In den USA (Foto) kein Problem, in Österreich aber bisher nicht gestattet: sichtbare Tattoos bei der Polizei.

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Ein "Peckerl", welches dem Job als Polizistin oder Polizist im Weg steht: Eigentlich sollte die Debatte um Kunst auf der Haut bei der Polizei seit 2018 kein Thema mehr sein. Der damalige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) wollte mehr Bewerbende für die Exekutive anlocken und kommunizierte stark gelockerte Regelungen für Tattoos. Ein Interview mit einer alleinerziehenden Kindergartenpädagogin in der "Krone" heizte die Debatte nun aber erneut an.

Ihr Traumberuf sei Polizistin gewesen, erzählt die Frau im Interview, sie hätte auch alle Prüfungen bestanden. Letztendlich sei sie aber abgelehnt worden, weil sie zwei kleine Tattoos auf dem Körper habe. Es handelte sich offenbar um ein Bild einer Pflanze und ein Datum.

Das Innenministerium hat nun reagiert und zeigt sich offen für Körperkunst. Tattoos an sichtbaren Körperstellen, die für Polizisten bisher nicht gestattet waren, werden nun erlaubt. Die entsprechende Richtlinie wird gelockert, kündigte das Innenministerium am Freitag an. "Es hat sich in der Gesellschaft, vor allem bei jungen Menschen, viel verändert. Tätowierungen sind heute ein Bestandteil der Lebenskultur, dem wird durch die Liberalisierung der geänderten Vorschrift Rechnung getragen", betonte Ressortchef Gerhard Karner (ÖVP).

Die bisherige Verordnung bezüglich der Tätowierungen wird aktuell überarbeitet und voraussichtlich in den nächsten Wochen in Kraft treten, richtet das Bundesministerium für Inneres (BMI) auf weitere Anfrage aus. Ab dann würde auch die neue Regelung gelten. "Diese sieht vor, dass alle Tätowierungen einer Einzelfallprüfung unterzogen werden", heißt es. "Ablehnungen und problematische Tattoos werden ausschließlich durch die bereits seit knapp einem Jahr im BMI eingerichtete Clearingstelle entschieden."

Die Message sei jedoch klar: Sichtbare Tätowierungen werden künftig bei der Polizei kein Hinderungsgrund für den uniformierten Dienst mehr sein.

Gewerkschaft empört

Weiterhin verboten bleibt jedoch alles, was dem Verbotsgesetz, dem Abzeichengesetz oder dem Symbolegesetz widerspricht. Ebenso verboten sind Symboliken, die nicht mit dem Ethos des Polizeiberufs vereinbar sind, beispielsweise Totenköpfe, Gewaltdarstellungen oder Ähnliches. Karner: "Die Prüfung und Begutachtung von Tattoos erfolgt weiterhin in bewährter individueller Form."

Reinhard Zimmermann von der Polizeigewerkschaft zeigt sich irritiert von der schnellen Entscheidung. Er erfahre nun aus der Zeitung, dass der Herr Bundesminister beabsichtigt, die Tätowierungen auch an sichtbarer Stelle zuzulassen. "In diesem Zusammenhang muss man auch nicht darauf hinweisen, dass man ohnedies dann überbordende Kunstwerke oder rechtsextreme Darstellungen etc. nicht zulassen wird, denn wer diese Tür aufstößt, bringt sie auf Dauer gesehen nie mehr wieder zu", lässt Zimmermann ausrichten. Die Bevölkerung habe sich ein vernünftiges Erscheinungsbild der Polizei verdient.

Bislang sei die Personalvertretung zu diesem Thema in keiner Weise befasst gewesen, und sie stelle daher in den nächsten Tagen einen entsprechenden Antrag an den Dienstgeber. "Wir lehnen die Ausweitung des Erlasses auf sichtbare Körperteile schon auch wie unter dem damaligen Minister Kickl weiterhin ab." Überhaupt sei der Polizeiberuf nicht dafür geeignet, um sich gegenseitig politisch etwas auszuwischen.

Mal erlaubt, mal verboten

Um sich ein Bild von der Rolle von Tätowierungen an Polizistinnen und Polizisten zu schaffen, hat der STANDARD auch mit Personen gesprochen, die an der Polizeischule waren oder derzeit bei der Polizei angestellt sind.

Tom aus Wien (33) hat schon lange einen seiner Arme komplett tätowiert. 2021 bewarb er sich dann bei der Polizei und durchlief die Polizeischule. "Ich musste dann zur Tattookontrolle, und es wurde genau geschaut, an welchen Stellen die Tätowierungen sind", sagt Tom. "Bei mir ist es sich gerade noch bis kurz vor dem Handgelenk ausgegangen." Er habe tatsächlich auch einen riesigen Totenkopf am Unterarm, der letztendlich auch kein Problem gewesen sei.

Vermutlich, denkt er, war er eben nach Jahren als Berufssoldat ein geeigneter Kandidat, sodass die Tattoos geduldet wurden. Grundsätzlich ortet er sehr unterschiedliche Sichtweisen bei der Polizei. Einerseits erinnert er sich an einen strengen Fall in der Polizeischule. Eine Kollegin hatte sich während der Polizeischulzeit ein kleines Motiv stechen lassen – sie musste die Ausbildung letztendlich abbrechen. Dann gab es aber wieder einen Kollegen, welcher sich während der Ausbildung "pecken" ließ und bei dem niemand etwas dagegen hatte. "Was mich nur stört, ist, wenn Polizisten irgendwann unkündbar, also pragmatisiert sind, können sie sich stechen lassen, was sie wollen."

Für die Ausbildung wird weggelasert

Zumindest gibt es aber auch immer noch einige Polizeischulanwärterinnen und -anwärter, welche sich extra für die Ausbildung ihre Tattoos entfernen lassen. Dies berichtet die Ärztin für ästhetische Behandlungen und einer Praxis für Tattooentfernungen, Petra Hirtler. "Es kommen auch jetzt immer wieder Polizeianwärterinnen, die ihre sichtbaren Tattoos entfernen lassen müssen."

Ihrer Einschätzung nach kommen etwa drei bis vier Personen pro Quartal zu ihr, die sich für die Polizeiausbildung ihr Tattoo weglasern lassen. Vor allem im Bereich Gesicht und Hals entfernt Hirtler Motive von der Haut, egal ob es Daten, Symbole oder Zeichen sind. Meistens müssen die Behandlungen sechs- bis vierzehnmal im Abstand von sechs bis acht Wochen durchgeführt werden, ein langer Prozess.

"Manches Mal kann ich eine Bestätigung schreiben, und sie dürfen dann schon während des Zeitraumes der Entfernung die Ausbildung beginnen", sagt Hirtler. Wer die Ausbildung wirklich gerne machen will, muss dabei für die Entfernung erst einmal mehrere hundert Euro bezahlen.

Bis auf weiteres will das BMI jedenfalls keine Pauschalaussagen darüber treffen, welche Sujets und Motive in Ordnung sind und welche nicht. Das sei höchst individuell, heißt es vom BMI. Ein Motiv am Rücken könne unproblematisch sein, dasselbe Motiv auf der Hand aber nicht. (Melanie Raidl, 10.3.2023)