Pro
von Stefan Mey

Wandern ist ein schönes Hobby, der ideale Ausgleich zur Bildschirm-Starrerei im Alltag. Doch wie orientiert man sich dabei? Freilich habe auch ich all die Apps ausprobiert, mit denen man die Routen planen, navigieren und die eigene Performance tracken kann. Super. Zumindest für harmlose Spaziergänge im Wienerwald.

Geht es aber hoch in die Berge, sind andere Dinge wichtig. Und dazu gehört, dass man sich nicht auf ein Hilfsmittel verlässt, dessen Akku vor dem Ende der Wanderung leer sein könnte. Das nutzlos wird, wenn man es in einem Bach versenkt. Und dessen Wanderrouten oft nicht professionell betreut, sondern von Privatusern hochgeladen oder gar automatisiert in der App generiert werden. Das kann lebensgefährlich enden – so geschehen im vergangenen Sommer, als 107 Schüler gerettet werden mussten, weil sie sich bei der Routenwahl auf Informationen aus dem Netz verlassen hatten.

So schön das Hobby auch ist, die Sicherheit sollte im Vordergrund stehen. Und diese wird auch heute durch Apps noch nicht ganz gewährleistet.

Kontra
von Sascha Aumüller

Gedruckte Karten? Helfen, die Welt zu verstehen. Wenn ich aufgeregt den Wiener Postkasten öffne, dann, um ein Kuvert mit Pariser Absender zu erspähen – begleitet von der bangen Frage: "Ist die Welt endlich auch bei mir in der Brigittenau eingetroffen?"

Ich bin Abonnent des französischen Magazins Carto, das Geopolitik für Dummies wie mich mit bunten Landkarten erklärt. Meine Frau nennt das Heftl spöttisch den "Pariser Geo-Porno", weil es diskret in einem neutralen Kuvert versandt wird und ich die doppelseitigen Bilder stundenlang begaffe. Als müsste man sich dafür schämen. Tue ich nicht! Mein Gehabe gegenüber kartografischem Material ist sogar eher libidinös.

Doch zurück zur Eingangsfrage: Gilt meine alte Liebe auch gedruckten Wanderkarten? Nicht mehr bedingungslos. Wer sich beim Wandern von Apps den Weg zeigen lässt, aber bitte nicht wie ein Dummerl darauf vertraut, sieht garantiert mehr von der Natur. Faltpläne in freier Wildbahn verdecken leider den Blick auf die Schönheit der Welt.
(RONDO, 15.4.2023)