Knappheit bei Verpackungsmaterial, bei Wirkstoffen, bei wichtigen Bauteilen: Die Lieferketten gerieten vor allem mit der Corona-Pandemie kräftig aus dem Gleichgewicht.

Foto: FP / Sajjad Hussain

Frage: Österreich stellt ein neues Lieferketten-Forschungsinstitut auf die Beine. Was ist der Hintergrund?

Antwort: Die europäische Wirtschaft ist sehr abhängig von Zulieferungen aus Asien. Das hat die Corona-Pandemie deutlich gezeigt. Für Autos gab und gibt es lange Lieferzeiten, weil nicht genug Chips produziert werden konnten, zahlreiche Medikamente waren nicht lieferbar, weil die Nachfrage mit Covid-bedingten Lieferverzögerungen in China (wo viel vor allem günstigere Medizin produziert wird) kollidierte. Nicht nur die Pandemie, auch die rasch wachsende Nachfrage, Wetterereignisse und Transportprobleme haben den Güterkreislauf ins Stocken gebracht.

Frage: Was soll das neue Forschungsinstitut leisten?

Antwort: Man will drohende Engpässe frühzeitig erkennen sowie daten- und wissenschaftsgetrieben politikrelevante Informationen bereitstellen, hieß es bei der Präsentation des Instituts am Montag. Als erstes Projekt will man die Abläufe rund um die weitreichenden Verknüpfungen bei Produktions- und Verteilungsprozessen von Mikrochips oder Medikamenten angehen.

Frage: Wie wird das neue Forschungsinstitut organisiert?

Antwort: Der Komplexität der Lieferketten in einer globalisierten Welt entsprechend, wird Komplexitätsforscher Peter Klimek vom Complexity Science Hub (CSH) in Wien Leiter der Institution Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII). Das ASCII bekommt einen zweiten Standort in Steyr, wo das Logistikum der Fachhochschule (FH) OÖ sitzt. Mit an Bord: der Verein Netzwerk Logistik und das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), dessen Chef Gabriel Felbermayr Präsident des ASCII wird. Dem Beirat wird Infineon-Vorstandschefin Sabine Herlitschka vorstehen.

Frage: Wer finanziert das ASCII?

Antwort: Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) stellt aus seinem Ressort für die nächsten fünf Jahre 7,5 Millionen Euro zur Verfügung, das Land Oberösterreich steuert 2,5 Millionen bei. Im Vollausbau soll die Einrichtung 15 Vollzeit beschäftigte Forscher umfassen, die man auch aus dem Ausland anlocken will. Immerhin habe man durch die Verbindung von Komplexitätsforschung, Ökonomie und Logistik ein "Vorzeigeinstitut" geschaffen, schwärmt Wifo-Chef Felbermayr.

Frage: Lieferengpässe rechtzeitig abschätzen ist das eine, die sozialen und ökologischen Bedingungen bei den Produzenten das andere. Damit beschäftigt sich das EU-weite Lieferkettengesetz. Wie weit ist es?

Antwort: Zumindest auf einen ersten Entwurf haben sich die EU-Mitgliedsstaaten im Dezember geeinigt. Demnach soll das Gesetz für große Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mehr als 150 Millionen Euro Umsatz und für Betriebe aus Drittstaaten mit mehr als 150 Millionen Euro Umsatz in der EU gelten. Das war aber erst der Auftakt zu den Verhandlungen mit dem EU-Parlament. Wann es in Kraft treten soll, ist also noch offen.

Frage: Wie ist Österreichs Position?

Antwort: Österreich hat sich damals bei der Abstimmung enthalten, wie Minister Martin Kocher (ÖVP) erklärt hatte. Man ist sich nicht einig. Wirtschaft und Industrie – vor allem global aufgestellte Unternehmen – sind grundsätzlich skeptisch, befürchten sie doch hohen Mehraufwand durch Dokumentationspflichten. Die Strabag hat im Vorjahr erklärt, sich aus Afrika zurückzuziehen. Das Argument: Belastungen, die sich aus dem Lieferkettengesetz ergeben würden – etwa die Kontrolle lokaler Zulieferer –, wären teuer, die Wettbewerbsfähigkeit leide.

Frage: Was wird derzeit diskutiert?

Antwort: Wieweit Unternehmen in Sachen Verantwortung bei ihren Produktionsstätten in die Pflicht genommen werden sollen. In Deutschland gilt seit 1. Jänner bereits ein Lieferkettengesetz. Allerdings verpflichtet es Unternehmen hauptsächlich zur Obsorge bei den unmittelbaren Zulieferern. Die EU-Regelung soll da weiter gehen. (Regina Bruckner, 6.3.2023)