Die damalige Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck bei der Präsentation der E-ID.

Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Der Plan: Die Handysignatur sowie die Bürgerkarte sollten vom neuen elektronischen Identitätsnachweis (E-ID) abgelöst werden. Damit sollte nicht nur die Sicherheit verbessert werden, sondern auch die Verwaltung digitaler werden. Bis 2020 sollte das geschehen – doch daraus wurde nichts. Bislang ist nur der digitale Führerschein als einzige Komponente umgesetzt. Der Rechnungshof hat einen Grund für die Verzögerung ausgemacht: In der Abwicklung soll regelrechtes Chaos geherrscht haben.

Ein Projekt im Blindflug

Das geht bei den Zuständigkeiten los. Ab 2018 waren für die Umsetzung der E-ID das Wirtschaftsministerium (unter Margarete Schramböck, ÖVP) sowie das Innenministerium (Herbert Kickl, FPÖ, und ab 2020 Karl Nehammer, ÖVP) verantwortlich.

Jedes Ministerium kochte dabei sein eigenes Süppchen und entwickelte die Einzelteile der E-ID selbst, ohne dass es eine ressortübergreifende Gesamtprojektleitung gegeben hätte, heißt es sinngemäß in dem Bericht. Außerdem fehlte eine Gesamteinsicht zu Inhalten, Umsetzungsstand, Zeitplänen und Kosten – das gesamte Projekt E-ID befand sich demnach im Blindflug.

"Diese Art der Projektorganisation begünstigte das Risiko, dass sich die Projektlaufzeit verlängerte und die geplanten Auszahlungen überschritten wurden. Erst Ende 2021 wurde mit dem neuen ressortübergreifenden Lenkungsausschuss ein entsprechendes Gremium eingerichtet", heißt es in der Berichtsvorlage des Rechnungshofes.

13 Firmen, 21 Subunternehmen

Aber es mangelte nicht nur zwischen den Ministerien an Koordination: Dem Rechnungshof zufolge sollen sich Wirtschafts- und Innenministerium in die Abhängigkeit von Zulieferern und Subunternehmern begeben haben. Nicht nur wurden sämtliche Leistungen zur Entwicklung extern zugekauft, sogar das Projektmanagement wurde ausgelagert. Die meisten Tätigkeiten wurden an die Bundesrechenzentrum GmbH vergeben, die wiederum ihrerseits Subunternehmen beauftragte. Insgesamt vergaben Innen- und Wirtschaftsministerium von 2018 bis November 2021 63 Aufträge an 13 verschiedene Unternehmen, die wiederum 21 verschiedene Subauftragnehmer einsetzten.

Vor allem das Wirtschaftsministerium unter der damaligen Ministerin Margarete Schramböck kommt in dem Bericht nicht gut weg. So wurden 11.070 Personentage extern vergeben. Diese Abhängigkeit von Zulieferern führte dazu, dass das Ministerium keine volle Kontrolle mehr über das Projekt hatte. Was laut dem Rechnungshof aber auch an den geringen Personalressourcen im Wirtschaftsministerium gelegen haben dürfte.

Außerdem kritisiert der Rechnungshof, dass es keine Notfallplanung gibt, sollte eines der insgesamt 15 Systeme der E-ID ausfallen. Eine derartige Strategie liegt derzeit nicht vor, heißt es in dem Bericht.

Ministerium beauftragte PR-Berater und weiß nicht, warum

Das Wirtschaftsministerium beauftragte im Mai 2018 einen Kommunikationsberater mit einem "Storytelling österreich.gv.at". Dafür wurden im Oktober 2018 36.000 Euro abgerechnet. Was der Zweck dieses Auftrags war, konnte das Ministerium nicht beantworten. Lediglich ein 13-seitiger Foliensatz mit dem Titel "Kommunikationsplanung oesterreich.gv.at – Status quo und Next Steps" war auffindbar. Unklar ist, ob dieser tatsächlich aus dem Auftrag an den Berater stammt. Die Leistung des Kommunikationsberaters bleibt also unklar.

Im Juli 2019 beglich das Wirtschaftsministerium eine Rechnung dieses Beraters mit dem Betreff "Storno Produktion Hilfevideos für Testphase österreich.gv.at" über 16.800 Euro. Auch hier war das Ministerium im Rahmen der Prüfung durch den Rechnungshof nicht in der Lage, nähere Auskünfte zu erteilen. In beiden Fällen wurden keine Vergleichsangebote eingeholt.

Bei der Regierungsumbildung im Juli 2022 wanderte das Digitalisierungsressort ins Finanzministerium, das Wirtschaftsressort liegt im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft. In Summe hat die Entwicklung des E-ID von 2018 bis 2021 insgesamt 19,44 Millionen Euro gekostet. Der Echtbetrieb der E-ID soll übrigens am 30. Juni 2023 starten.

Tursky will Organisation ändern

Der Bericht zeige, dass es in der Vergangenheit für übergreifende, öffentlich digitale Projekte über keine ausreichenden Projektstrukturen und Ressourcen verfügt haben, teilte der mittlerweile zuständige Staatssekretär für Digitalisierung Florian Tursky mit. Mit der Eingliederung der Digitalisierung in das Finanzministerium habe man erste strukturelle und organisatorische Maßnahmen getroffen, um Projekte künftig schneller, besser und günstiger abzuwickeln. "Wir analysieren den Rechnungshofbericht und werden daraus gegebenenfalls weitere organisatorische und strukturelle Maßnahmen ableiten, die wir noch dieses Jahr mit den laufenden Projekten implementieren", sagte Tursky. (Peter Zellinger, 3.3.2023)