Eineinhalb Wochen nach dem Schiffsunglück vor der Küste der süditalienischen Region Kalabrien – dabei kamen mindestens 72 Flüchtlinge und Migranten ums Leben, dutzende Menschen werden noch vermisst – ist einer der mutmaßlichen Schlepper in Österreich festgenommen worden.

Es handelt sich Informationen der Staatsanwaltschaft der Stadt Crotone zufolge um einen 28-jährigen Türken, der in der steirischen Hauptstadt Graz Unterschlupf gesucht haben soll und später – als er nach Deutschland wollte – festgenommen werden konnte. In einem Anhaltezentrum in Graz konnte die Identität des Mannes, der sich als illegaler Migrant ausgegeben hatte, festgestellt werden. Er soll nun nach Italien ausgeliefert werden.

VIDEO: In Crotone trauerte man am vergangenen Mittwoch um die verunglückten Migranten (Video von Donnerstag, 2. März)
DER STANDARD

Der Mann ist nach einem Bericht der italienischen Nachrichtenagentur Ansa bereits der vierte mutmaßliche festgenommene Schlepper: Ein weiterer Türke und zwei Pakistaner waren noch am Ort des Unglücks festgenommen worden, der 28-Jährige konnte vorerst flüchten.

Steuermann türmte

Bei dem festgenommenen Mann türkischer Staatsbürgerschaft habe es sich nach Zeugenaussagen um jenen Schlepper gehandelt, der das Boot steuerte, das nur wenige Dutzend Meter vor der rettenden Küste auf Grund gelaufen war. Das völlig überladene Fischerboot, das im türkischen Izmir ausgelaufen war und die Menschen nach Kalabrien bringen sollte, zerbrach aufgrund der rauen See in viele Teile. Die Hälfte der Menschen an Bord überlebte die Katastrophe nicht, und auch nach zehn Tagen dauert die Suche nach Opfern noch an.

Wie Überlebende den italienischen Ermittlern erzählten, habe der nun Festgenommene mehrfach versucht, den Motor beziehungsweise die Steueranlage zum Funktionieren zu bringen. Nach dem Schiffbruch sei er jedoch getürmt, ohne Hilfe zu leisten.

Über hunderte Meter Strand wurden Wrackteile des Fischerbootes an Land gespült.
Foto: REUTERS/Remo Casilli

Offenbar das Chaos der Lage nutzend, konnte sich der 28-Jähre unerkannt vom Unglücksort entfernen, dann verlor sich seine Spur. Die italienische Finanzpolizei konnte den Türken jedoch unter Nutzung von Interpol-Daten in Österreich ausfindig machen. Dort wurde er in der Nacht auf Mittwoch festgenommen.

Internationale Fahndung

Die Fahndung hatte sich gemäß einem Ansa-Bericht durchaus aufwendig gestaltet: In der Nähe des Strandes, wo das Wrack angetrieben worden war, fand die Polizei zunächst Teile von Personaldokumenten, die auf einen 1995 geborenen Bürger türkischer Herkunft hindeuteten. Aber erst nach Auswertung von Personaldaten Überlebender und Toter des Schiffsunglücks konnte die Identität des Gesuchten festgestellt werden – er wurde international zur Fahndung ausgeschrieben.

In Österreich fiel der Mann erstmals am 3. März bei einer Polizeikontrolle auf, weil er offenbar keine Ausweispapiere besaß. Der Abgleich mit den internationalen Fahndungsdaten führte schließlich zum Erfolg und zur Festnahme in Graz. Am Mittwoch befand sich der Mann vorerst noch in Österreich, seine Übergabe an Italien wurde allerdings umgehend eingeleitet. (gian, 8.3.2023)