Am Donnerstagnachmittag hat die EZB ihre Leitzinsentscheidung bekanntgeben.

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Man möchte kein Zentralbanker sein in diesen Tagen. Denn die Herausforderungen, vor denen die Notenbanken stehen, scheinen fast unbewältigbar. Einerseits gilt es für sie, die rekordhohe Inflation zu bekämpfen – und das geht mit höheren Zinsen, die für weniger Konsum und Kreditvergaben sorgen und somit die Inflation dämpfen sollen.

Andererseits: Ebendiese Zinserhöhungen könnten die Bankenwelt belasten. Denn manche Banken haben Assets in ihren Bilanzen, die dadurch an Wert verlieren: Anleihen, die noch während der Nullzinsphase langfristig in die Bücher genommen wurden und heute nur geringe Profite abwerfen.

Allen Warnungen zum Trotz

Dementsprechend warnten einige gewichtige Stimmen die EZB vor dem Schritt, den sie nun allen Mahnungen zum Trotz gesetzt hat: die Erhöhung des Leitzinses um einen halben Prozentpunkt. Dieser Schritt könnte die Stabilität des Bankensektors gefährden, meinten im Vorfeld etwa Ex-EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio und Lorenzo Bini Smaghi, Chef der französischen Bank Société Générale. Die EZB möge sich mit einem kleineren Zinsschritt begnügen.

Der Hintergrund ist, dass die Probleme der Banken gerade ziemlich virulent werden. In den USA ist die Silicon Valley Bank pleitegegangen, die auf die Finanzierung hochriskanter Tech-Unternehmungen spezialisiert war. In Europa steckt die Credit Suisse, die zu den 30 größten Finanzhäusern weltweit zählt und schon länger im Gerede ist, in massiven Problemen – zumal ein Investor aus Saudi-Arabien seine Unterstützung für das Geldhaus zurückgezogen hat.

Der psychologische Faktor

Es geht dabei auch stark um Psychologie: Zwar haben längst nicht alle Banken so wie die Silicon Valley Bank Probleme mit Anleihen in ihrer Bilanz. Doch die Zinserhöhung könnte dafür sorgen, dass ganz unabhängig davon das Gerede über eine mögliche Bankenkrise lauter tönt als bisher – mit potenziell gefährlichen Konsequenzen.

Die EZB steckt in einem Dilemma. Mit ihrer Entscheidung für die Erhöhung hat sie ein weiteres Signal gegen die Inflation gesetzt. Aber die Spekulationen über die Stabilität der Banken werden wohl noch zunehmen. Eine neue Bankenkrise wie im Jahr 2009 droht derzeit laut den meisten Experten zwar nicht. Dennoch zeigen die Verwerfungen, dass der Weg aus der Nullzinsphase zurück zu höheren Zinsen holprig verläuft. Man möchte kein Zentralbanker sein in diesen Tagen. Denn sie können es nur falsch machen. (Joseph Gepp, 16.3.2023)