Das Windrad signalisiert: Erst bei Elektrolyse mit Ökostrom ergibt Wasserstoff Sinn.
Foto: BMW

Warum machen wir Wasserstoff? Mit 3,2 Prozent Marktanteil weltweit sind wir ein relativ kleiner Hersteller. Und wir sehen eine Nische für Wasserstoff." BMW-Chef Oliver Zipse ist extra nach Antwerpen gereist, um sich ein Bild zu machen vom Ersteinsatz der Wasserstoff-Brennstoffzellen-Pilotflotte (dazu gleich mehr) und steht bei der Gelegenheit Rede und Antwort. Zipse ortet ein "Missing Link – jede Technologie hat Vor- und Nachteile". Die Nachteile bei der batterieelektrischen Mobilität lägen vor allem rohstoffseitig und bei der Ladeinfrastruktur. Ab 2035 nur mehr batterieelektrische Autos (BEVs), das werde so nicht möglich sein, die Folge seien eine große Flotte alter Autos und eine kleine neuer. Und dies vor dem Hintergrund von gegenwärtig 260 Millionen Autos in Europa, davon rund 40 Millionen in Deutschland.

Ergo: "Wir brauchen eine zweite Lösung." Größenordnung, seiner Einschätzung nach? "Im Pkw-Bereich wird Wasserstoff eine Nische sein, viel kleiner als die batterieelektrische Mobilität. Anders in der Industrie, bei der Stahlerzeugung, bei Schiffen und im Flugverkehr." Hauptvorteil von Wasserstoff: Damit lasse sich Energie speichern, die sonst ungenutzt verpuffe. Es sei jedenfalls "ein großer Fehler, zu meinen, eine Technologie allein wäre die Lösung für alle Probleme". Zipse: "Ich wette auf Wasserstoff. Wird es schnell gehen? Nein." In acht, zehn Jahren aber werde ein Wasserstoffauto womöglich so begehrt sein wie ein batterieelektrisches heute, "wir reden über den ,day after tomorrow‘".

Das Antriebssystem des BMW iX5 Hydrogen.
Foto: Stockinger

Hausgemachte Hochtechnologie

BMW kooperiert bei der Wasserstofftechnologie seit 2013 mit Toyota, hat aber umfangreiche eigene Expertise aufgebaut, unter anderem ein Wasserstoff-Kompetenzzentrum in Garching. "80 Prozent dieser Hochtechnologie machen wir im eigenen Haus", schätzt der BMW-Chef. Im Detail: Die Zellen stammen von Toyota, den Stack (mehrere Zellen zu einem Stapel zusammengefasst, Anm.) und den umfangreichen Rest – darunter Antriebssystem, Luftansaugung und -filter, Kompressor, Wasserstoffeinspritzung, Rezyklierung von nicht verbrauchtem Wasserstoff, Software, Betriebsstrategie – verantwortet BMW selbst.

Auch bei der Tankinfrastruktur sieht Zipse keine gröberen Probleme, sie lasse sich ins übliche Tankstellennetz integrieren. Da sei der Aufbau der Ladeinfrastruktur für BEVs in alten europäischen Städten viel schwieriger. Zur Veranschaulichung der Kosten: Gegenwärtig kostet ein Wasserstofftankanschluss rund eine Million Euro, für eine Basisflächenversorgung in Europa rechnen Experten mit einem Bedarf von rund 4000 Tankstellen.

BMW begann die Wasserstoffkarriere mit Verfeuern des exotischen Kraftstoffs im Ottomotor, erinnert sei dabei an den BMW Hydrogen 7 von 2005. Auch wenn Toyota dieser Technologie im Motorsport eine Zukunft einräumt, für Zipse steht fest: "Wasserstoff im Verbrennungsmotor, die Zeiten sind vorbei."

Ein Teil der Pilotflotte in Antwerpen.
Foto: BMW

Zeit des Umbruchs

2025 ist bei BMW das Jahr des Umbruchs, mit der "Neuen Klasse" rüstet man sich für die Zukunft. Die technische Architektur ist rein elektrisch ausgelegt, kann aber flexibel batterieelektrisch oder mit Wasserstoff-Brennstoffzelle bestückt werden. Für den Altautobestand mit Verbrennern laute die Antwort E-Fuels, und in dem ganzen skizzierten Szenario "wird Technologieoffenheit den größten Einfluss auf das Klima haben", glaubt Zipse.

Damit zum iX5 Hydrogen. Anders als Toyota (Mirai 2) oder Hyundai (Nexo) bietet BMW zunächst kein Wasserstoff-Brennstoffzellen-Auto an, das auch käuflich zu erwerben wäre. Mit Japan und Südkorea sind aber schon Länder genannt, die intensiv auf Wasserstoff setzen, China zieht gerade nach, Kalifornien ist auch mit von der Partie – alles für BMW wichtige Märkte, auch das erklärt das teure Engagement. Honda steigt gerade wieder in die Technologie ein, Stellantis will bei leichten Nutzfahrzeugen mit Wasser Stoff geben.

Produktion der Fahrzeuge in München.
Foto: BMW

"Ein bisschen Wums"

BMWs "Erprobungsflotte" umfasst knapp 100 Fahrzeuge, mit denen man heuer und 2024 mit jeweils ein paar Exemplaren in die großen Märkte gehe, BMW nennt neben den vorhin erwähnten noch den Mittleren Osten. Bei dieser Tour werden die iX5 Hydrogen dann zu Demonstrations- und Erprobungszwecken für verschiedene Zielgruppen eingesetzt, aber auch Auftritte bei Autosalons sind geplant, etwa bei der Seoul Motor Show Anfang April oder in Schanghai wenige Wochen später.

Anders als Mercedes Ende 2018 mit dem GLC F-Cell sieht BMW in einer Plug-in-Hybrid-Lösung "keinen Sinn". Technisch setzen die Weiß-Blauen auch bei der Wasserstoff-Brennstoffzelle auf Markenwerte, sprich, das darf schon "ein bisschen Wums" haben, wie es bei der Präsentation in Antwerpen heißt.

Kraftlackel mit Wasserstofftanks

Vorn untergebracht ist das Brennstoffzellensystem mit 125 kW (170 PS), im Mitteltunnel und unter der Rücksitzbank sind zwei Wasserstofftanks mit vier und zwei Kilogramm Kapazität untergebracht, und hinten hat man praktischerweise das ganze E-Antriebs-Modul samt Hinterachse vom iX übernommen, wobei die Lithium-Ionen-Batterie eine Leistung von 170 kW (231 PS) abgeben kann. Dieses Heckpaket dient vor allem der Boostfunktion und zum Rekuperieren und macht aus dem Auto erst diesen BMW-typischen Kraftlackel. Als Reichweite gibt der Hersteller 504 km an – also etwa halb so viel, wie man mit einem Diesel-X5 käme, und das Gesamtgewicht sei vergleichbar mit der Plug-in-Hybrid-Version, sprich: rund 2,5 Tonnen.

Chefdenker hinter dem Projekt, das vier Jahre intensiver Entwicklungsarbeit hinter sich hat, ist Jürgen Guldner. Effizienz sei bei Wasserstoff immer ein Kritikpunkt, meint der BMW-Mann – dabei werde aber häufig übersehen, dass sich mit Energie- und Systemeffizienz zwei Betrachtungen gegenüberstünden. Im Wettstreit Moleküle oder Elektronen hätten Moleküle jedenfalls ganz spezifische Vorzüge, siehe Energiespeicher.

Spiritus Rector Jürgen Guldner beim Betanken.
Foto: Stockinger

Still und leise

Wie sich der Wasserstoffbüffel mit seinen 295 kW (401 PS) Systemleistung und 720 Nm fährt? Still und leise, und wenn man es auf der Autobahn einmal genauer wissen und auch die unterschiedliche Auslegung von Basis- und Sportmodus anfühlen will: Menschenskind, das geht ganz schön ab! An die mögliche Höchstgeschwindigkeit von über 180 km/h tasten wir uns trotzdem lieber nicht heran, ist ja keine deutsche Autobahn.

Die Luftfederung filtert auch das legendär miserable belgische Kopfsteinpflaster souverän weg, wie sich bei dieser Testrunde zeigt, die Spreizung der Fahrwerksabstimmung zwischen den Fahrmodi ist aber weniger ausgeprägt, als man das sonst von BMW her kennt. Und wegen des großen Kühlbedarfs für die Brennstoffzelle entfällt der adaptive Tempomat – dessen Sensorik würde vorn hinterm Grill zu viel Fläche beanspruchen.

Es darf gestaunt werden

Unterm Strich und angesichts der abgespeicherten Erinnerungen an Mirai, Nexo und Co lässt sich festhalten: Das ist schon ein ganz anderes Kaliber in der Wasserstoff-Brennstoffzellen-Liga. So was gab es bisher noch nicht, das fährt sich plausibel wie ein BMW. Man darf gespannt sein, was später an echten Serienautos auf Basis der Neuen Klasse auf uns zukommt. Schade nur, dass das noch etliche Jahre dauern wird. (Andreas Stockinger, 27.3.2023)