Als wenige Minuten nach 16 Uhr der rote Balken auf dem riesigen Monitor in der Kärntner SPÖ-Zentrale in die Höhe stieg, war die Nervosität zum Greifen. Nachdem der Balken stehengeblieben war, war auf manchen Gesichtern Enttäuschung und Fassungslosigkeit zu sehen: Der Vierer wurde nicht erreicht, Peter Kaiser blieb unter seinem Wahlziel, 40 Prozent plus zu machen.

Landeshauptmann Peter Kaiser musste in Kärnten einen schmerzlichen Verlust eingestehen, der offenbar auch ihn selbst überrascht hat.
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Es waren letztlich nur 38,9 Prozent, und es war klar, dass die Festlegung auf die 40-Prozent-Marke ein Fehler war. Die SPÖ hatte sich von den Umfragen täuschen lassen. Kaiser hatte sich mehr erwartet, und auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner war mit einer falschen Erwartungshaltung nach Klagenfurt gereist.

Die Partei des Landeshauptmanns liegt zwar klar auf Platz eins in Kärnten, doch von den historischen zehn Prozentpunkten Zugewinn von 2018 waren neun wieder Geschichte. Auf Platz zwei kam erneut die FPÖ mit rund 24,6 Prozent, das ist ein Zugewinn von 1,6 Prozentpunkten, immerhin. Das Team Kärnten rund um Ex-SPÖ-Politiker Gerhard Köfer erreichte zwar starke zehn Prozent, verfehlte allerdings den erhofften dritten Platz. Den konnte die ÖVP mit 17,0 Prozent überraschenderweise klar verteidigen. Auch hier macht das Plus 1,6 Prozentpunkte aus.

Koalition gegen Kaiser

Damit ist nun doch der Worst Case eingetreten, vor dem Kaiser in Endspurt des Wahlkampfes gewarnt hatte. Es gibt eine Mehrheit im Kärntner Landtag jenseits der SPÖ. Auch wenn die SPÖ die stärkste Partei ist, könnten die Wahlgewinner ÖVP, FPÖ und das Team Köfer eine gemeinsame Koalition schmieden – gegen Peter Kaiser. Aber da stehen noch einige Fragezeichen davor: Denn eine Neuauflage von Schwarz-Rot ist ebenfalls drin.

SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner ist nicht besonders glücklich.
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SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner erklärt den massiven Stimmenverlust in Kärnten mit einem allgemeinen Trend: "Kärnten ist nicht das einzige Bundesland mit deutlichen Verlusten für jene Parteien, die den Landeshauptmann, die Landeshauptfrau stellen." Auch Tirol und Niederösterreich seien betroffen gewesen. Für Rendi-Wagner sind die Stimmenverluste eine Reaktion auf die momentane gesellschaftliche Situation, die Zeit der Krisen, der Teuerung und letztlich auch der Pandemie. Regierende Parteien würden dafür "Verluste einstreifen".

Eine bundespolitische Komponente der Kärntner Wahl will Rendi-Wagner nicht erkennen. "Das war eine Landeswahl und keine Bundeswahl", sagte die SPÖ-Chefin. Dass die ständigen Diskussionen über die Führung der Partei eine Wirkung auf das schlechte SPÖ-Ergebnis hatten, wollte Rendi-Wagner gar nicht leugnen: "Die öffentlichen Diskussionen haben sicher dem politischen Mitbewerber genutzt." Rendi-Wagner unterstrich einmal mehr: Sie sei Vorsitzende und werde auch Spitzenkandidatin bleiben. Aber das alles werde nur intern diskutiert.

Kärnten hat gewählt. Was verändert sich? Was bleibt beim Alten? Petra Stuiber, stv. Chefredakteurin des STANDARD, analysiert das vorläufige Ergebnis
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Ein klarer Auftrag

"Das Ergebnis schmerzt sehr. Ich übernehme die volle Verantwortung dafür", sagte Kaiser, der seit nunmehr zehn Jahren Landeshauptmann ist, in einer ersten Reaktion. Er werde nun mit allen Parteien Koalitionsgespräche führen, mit dem "klaren Auftrag, dass die SPÖ führend sein soll".

In der SPÖ-Zentrale in der Lidmanskygasse waren die Funktionärinnen, die eigentlich gekommen waren, um zu feiern, niedergeschlagen. Niemand hatte mit dieser Schlappe gerechnet. Führende Politiker wollten vorerst keine Stellungnahme abgeben, "das muss erst einmal sickern", sagte ein roter Bundespolitiker. "Oarg, der Gruber", sagte ein anderer Funktionär, dessen Gegenüber ihm antwortete: "Die Regierungsparteien gwinnen dazua. Wos es olles no gibt!"

Dass es einen außerordentlichen Protest gab, konnte man noch nachvollziehen, aber dass ausgerechnet die ÖVP mehr Proteststimmen abfangen konnte als die FPÖ, sei rätselhaft. Das Ergebnis der Schwarzen rund um Spitzenkandidat Martin Gruber gilt neben den Verlusten der Roten jedenfalls als zweite große Überraschung dieser Wahl: Als die Prognosebalken einen Zugewinn und damit den Verbleib auf Platz drei zeigten, brach tosender Jubel in der ÖVP-Wahlzentrale aus. Immerhin hatten die Vorwahlumfragen für die ÖVP, die sich in Kärnten traditionell schwertut, deutliche Verluste vorausgesagt. Gruber sei unterschätzt worden, sagte Landesgeschäftsführerin Julia Löschnig und sprach von einer erfolgreichen Aufholjagd. Damit gewinnt auch die Bundesregierung die Mehrheit im Bundesrat – die sie nach der Landtagswahl in Niederösterreich verloren hatte – zurück.

Grubär und Kanzler.
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Die unerwarteten Zugewinne der ÖVP veranlassten auch Kanzler Karl Nehammer – offenbar spontan –, nach Klagenfurt zu reisen. In einem Innenstadtlokal feierte der Kanzler mit dem lokalen Spitzenkandidaten und dessen Maskottchen, dem Grubär. "Redliche Politik zahlt sich zu 100 Prozent aus", erklärte Nehammer.

FPÖ-Spitzenkandidat Erwin Angerer zeigte sich trotz Hoffnungen auf bis zu 30 Prozent dennoch zufrieden. Dass die Zugewinne nicht höher ausfielen, begründete Angerer mit der Konkurrenz vom Team Kärnten und der kleinen MFG-Nachfolge-Partei Vision Österreich, die den Einzug verpasst.

Landtag wird nicht bunter

Schmerzlich fiel das Ergebnis für die Kärntner Grünen aus, bei denen die Anspannung in der Wahlzentrale im Klagenfurter Stereo-Club bereits tagsüber deutlich zu spüren war. Für sie war der Wahlsonntag eine blanke Zitterpartie. Erste Prognosen zeigten den Wiedereinzug in den Landtag noch innerhalb der Schwankungsbreite. Letztendlich ging sich der Einzug in den Landtag dann aber recht deutlich nicht aus: 3,9 Prozent reichten bei weitem nicht aus, die Fünfprozenthürde zu überspringen.

Für die Neos, die sich am Nachmittag noch zuversichtlich gezeigt hatten, war das Ergebnis noch deutlicher: 2,6 Prozent. Da war wieder eine Hoffnung zerplatzt. (Guido Gluschitsch, Walter Müller, Flora Mory, 5.3.2023)