Manche Erinnerungen kitzeln in der Nase. Weihnachten riecht nach Sternspritzern. Der Familienurlaub nach Sonnencreme. Und der Turnunterricht? Nach Gummimatten, angeschwitztem Polyester – und Deo. Die Mädchenumkleide existiert im Gedächtnis nur erfüllt von einer dicken Wolke Axe, Bebe und Dove. Einmal löste der Sprühnebel sogar den Feueralarm aus. Alles egal. Hauptsache, nicht nach Schweiß riechen. Eine Angst, die 110 Jahre zuvor erst erfunden werden musste.

Die Highschool-Schülerin Edna Murphey erkannte sehr früh eine Marktlücke.
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Odor-No

Dass die Umkleide stank, wie man sich das Odeur verrottender Einhorninnereien vorstellt (sehr unangenehm, aber mit Vanillenote), verdanken wir einer Geschäftsfrau und einem Marketingtalent mit misogynen Methoden: Die Geschichte des Antitranspirants im heutigen Sinn beginnt um das Jahr 1912. Die Highschool-Schülerin Edna Murphey aus Cincinnati bringt ein Produkt auf den Markt, das auf einer Erfindung ihres Vaters beruht. Der Chirurg neigt zu schwitzigen Händen und entwickelt deshalb eine Tinktur, die die Schweißproduktion stoppt. Edna probiert das Mittel unter ihren Achseln aus – mit Erfolg: kein Tropfen Schweiß, kein Geruch. Die junge Frau kreiert daraufhin "Odorno" (Odor? OhNo!) und geht in Serie.

Bis dahin ist der Markt auf diesem Gebiet überschaubar. Seit 1888 gibt es "Mum", eine Deo-Creme. Im Gegensatz zu Antitranspirants bekämpfen Deodorants den Schweißgeruch und nicht das Schwitzen an sich. Doch nicht die Deo-Konkurrenz macht Odorno zu schaffen – die Menschen stört einfach nicht, dass sie hin und wieder nach Schweiß riechen!

Schweiß hat einen Preis

Edna Murphey engagiert eine Werbeagentur, und James Young tritt aufs Parkett. Der ehemalige Bibelverkäufer räumt zuerst mit den Bedenken auf, Odorno sei gesundheitsschädlich. Immerhin habe es ein Arzt entwickelt! Dass sich die enthaltenen Säuren durch Kleidung ätzen und die Haut reizen? Einfach abends auftragen und nicht davor rasieren! Und dann beginnt Young eine noch perfidere Kampagne. In Zeitschriften schaltet er Anzeigen, die Frauen erklären: Ihr selbst merkt gar nicht, dass ihr nach Schweiß riecht. Doch es ist sehr wahrscheinlich der Grund dafür, dass ihr keinen Mann abbekommt. Die Leserinnen laufen Sturm, doch es funktioniert. Odorno verkauft sich mehr als doppelt so gut. Als die Firma Millionen abwirft, verkauft Edna Murphey mit gehörigem Profit. Zumindest eine Frau ist mit der weiblichen Angst vor Achselschweiß reich geworden.

Der ehemalige Bibelverkäufer James Young erklärte Frauen, sie bekämen keine Männer ab, weil sie nach Schweiß riehen würden.
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Männer hat die Branche später doch noch für sich entdeckt. Mit etwas anderem Marketing. In den 1940ern gab es zum Beispiel Deo-Flacons in Whiskyflaschenoptik. Es hat funktioniert – in der Jungskabine roch es mindestens genauso intensiv wie bei den Mädchen. Doch der Schweiß konnte am wenigsten dafür. (Antonia Rauth, RONDO Exklusiv, 4.4.2023)