Das ist wirklich herzig. Der burgenländische Prätendent auf den SPÖ-Vorsitz, Hans Peter Doskozil, ortet "öffentliche Angriffe" der SPÖ-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner auf ihn – nachdem er selbst seit geraumer Zeit kaum noch versteckte Angriffe gegen Rendi-Wagner reitet; und sie selbst nun in einem ZiB 2-Interview schließlich doch zurückschlägt (wobei auch bürgerlichen Zuschauerinnen und Zuschauern die ziemlich erbarmungslose Gesprächsführung von Armin Wolf gegenüber Rendi-Wagner Unbehagen bereitete). Es ist alles ziemlich verkorkst in der Führungsdebatte innerhalb der SPÖ. Aber das gilt nicht für die Sozialdemokratie allein. Praktisch alle Parteien haben da Defizite.

Die ÖVP hat nach dem großen Irrtum Sebastian Kurz auf Karl Nehammer gesetzt, der bisher eher versuchte, in den diversen Krisen nicht aus dem Sattel zu fliegen, als ein schlüssiges Konzept (etwa in der Wirtschaftspolitik) vorzulegen. Das will er in seiner ersten großen Rede am Freitag nachholen.

Die Grünen haben einen recht ausgelaugt wirkenden Werner Kogler und seine wahrscheinliche Nachfolgerin Leonore Gewessler, die einige Initiativen vorzuweisen hat, aber auch erst ihre Vote-Getter-Qualitäten beweisen muss. Die Parteichefin der Neos, Beate Meinl-Reisinger, hat ein entschlossenes Auftreten und politisches Gespür, kann jedoch die Einengung auf eine gewisse mittelständische Klientel nicht überwinden. Die Freiheitlichen schließlich sind unter dem radikalisierten Herbert Kickl zwar erfolgreich, aber nicht mehr innerhalb einer liberalen Demokratie.

Nicht nur an SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagners Vote-Getter-Qualitäten wird gezweifelt, das gilt für praktisch alle österreichischen Parteispitzen, auch für Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) oder Vize Werner Kogler (Grüne).
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Größtes Personalproblem

Dennoch, das größte Personalproblem – zu den strukturellen Problemen – hat die SPÖ. Jede und jeder mögliche Spitzenkandidat hat ernste Handicaps. Rendi-Wagner hat zwar jetzt endlich Klartext geredet und zeigt beachtliche Zähigkeit. Aber das ändert wenig an ihrem Defizit an politischem Handwerkskönnen. Sie gibt nicht wirklich eine erkennbare Richtung vor und hat es völlig verabsäumt, die Voraussetzungen für Rot-Grün-Pink zu schaffen. Doskozil ist ein politischer Profi, hat auch geschickt einige echt sozialdemokratische Maßnahmen gesetzt, aber ein großer Teil der Partei misstraut ihm und seinen Heckenschützenmethoden. Allerdings könnte sich die Partei ihm doch aus purer Verzweiflung zuwenden.

Michael Ludwig wird seit Monaten bekniet, "es selbst zu machen". Er widersteht, weil er weiß, dass es besser ist, der Erste in Wien zu sein als der vielleicht Zweite in Österreich. Dann gibt es Christian Kern, der bei seinen Auftritten in letzter Zeit auf Sachkompetenz setzt. Er kann überzeugend Wirtschaftspolitik darlegen, er wirkt uneitler und sachkonzentrierter als früher. Er wird einer der Redner beim Wahlkampfauftakt der Salzburger SPÖ sein. Aber es gibt ein großes Aber: Er hat seine Chance schon gehabt. Die Partei (und ganz besonders Ludwig) haben nicht vergessen, dass er sich von Kurz in der Neuwahlfrage 2017 ausmanövrieren ließ und nach verlorener Wahl alles hinschmiss. Und Rendi-Wagner war seine Erfindung.

In der SPÖ wird es zu einer nicht optimalen Lösung kommen. Aber in der ganzen Republik herrscht Unzufriedenheit mit dem politischen Spitzenpersonal. Es gibt allerdings zivilgesellschaftliche Reformbewegungen. Vielleicht sollte man den suchenden Blick dorthin richten. (Hans Rauscher, 7.3.2023)