Die riesigen Steinfiguren von Rapa Nui haben die isolierte Insel im Südwestpazifik berühmt gemacht.

Foto: AP/Esteban Felix

Fast 900 riesige Steinstatuen verteilen sich auf Rapa Nui. Die hohläugigen Figuren namens Moai mit ihren überproportional großen Köpfen haben die 162 Quadratkilometer große Osterinsel im Südostpazifik berühmt gemacht. Wann ihre Schöpfer sie errichtet haben, ist nach wie vor unklar, die ersten könnten schon vor 1.500 Jahren über die damals noch dicht bewaldete Landschaft geblickt haben.

Videoaufnahmen des in einem Vulkankrater gefundenen Steinkopfes.
DER STANDARD

Viele der Statuen stehen auf steinernen Plattformen, die als Ahu bezeichnet werden. Die Figuren blicken weg vom Meer, sind dem Landesinneren zugewandt. Der auffälligste Teil der Moai sind ihre Köpfe, da ihre Torsi meist in der Erde vergraben sind. Die meisten der Statuen trugen Steine auf dem Kopf, Pukao genannt, die einen Hut oder Haarknoten darstellen sollen.

Die Steinfigur ist mit 1,5 Metern Länge kleiner als die meisten Moais der Insel.
Foto: APA/AFP/Ma'u Henua Indigenous Community

Statue vom Grund des Sees

Eigentlich gilt der Moai-Bestand als gut untersucht, doch nun wurde in einem ausgetrockneten Seebett eine bisher unbekannte Statue entdeckt – die Fachleute sprechen von einem Sensationsfund. Die Grabungsstelle liegt im Inneren des erloschenen Vulkan Rano Raraku. Aus dem gelblichbraunen Tuffstein an den Hängen des Berges sind annähernd alle Steinfiguren der Osterinsel gefertigt. Fast 400 Moais in unterschiedlichen Stadien der Fertigstellung verteilen sich über die inneren und äußeren Hänge des Kraters.

Der Moai-Zuwachs aus dem Seeboden ist mit einer Länge von 1,6 Metern kleiner als die meisten anderen bekannten Statuen. Die Gesichtszüge der Figur sind zwar erkennbar, aber durch die Erosion stark beschädigt. "Das ist ein sehr außergewöhnlicher Fund, weil es sich um die erste Entdeckung eines Moai innerhalb der Lagune im Krater des Rano Raraku handelt. Das gab es noch nie", teilte die indigene Gemeinschaft Ma'u Henua mit, die den Nationalpark Rapa Nui verwaltet.

Der trockengefallene See im Krater Rano Raraku gab einen Schatz frei.
Foto: REUTERS/Pablo Sanhueza

Hoffnung auf weitere Entdeckungen

"Die Untersuchung könnte eine andere Perspektive auf die Geschichte eröffnen, wie wir sie kennen, und darauf, wie unsere Vorfahren diese kulturelle Siedlung und die Ressourcen genutzt haben", erklärte Ma'u Henua. Auch die Fachwelt ist begeistert: "Man denkt, man kennen inzwischen alle Moai, aber dann taucht plötzlich ein neuer auf", sagte Terry Hunt, Archäologe an der Universität von Arizona. Und der Fund mache Hoffnung auf weitere Entdeckungen: "Wenn es einen Moai im See gibt, gibt es wahrscheinlich noch mehr."

Reuters

Überhaupt könnte sich die Ausgrabungsstelle als Quelle neuer Erkenntnisse erweisen. Das Forschungsteam vermutet dort weitere Artefakte, vielleicht sogar Werkzeuge der einstigen Erbauer. Als Nächstes sollen jedenfalls Radiokarbondatierungen mehr Licht in die immer noch rätselhafte Inselgeschichte bringen.

Rätselhafte Geschichte

Als der niederländische Seefahrer Jacob Roggeveen am Ostersonntag des Jahres 1722 als erster Europäer die Osterinsel betrat, dürften er und seine Mannschaft nicht schlecht über die imposanten Moai gestaunt haben. Auffällig war jedoch auch das offenkundige Missverhältnis zwischen der Zahl der Steinfiguren und der Ureinwohner der Osterinsel: Rund tausend Steinkolosse standen (oder lagen) zu diesem Zeitpunkt einer Bevölkerung von 1.500 bis höchstens 3.000 Menschen gegenüber.

Der neue Moai soll nun genauer untersucht werden.
Foto: APA/AFP/Ma'u Henua Indigenous Community

Diese Kultur musste also einst deutlich größer gewesen sein – viel mehr als das weiß man allerdings bis heute nicht über Rapa Nuis Vergangenheit: Man nimmt an – zum Teil gestützt von genetischen Analysen –, dass die Insel im fünften Jahrhundert von Polynesien aus besiedelt worden ist, bewiesen ist dies aber nicht.

Ökologische Katastrophe

Ab dem 12. Jahrhundert dürfte Rapa Nui eine kulturelle Blütezeit mit großem Bevölkerungswachstum und umfangreicher Bautätigkeit erlebt haben. Mitte des 17. Jahrhunderts fand diese prosperierende Ära ein jähes Ende. Man vermutet, dass der Keim des Niedergangs bereits im 13. Jahrhundert gelegt wurde, als die Insulaner begannen, den flächendeckenden Palmenwald abzuholzen.

Ob klimatische Ursachen und kriegerische Auseinandersetzungen auch eine Rolle gespielt hatten, ist unklar. Die Bodenerosion und Einbrüche bei der Nahrungsmittelproduktion führten jedenfalls zu einem kontinuierlichen Bevölkerungsrückgang, von dem sich Rapa Nui nicht mehr erholen sollte. (tberg, 3.3.2023)