Klubobmann August Wöginger, gegen den ebenfalls Korruptionsermittlungen laufen, und Fraktionsführer Andreas Hanger (beide ÖVP).

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Lebt die ÖVP in einer Parallelwelt? Diese Frage stellt sich unweigerlich beim Lesen ihres 122-seitigen Fraktionsberichts zum ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss. Wer dachte, dass selbst die Volkspartei nicht mehr von der Hand weisen kann, dass sie ein Korruptionsproblem hat, wird eines Besseren belehrt. In dem Bericht spricht sie sich selbst von sämtlichen Korruptionsvorwürfen frei – völlig ungeachtet der Tatsache, dass sie in zahlreiche in den vergangenen Jahren publik gewordene Korruptionsaffären verwickelt ist, die die Republik mehrfach erschütterten.

Für eine Kanzlerpartei, die selbst Beschuldigte in Korruptionsermittlungen ist und nach wie vor hochranginge Politiker in ihren Reihen hat, gegen die wegen Korruptionsvorwürfen ermittelt wird, ist das ein Armutszeugnis. In den Ermittlungen geht es um Amtsmissbrauch aufgrund von Postenbesetzungen, Bestechung bezüglich Steuerverfahren von Reichen sowie Untreue rund um Auftragsvergaben aus ÖVP-geführten Ministerien. Es gilt die Unschuldsvermutung.

In ihrem Bericht legt die ÖVP jenes Niveau an den Tag, auf dem sie auch schon bislang auf Vorwürfe über ihr Gebaren in Bund und Ländern, Ministerien und Behörden, Bünden und Vereinen reagierte: Leugnen und Anpatzen statt Eingeständnis und Aufarbeitung. Keine Zeile widmet sich der Selbstreflexion oder Selbstkritik. Die Volkspartei schlägt wild um sich und bezichtigt alle anderen – die Opposition, den grünen Koalitionspartner, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft – des Fehlverhaltens.

Dass die ÖVP ihren Bericht als einzige Fraktion nicht der Öffentlichkeit präsentiert hat, verwundert nicht weiter. Vielleicht geniert sie sich selbst dafür, was sie da auf 122 Seiten zu Papier gebracht hat. Was bleibt, ist der Eindruck, dass die Volkspartei noch immer nicht bereit ist, reinen Tisch zu machen; noch immer keine Lehren aus all ihren Affären gezogen hat; noch immer glaubt, sie könnte so weitermachen, als wäre nichts gewesen. Sie ist die Einzige, die das noch glaubt. (Sandra Schieder, 9.3.2023)