ÖVP-Chef Karl Nehammer machte am Abend noch einen spontanen Kärnten-Ausflug und gratulierte Martin Gruber zum Wahlerfolg.

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Die SPÖ rund um Landeshauptmann Peter Kaiser hat es am Sonntag noch schlimmer getroffen, als die Partei es befürchtet hatte. Ein Vierer sollte vorne stehen, gab der Kärntner SPÖ-Chef als Wahlziel aus. Doch der Vierer wurde ein Dreier: minus neun Prozentpunkte. Das schlechte Ergebnis Kaisers SPÖ bringt aber vor allem auch eine in Bedrängnis: Die rote Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner wird von internen Kritikern bereits seit geraumer Zeit angeschossen und für die Wahlschlappen ihrer Partei verantwortlich gemacht.

Pamela Rendi-Wagner machte aus ihrer Enttäuschung über das Wahlergebnis kein Geheimnis.
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Sie machte am Sonntag kein Hehl aus ihrer Enttäuschung: "Es ist ein Ergebnis, das schmerzt", sagte sie in Klagenfurt. Die Verluste erklärt sie sich aber auch damit, dass wegen der Krisen alle regierenden Landesparteien Stimmen verloren hätten. Andererseits schade aber auch die Führungsdiskussion in der Bundes-SPÖ den Landesparteien.

Doch welche Auswirkungen hat die Kärntner Wahl auf die anderen Parteien, die im Parlament vertreten sind? Können FPÖ, ÖVP, Grüne und Neos Ableitungen für ihre Bundesparteien ziehen? Ein Überblick.

FPÖ-Chef Herbert Kickl kam nach Kärnten und besuchte seine Landespartei im Wahlkampf.
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FPÖ: Kärnten bremst bundesweiten Höhenflug

Bundesweit in Umfragen auf dem ersten Platz, bei der vergangenen Landtagswahl in Niederösterreich die klare Nummer zwei – mit deutlichen Zugewinnen: Die FPÖ hat sich offenbar vom Ibiza-Video und den daraus resultierten Korruptionsvorwürfen, von U-Ausschuss und Parteichefwechsel wieder erholt. Bei dem aktuellen Höhenflug, in dem sich die Freiheitlichen befinden, ging es für die lokalen Blauen auch bei der Landtagswahl in Kärnten darum, an die Erfolge der vergangenen Urnengänge anzuknüpfen.

Doch für den Kärntner Spitzenkandidaten Erwin Angerer, selbst Bürgermeister von Mühldorf und Nationalratsabgeordneter, war die Aufgabe eine größere als für andere FPÖ-Chefs. So fischten im Süden Österreichs gleich mehrere Parteien im selben Stimmenpool wie die Blauen. Und darum dümpelt die FPÖ in Kärnten dort vor sich hin. Wie vorab prognostiziert, konnten die Freiheitlichen zwar leichte Zugewinne verzeichnen, an die Zeiten von Jörg Haider konnte man aber freilich nicht anknüpfen. Mit 24,5 Prozent war den Blauen – wie erwartet – Platz zwei schon nach den ersten Hochrechnungen sicher. Demnach konnte Angerer lediglich 1,6 Prozentpunkte dazugewinnen. Und das, obwohl er Schützenhilfe von einem Kärntner aus Wien erhielt – Bundesparteichef Herbert Kickl ging mit ihm bekanntlich auf Wahlkampftour.

Doch Kärnten hat eine Sonderstellung, und der blaue Stillstand kann nicht als Zeichen für die Bundespartei gewertet werden. Denn mit klassischen blauen Themen, die Kickl auch im Bund trommelt, wollten einige Kärntner Parteien punkten: das Bündnis für Kärnten (BFK), ein Wahlbündnis, in dem sich die Reste des BZÖ sammelten, und Vision Österreich, eine Abspaltung der MFG. Große Konkurrenz waren sie zwar nicht für die Blauen. Doch dann kam auch das Team Kärnten dazu. Dessen Parteichef Gerhard Köfer war SPÖ-Nationalrat und Bürgermeister von Spittal an der Drau, ehe er zu Frank Stronachs Partei wechselte. Mit Klagenfurts Bürgermeister Christian Scheider hat Köfer zudem auch einen prominenten Ex-FPÖler in seinen Reihen.

Kanzler Karl Nehammer besuchte Kärnten zum politischen Aschermittwoch.
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ÖVP: Überraschende Zugewinne der Volkspartei

Kärnten war für die ÖVP, die mit Karl Nehammer aktuell den Bundeskanzler stellt und mit den Grünen regiert, traditionell ein schwieriges Terrain. Darum wurden bei der jetzigen Landtagswahl auch keine allzu großen Erwartungen an das Ergebnis der Volkspartei im südlichsten Bundesland gestellt. Anders als in Niederösterreich, wo es für Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner um die (einzige) Absolute im ganzen Land ging, oder davor in Tirol, wo Anton Mattle ebenfalls den Landeshauptmannsessel zu verteidigen hatte. Und auch in Salzburg muss ÖVP-Landesparteichef Wilfried Haslauer am 23. April als Landeshauptmann eine Wahl schlagen und – so die schwarze Erwartungshaltung – die politische Vormachtstellung verteidigen.

Dagegen waren die Wahlziele des Kärnten-Ablegers der ÖVP bescheiden. Parteichef Nehammer hatte bei einem Besuch gesagt: "Die Umfragen – na ja, die Stimmung gut, die politische Situation nicht einfach."

Für jene Partei, die seit 2018 mit rund 15 Prozent den Juniorpartner der SPÖ in der Landesregierung gibt, ging es vor allem darum, Platz drei zu halten und das "Team Kärnten – Liste Köfer" hinter sich zu lassen. Martin Gruber, der Landesparteichef und Spitzenkandidat der ÖVP, versuchte das im Wahlkampf damit, sich und seine Partei als bürgerliche Mitte zu präsentieren und gleichzeitig scharf von rechts und links abzugrenzen. Das Team Kärnten unter Gerhard Köfer bezeichnete er als "Gut Aiderbichl der Politik". Deren Chef – Köfer war viele Jahre SPÖler und später im Team Stronach – betreibe Nilpferdpolitik: "Große Klappe, aber wenn es ums Arbeiten geht, abtauchen." Grubers Warnung vor der Wahl lautete: Nach der Wahl würden zwei Blöcke drohen. "Einer, der darauf wartet, dass Kärnten nach links abdriftet, der nur schaut, was man verteilen kann. Und der andere, der Kärnten nach rechts ziehen will, in eine Randposition, in der die Wutmacher unsere Gesellschaft spalten."

Schon nach der ersten Hochrechnung hatte die ÖVP dann den ersten Grund zum Durchatmen und Freuen. Es war anders gekommen als vorhergesagt: Plus 1,6 Prozentpunkte bescherten der ÖVP 17,1 Prozent der Stimmen – womit Platz drei hinter der FPÖ und vor dem Team Kärnten sicher war. Mission mehr als erfüllt, Rolle als Regierungsjoker gewonnen.

Die einzige Phase, in der die ÖVP seit 1945 in Kärnten den Landeshauptmann stellte, war einer politischen Ausnahmezeit geschuldet. Christof Zernatto kam 1991 in das Amt, weil Jörg Haider von der "ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich" schwadroniert hatte und vom Landtag abgewählt worden war. ÖVP und SPÖ kürten Zernatto zum Landeshauptmann, 1994 legten die Schwarzen zu, ein Koalitionsabkommen mit der FPÖ platzte aber noch vor der Abstimmung im Landtag, woraufhin sich ÖVP und SPÖ doch wieder zusammentaten und Zernatto noch einmal bestätigten, bis Haiders FPÖ 1999 erstmals stimmenstärkste Partei in Kärnten wurde und die ÖVP wieder auf Platz drei rutschte – wo sie auch heute wieder liegt.

Gleich zwei Grüne aus Wien in Klagenfurt: Klimaschutzministerin Leonore Gewessler und Gesundheitsminister Johannes Rauch leisteten Schützenhilfe.
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Grüne: Den Wiedereinzug zum zweiten Mal verfehlt

Für die Grünen, die auf Bundesebene mit der ÖVP in der Regierung sitzen, wäre ein Wiedereinzug der Kärntner Teilgruppe ein wichtiges Lebenszeichen gewesen – das sich aber schon nach der ersten Hochrechnung in Luft auflöste. Die Fünfprozenthürde war im einzigen Bundesland Österreichs, in dem die Grünen nicht im Landtag vertreten sind, auch diesmal zu hoch. Es reichte nur für 3,8 Prozent.

Das Miniplus von 0,7 Prozentpunkten vermochte nur die Klubobfrau im Parlament, Sigrid Maurer, zu erfreuen. Ihr zufolge haben die Kärntner "das Ziel erreicht, dazuzugewinnen". Folgen für die Bundespartei? Laut Maurer keine. Für die türkis-grüne Regierung bedeute das Ergebnis, "dass die Arbeit genauso erfolgreich weitergehen wird".

Schon vor fünf Jahren verfehlten die Grünen in Kärnten mit 3,1 Prozent den Einzug in den Landtag, nachdem ihnen 2013 ein großer Wahlerfolg mit fast zwölf Prozent gelungen war. Bis 2004 war Kärnten das letzte Bundesland, in dem die Grünen auf Landesebene nicht verankert waren. Damals zogen sie mit 6,7 Prozent erstmals ein.

Am Sonntag war auch der Bundessprecher der Grünen, Vizekanzler Werner Kogler, nach Klagenfurt gereist, um Spitzenkandidatin Olga Voglauer beizustehen. In der Zitterphase bis zum Endergebnis sagte er: "Wir sind es gewohnt, aber wir haben auch bewiesen, dass wir uns zurückkämpfen können." Wenn das jemand wissen muss, dann Kogler, der 2017 mit den Grünen hochkant aus dem Nationalrat geflogen war und sie 2019 mit einem fulminanten Wahlergebnis nicht nur zurück ins Hohe Haus, sondern auch auf die Regierungsbank führte.

Beate Meinl-Reisinger eilte zur Unterstützung der Kärntner Neos.
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Neos: Verpasste Chance in Kärnten, Warten auf Salzburg

Es sollte den Neos wieder nicht gelingen: Obwohl zuletzt Umfragen den Pinken zumindest eine kleine Chance auf den Einzug ausgerechnet hatten, scheiterten sie erneut deutlich an der Fünfprozenthürde. Wie schon bei der Wahl 2018 schafften sie es auch diesmal mit ihren 2,6 Prozent nicht in den Landtag von Kärnten.

Nur in zwei der neun Landesparlamente sind die Neos derzeit nicht vertreten: in jenen von Kärnten und dem Burgenland. Das ist keine Überraschung, sind das schließlich auch jene Bundesländer, die kaum Großstädte vorweisen können – und gerade dort, in jungen, urbanen Räumen, wohnen die Wählerinnen und Wähler der Neos.

Doch das Problem der Liberalen zog sich zuletzt durch alle Wahlauseinandersetzungen: Sie dürften ihr Potenzial im einstelligen Prozentbereich ausgeschöpft haben. Wachsen sie, dann ist es egal, ob im Bund, in Wien oder Vorarlberg – besonders hoch sind die Zugewinne nicht. Und das, obwohl die Neos als Juniorpartner mittlerweile in zwei sehr unterschiedlichen Landesregierungen vertreten sind.

Eine der pinken Regierungsbeteiligungen steht demnächst auf dem Prüfstand: Wenn am 23. April Salzburg wählt, dann wird auch über die Zukunft der für die Neos wichtigen Dirndl-Koalition entschieden. Denn die Zusammenarbeit von ÖVP, Grünen und Neos wackelt.

Zwar lautet auch in Salzburg die Prognose für die Neos und die Grünen: Stagnation. Erwartete Verluste der ÖVP würden aber auch den Pinken schaden, wenn dadurch die hauchdünne Mehrheit im Landtag verlorengeht und die ÖVP eine neue finden muss. (Oona Kroisleitner, Lisa Nimmervoll, 5.3.2023)