Das Rohpapierlager der Agfa AG in Leverkusen: Lange galt die Papierherstellung als ein wesentlicher Faktor der Wasserverschmutzung.

Foto: Archiv Museum Ludwig Köln

Die Haare zerzaust, der Blick streng auf den Betrachter gerichtet: Als der Fotograf Hermann Biow 1847 den Naturforscher Alexander von Humboldt ablichtete, verwendete er dafür mit Silber beschichtete Kupferplatten, die durch Joddämpfe "sensibilisiert" wurden. Daguerreotypie nennt sich dieses Fotoverfahren, das es allerdings nur erlaubt, Unikate herzustellen. Es wurde durch die Nutzung jener Metalle ermöglicht, die Humboldt 50 Jahre zuvor von seinen Reisen aus Süd- und Mittelamerika mitgebracht hatte, namentlich Silber und Kupfer, und die bald in Übersee industriell abgebaut wurden.

100 Tonnen Kupfer

Ohne die Ausbeutung von Rohstoffen keine Fotografie, so lässt sich die Ausstellung Mining Photography im Kunsthaus Wien auf den Punkt bringen. Um welche Quantitäten es sich dabei handelt, zeigt das Beispiel Daguerreotypie. Paris war um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein Zentrum der Produktion von Daguerreotypie-Platten, rund 100 Tonnen Kupfer wurden dafür jährlich gebraucht. Verarbeitet wurde es hauptsächlich im walisischen Swansea unter Verwendung von drei- bis viermal so viel Kohle. Die Arbeitsbedingungen waren prekär, die Umweltbelastung maximal.

Die Abbildung der Welt war und ist aufs Engste mit deren Ausbeutung und Verschmutzung verbunden. Um diese zu dokumentieren, hat ein Kuratorenteam des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe, wo die Ausstellung zuerst gezeigt wurde, eine sowohl wissenschaftliche als auch künstlerische Recherche unternommen. Ausgehend von fünf mit der Fotografie verbundenen Materialien wird die Geschichte der Fotografie als jene ihrer Kollateralschäden erzählt. Was das Kupfer für die Daguerreotypie, war Kohle und Bitumen für den Pigmentdruck, der vor allem rund um die Jahrhundertwende von den Piktorialisten geschätzt wurde, da er die "malerische" Dimension von Bildern unterstrich.

Baumwoll- und Flachslumpen

Als Trägermedium verwendete man bald Papier, das aus Baumwoll- und Flachslumpen, später aus Holzschliff hergestellt und mit Albumin oder Gelatine beschichtet wurde. Nach dem Aufkommen der Silbergelatineabzüge wurde die Fotografie wiederum Hauptabnehmerin von Silber – mit immerhin über der Hälfte ihres weltweiten Verbrauchs. Und heute? Die digitale Bildproduktion sei auf "ein gewaltiges Materialnetzwerk" angewiesen, erfährt man, von seltenen Erden bis hin zu Metallen wie Coltan, Kobalt und Europium.

In diese wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas flechten die Kuratoren im Kunsthaus künstlerische Positionen, von Madame d’Ora, die Pariser Fleischberge fotografierte (Gelatine) bis hin zu Robert Smithson, der flüssigen Asphalt einen Abhang hinunterschüttet (Bitumen). Sehenswert! (Stephan Hilpold, 11.3.2023)