduschka hat an die hundert Klagen gegen etwa ein Dutzend Versorger eingebracht. Darunter die teilweise oder ganz staatlich kontrollierten Anbieter wie Burgenland Energie AG, Wien Energie, EVN, Stadtwerke Klagenfurt und Tiwag sowie Montana Energie-Handel, Sigi sog i (eine Marke der Energie AG Oberösterreich; Anm.), Awattar oder Goldgas GmbH. Nicht bei allen ist es die schwammige Bindung der Endkundenpreise an Strom- oder Gaspreisindex (ÖSPI bzw. ÖGPI). Manche beziehen sich auf das Elektrizitätswirtschaftsgesetz Elwog, das Preiserhöhungen gemäß § 80 erlaubt, wenn diese sachlich gerechtfertigt seien. "Das ist oft nicht der Fall", sagt Poduschka, "weil die Verträge der Versorger oft langfristig sind und Steigerungen im Großhandelspreis, auf den ÖSPI und ÖGPI referenzieren, gar nicht abgebildet sind. Es kann nicht sein, dass das Elwog das Konsumentenschutzgesetz schlägt."

Frage: Sind anstehende oder bereits vorgenommene Preiserhöhungen gerechtfertigt?

Antwort: Das ist die Schlüsselfrage. Die Preise wurden teilweise im Vorjahr erhöht, seit Jänner 2023 sind Großhandels- und Spotmarktpreise gesunken, Letztere überwiegend unter 20 Cent pro Kilowattstunde. Trotzdem sanken die Endkundenpreise nicht, sie wurden teilweise erhöht – weil der nun gelieferte Strom zu höheren Preisen eingekauft wurde, wie die Versorger betonen. "Undurchsichtiges Rosinenpicken" nennt das Verbraucheranwalt Poduschka, weil der Börsenpreis verrechnet, aber mit Ökostrom oder Wasserkraft geworben wird. "Fakt ist, dass der heimische Strombedarf zu rund drei Vierteln im Inland produziert wird und überwiegend aus erneuerbaren Energieträgern stammt", sagt Poduschka. "Der Börsenhandel hat mit den Gestehungskosten kaum etwas gemein, das ist Spekulation."

Frage: Was sind die Preisgarantien wert, mit denen Anbieter geworben haben?

Antwort: Nicht viel, wie sich seit den Turbulenzen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine zeigte. Zahlreiche Anbieter kündigten ihre Verträge, setzten die Haushaltskunden quasi auf die Straße. Sie mussten sich neue Anbieter suchen – meist zu deutlich höheren Traifen. "Wir gehen davon aus, dass in solchen Fällen die Mehrkosten zumindest für den Garantiezeitraum zurückgefordert werden können, sagt Poduschka.

Frage: Wie geht es jetzt weiter, ist eine rasche Herabsetzung der Preise in Sicht und eine Rückerstattung zu viel bezahlter Beträge?

Antwort: Es braucht einen langen Atem, das sind Fälle für das Höchstgericht. Denn für die Versorger steht viel auf dem Spiel, sie müssen im Fall einer Niederlage nicht nur Mehrkosten in Millionenhöhe tragen, sondern bei tausenden Verbrauchern die Monat für Monat zu viel bezahlten Beträge ermitteln und diese dann retournieren oder gutschreiben. (Luise Ungerboeck, 1.3.2023)