Minnesang und Frauenlob zum Frauentag am 8. März.

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Man kommt nicht als Feminist zur Welt, man wird zu einem. Das gilt auch für mich, wobei das Problem bei meinem Werdegang darin liegt, dass manche Leute meine Selbstbeschreibung als "Feminist" infrage stellen. "Das ALBUM plant zum Internationalen Frauentag eine Schwerpunktnummer. Ich schreibe darin eine Kolumne über mein Leben als Feminist." "Über dein Leben als was?", fragt meine Frau und schaut mich entgeistert an. Es muss irgendwo ein Missverständnis zwischen uns gegeben haben, eine begriffliche Unklarheit, die den Dialog erschwert.

Das Problem ist, dass ich Männern, die sich als "Feministen" bezeichnen, misstraue (ich kenne meine Pappenheimer!) und daher meinen Feminismus nicht an die große Glocke hänge. Ich verwirkliche ihn mehr indirekt, mehr in Taten als im Wort. Aber ich kann auch problemlos beschreiben, was mich zum Feministen werden ließ.

Frühe Einschulung

Meine Einschulung begann früh. Gegen Ende der Pubertät wurde ich zur Schärfung meines Bewusstseins für den Kampf der Frauen von einer Bekannten zur Lektüre mehrerer feministischer Schriften verpflichtet, die in den 1970ern en vogue waren: Irmtraud Morgners Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz, Das Goldene Notizbuch von Doris Lessing, Das andere Geschlecht von Simone de Beauvoir. Ich habe von diesen Werken sehr profitiert.

In den 70ern und 80ern lebte ich meist in WGs. Dort wurde endlos über Feminismus debattiert, und mehr als einmal habe ich erlebt, dass anstößige Bemerkungen gegenüber Frauen mit harscher Schelte und auch einmal mit einer Maulschelle quittiert wurden. So streng waren damals die Sitten.

Gehegter Bub, besorgter Großvater

Am prägendsten war und ist freilich eine weiblich dominierte Familie. Ich weiß, welch Glück es ist, unter Frauen zu leben und von ihnen gehegt, gepflegt, gehätschelt und geliebt zu werden. Gelegentlich fühle ich mich auch umzingelt, und manchmal, wenn ich mich zu ungebührlich benehme, rufen sie mich energisch zur Ordnung. Das können sie sehr gut.

Ich sehe meine Enkelinnen – die Enkelschar ist ausschließlich weiblich – in diese schöne und gefährliche Welt hineinwachsen, oft mit großer Besorgnis. Wie sollte man unter diesen Umständen nicht zum Feministen werden? Mein zweiter Vorname ist Minnesang, mein dritter Frauenlob. Das wollte ich vor dem Frauentag nur einmal so gesagt haben. (Christoph Winder, 3.3.2023)