IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi (li.) führte in Teheran Gespräche mit Präsident Ebrahim Raisi (re.), aber auch mit Außenminister Hossein Amirabdollahian und Atomchef Mohammed Eslami.

Foto: IMAGO/Iranian Presidency/Zuma

Iranischer Atomstreit, die nächste Folge: Der Generaldirektor der IAEA, der internationalen Atomenergiebehörde, Rafael Grossi, kehrte am Samstag aus Teheran zurück, und sein Resümee ist positiv. Aber zwischen dem Text der gemeinsamen Stellungnahme des Iran und der Atomagentur und dem, was Grossi nach seiner Heimkehr in einer Pressekonferenz sagte, gibt es zumindest sprachliche Diskrepanzen. Die Formulierungen, auf die sich die IAEA und der Iran nach einer monatelangen Eiszeit einigten, sind eher vage gehalten, während sich Grossi bei seinem Auftritt am Samstagabend konkret optimistisch zeigte.

Nein, der Iran habe die Verbesserung der Zusammenarbeit mit dem "nuklearen Wachhund" nicht "versprochen", sagte er auf Medienfragen. Vielmehr hätten sich die IAEA und der Iran auf Maßnahmen "geeinigt", es gebe eine iranische Zusage: "Yes, it’s a change."

Allerdings verweist Grossi genau wie die Stellungnahme darauf, dass die technischen Details erst ausgearbeitet werden müssen. Das werde jedoch in Kürze geschehen. "Wir können bald beginnen, konkrete Maßnahmen umzusetzen", sagte Grossi und nannte "Zugang" – gemeint ist von IAEA-Inspektoren zu Atomanlagen – und "Information".

Besuch folgt auf Bericht

Der IAEA-Generaldirektor hatte in Teheran Gespräche mit Präsident Ebrahim Raisi, Außenminister Hossein Amirabdollahian und Atomchef Mohammed Eslami geführt. Grossis Besuch folgte auf einen IAEA-Bericht, der bestätigte, dass Inspektoren im Iran Partikel von auf fast 84 Prozent angereichertem Uran gefunden hätten. Das kommt dem Anreicherungsgrad von atomwaffenfähigem Uran sehr nahe.

Grossi brachte zur Herkunft der Partikel keine neuen Erkenntnisse mit. Die Version der Iraner lautet, dass es sich um eine zufällige Oszillation des Anreicherungsgrads beim Anreicherungsprozess nach oben handelt. Das ist technisch möglich. Es muss aber der Verdacht ausgeräumt werden, dass die 84 Prozent durch gezielte Experimente beim Einsatz von Anreicherungszentrifugen zustande gekommen sind.

Grossi betonte bei der PK, dass es keine Produktion und keine Akkumulation von 84-Prozent-Uran im Iran gebe. Aber, sagte er, "auch 60 Prozent sind hoch". Auf diesen Wert reichert der Iran seit einigen Monaten an und hat laut IAEA-Bericht 87,5 Kilogramm angesammelt. Für Uran mit diesem Anreicherungsgrad gibt es keine zivile Anwendung.

Nächste Woche tagt in Wien der IAEA-Gouverneursrat; bei seinen letzten Sitzungen hatte er Iran-kritische Resolutionen verabschiedet, worauf Teheran mit noch mehr Obstruktion der IAEA-Arbeit im Iran antwortete. Unter anderem hatte er Überwachungskameras der IAEA stillgelegt. Dadurch entsteht eine Überwachungslücke mancher iranischen Atomaktivitäten, die die IAEA erst langsam wieder füllen muss. Auch dafür gibt es laut Grossi iranische Zusagen.

Es gibt ein ganzes Bündel an Problemen, die die IAEA mit dem Iran hat, alle haben miteinander zu tun, sind aber getrennt zu lösen. Da sind zum einen die Regeln und Inspektionen unter dem Wiener Atomabkommen von 2015, das bröckelt, seit es die USA unter Präsident Donald Trump im Mai 2018 verlassen haben. 2019 begann auch der Iran, seine Verpflichtungen nicht mehr einzuhalten und immer höher anzureichern. Aber der Hinweis auf die 83,7 Prozent Anreicherungsgrad – so viele sind es genau – lässt die Alarmglocken schrillen.

Die Sorge ist, dass der Iran die politische Entscheidung trifft, Atomwaffen zu bauen. Genug Material hätte er bereits, wenn er das bereits im Land befindliche angereicherte Uran weiter anreichert. Laut US-Geheimdiensten und laut Grossi gebe es dafür aber keine Hinweise.

"Offene Fragen"

Mit einem möglichen Atomwaffenprogramm haben auch die seit Jahren "offenen Fragen" der IAEA an den Iran zu tun. Hinweise auf Forschungen in Richtung militärisches Atomprogramm oder zumindest Studien und Vorarbeiten, die jedoch laut US-Geheimdiensten vor 2003 eingestellt wurden, gab es bereits früher. Seit einigen Jahren ringt die IAEA jedoch mit dem Iran um Auskunft, woher Uranpartikel an zuvor nicht als Atomanlagen deklarierten Orten stammen. Die iranischen Antworten waren bisher nicht schlüssig, so die IAEA, und Grossi sagte auch am Samstag wieder, dass der Aufklärungsprozess "zu lange" dauere. Auch da scheint der IAEA-Chef auf einen Durchbruch zu hoffen.

Eine Reaktion gab es am Sonntag von Israels Premier Benjamin Netanjahu auf Grossis Aussage am Samstag, dass eventuelle israelische Angriffe auf iranische Nuklearanlagen "illegal" wären. Grossi sei ein "ehrenwerter Mann", aber seine Bemerkung sei unwürdig, sagte Netanjahu im israelischen Fernsehen. Israel habe das Recht, sich zu verteidigen. (Gudrun Harrer, 6.3.2023)