Der Duft von Bier ist schon zu riechen, bevor man den kleinen Raum im Keller des Pensionistenwohnhauses Atzgersdorf überhaupt erreicht hat. In dem kleinen Zimmer blubbert es bereits in einem Braukessel, ein zweiter wartet bereits auf seine Inbetriebnahme. Unter den Fenstern haben vier Gärtanks Platz gefunden. Jede Woche produzieren Bewohnerinnen und Mitarbeiter des städtischen Seniorenheims rund 150 Flaschen Bier: "Oma" und "Opa" oder "Hellga" und "Hellmut".

Bierflaschen zu etikettieren verlangt höchste Konzentration. Auch das Abkapseln und Abfüllen soll gelernt sein. Frau Ingeborg, Herr Gustav, Herr Helmut und die übrigen Hobby-Braumeister sind darin aber schon echte Profis.

Im Braukeller werden jeden Donnerstag rund 50 Liter Bier abgefüllt.
Foto: Sophie Mooseder

Mit vollem Engagement dabei

"Wir fünf sind schon von Anfang an dabei", sagt Herr Helmut stolz und zeigt auf die Wandbemalung: Dort sind er und die anderen Bierbrauerinnen und Bierbrauer der ersten Stunde verewigt. Er erkenne sich in dem Bild selbst zwar kaum wieder, aber solange ihn die anderen erkennen, sei das in Ordnung.

Der 82-Jährige in roter Schürze braut seit fast drei Jahren jede Woche Bier. "Donnerstag ist normalerweise Brautag", erklärt er. Die Arbeit sei für ihn eine willkommene Abwechslung zum Alltag. "Mittlerweile ist das Brauen zu meinem Hobby geworden." Hin und wieder trinke er auch gerne das eine oder andere selbstgebraute Bier zum Essen, vor allem wenn es Fleisch gibt. Das Bier muss er sich aber kaufen: "Einfach so bekommen tu ich keines, sonst brauen wir ja nur mehr umsonst", scherzt der 82-Jährige.

Neben "Oma-" und "Opa-"Bier gibt es mittlerweile auch "Hellga" und "Hellmut". Auch eine Weihnachtsedition wurde kreiert: "Klaus".
Foto: Sophie Mooseder

Seine Kollegin, die 89-jährige Frau Ingeborg, bevorzugt zwar lieber ein anderes Getränk, ist aber trotzdem mit vollem Engagement dabei. "Ich trinke am liebsten Wasser", sagt sie. Trotzdem komme sie gern zu den wöchentlichen Treffen, denn das Etikettieren der Flaschen mache ihr viel Spaß. Auch Herrn Gustav gefällt die Arbeit im Braukeller, denn dort fühle er sich nicht so einsam und treffe nette Bekannte. Eines sagt ihm aber noch mehr zu: "Das Trinken macht den meisten Spaß."

Der Weg zum fertigen Produkt

Die Bewohnerinnen und Bewohner des Seniorenheims sind in alle Schritte des Brauens involviert. "Wir übernehmen nur die schweren, anstrengenden Arbeitsschritte. Den Rest machen sie fast alleine", erklärt Günther Wallner, Mitarbeiter im Brauteam.

Herr Gustav, Frau Ingeborg und Herr Helmut (erste Reihe von link nach rechts) mit Robert Guschelbauer, Bereichsleiter für Gastronomisches Management in den städtischen Häusern zum Leben.
Foto: Sophie Mooseder

Der Brautag beginnt für die Mitarbeiter normalerweise um sieben Uhr, die Bewohnerinnen stoßen gegen neun Uhr dazu. Vor allem Herr Helmut sei sehr engagiert und komme meist schon vor den anderen, erzählt Wallner. Der Ehrgeiz des 82-Jährigen schlägt sich in der Arbeit nieder: Mit voller Konzentration ist er heute für das Abkapseln der frisch befüllten Flaschen zuständig.

Die Handschuhe hat er schon übergezogen, bevor die erste Kiste überhaupt fertig ist. Kaum ist sie bei ihm angelangt, geht es zack, zack, und schon sind alle Stöpsel auf der Flasche. "Am Anfang hab ich mir schon schwergetan, aber jetzt hab ich den Dreh raus", sagt Herr Helmut. Zuvor hatte er noch Traubenzucker in die Flasche gegeben, wodurch sich natürlich Kohlensäure bildet.

Herr Helmut beteiligt sich an allen Arbeitsschritten mit vollem Engagement, auch am Abkapseln.
Foto: Sophie Mooseder

Die Kiste wandert zu Frau Ingeborg, die auf ihrem Rollator Platz genommen hat, und Herrn Gustav, der sich mit Hemd und Krawatte besonders chic gemacht hat. Zuerst stellen die beiden alle Flaschen auf den Tisch, dann beginnt das Kleben. Was das Bier besonders authentisch macht: Die Etiketten sind meist schief aufgeklebt und werfen Wellen. Da ist es auch ganz egal, dass Herrn Gustav das Etikett zerreißt.

Frau Ingeborg klebt hochkonzentriert die Etiketten auf die Flaschen.
Foto: Sophie Mooseder

International gefragtes Bier

Das Bier sei bei allen so beliebt, dass das Seniorenheim die Brauerei vor wenigen Wochen vergrößert hat. "Durch den Umbau können die Bewohnerinnen und Mitarbeiter bis zu 12.000 Liter Bier jährlich produzieren, das ist doppelt so viel wie bisher", erklärt Robert Guschelbauer, Bereichsleiter Gastronomisches Management. Vielleicht könne man bald auch online Bier verkaufen, internationale Nachfrage gibt es bereits: "Wir bekommen zum Beispiel Anfragen aus Deutschland, Spanien oder auch Frankreich."

Aber nicht nur neues Equipment wurde angeschafft, der Braukeller wurde auch um einen Degustationsraum erweitert, wo die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses Atzgersdorf nun Bier verkosten können. Guschelbauer: "Vielleicht führen wir bald noch einen zweiten Brautag ein, dann könnten wir das Volumen nochmals verdoppeln." (Sophie Mooseder, 13.3.2023)