Derartige Werbeschaukästen auf Gemeindebauten werden derzeit vom Stadtrechnungshof durchleuchtet.

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Ein Mädchen mit Stethoskop in den Ohren lächelt eine Frau in weißem Kittel so breit an, dass seine Zahnlücke sichtbar wird. "Wien ermöglicht allen die beste Medizin" ist unter dem Sujet zu lesen. Daneben: "SPÖ – die Wienpartei". Wer den Gemeindebau in der Favoritner Erlachgasse betritt, kann das Plakat kaum übersehen: Es ist gut sichtbar in einem Schaukasten neben der Eingangstür angebracht.

Er ist nicht der einzige seiner Art: Wer durch Wiens kommunale Wohnanlagen streift, kann durchaus den Eindruck bekommen, dass derartige Schaukästen mit SPÖ-Werbung für Wiens Gemeindebauten fast so charakteristisch sind wie die roten "Wohnhausanlage der Gemeinde Wien"-Schriftzüge auf den Fassaden. Doch entspricht dieses Gefühl auch den Tatsachen? Nutzt die SPÖ Werbeflächen in den Wohnanlagen der rot regierten Stadt Wien überproportional häufig?

Eindeutig beantworten lässt sich das nicht. Denn beim Wohnbauressort liegen dazu nur eingeschränkt Daten vor. Fest steht, dass zumindest 247 Schaukästen an politische Parteien oder ihnen nahestehende Organisationen vermietet sind. 239 davon entfallen auf die SPÖ, sieben auf die FPÖ und einer auf die KPÖ. Das geht aus der Beantwortung einer aktuellen Anfrage der Grünen durch die zuständige Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál (SPÖ) hervor.

Das ist allerdings nur ein kleiner Teil des Gesamtbildes: Immerhin finden sich in ganz Wien insgesamt 1.800 Gemeindebauten. Mehr Zahlen – und damit ein genauerer Überblick – werden laut Gaál voraussichtlich ab der zweiten Jahreshälfte vorliegen. Derzeit werde an einer "Bereinigung der Datenlage" gearbeitet, heißt es in der Beantwortung, die dem STANDARD vorliegt. Erst dann sei eine aussagekräftige Auswertung möglich.

Kopplung an Geschäftslokal

Neben den Wiener Grünen interessieren sich auch die Prüfer des Stadtrechnungshofs für die Angelegenheit: Laut Anfragebeantwortung nimmt dieser derzeit die Vergabe der Schaukästen in Gemeindebauten unter die Lupe. Es geht dabei um heikle Fragen: zum Beispiel, ob die Stadt Werbung auf ihren eigenen Flächen fair verteilt. Und zu welchen Konditionen.

Die Schaukästen würden gemäß einer internen Richtline nur an Interessenten vergeben, die bei der Gemeindebauverwaltung Wiener Wohnen in der Umgebung auch ein Geschäftslokal angemietet haben, teilt ein Sprecher von Stadträtin Gaál dem STANDARD mit. "Entsprechend weit gestreut ist die Klientel an Kunden (von Betrieben, Gastronomie, Dienstleistungsunternehmen, Geschäften oder verschiedenen politischen Parteien et cetera), die bei Wiener Wohnen das Angebot eines Schaukastens nutzt."

Dafür verrechnet werde ein sogenannter Anerkennungszins: "Dieser beträgt für jeden angefangenen Quadratmeter den aktuellen Kategoriemietzins der Ausstattungskategorie A." In Zahlen ausgedrückt sind das laut Angaben des Sozialministeriums monatlich bis zu 4,23 Euro.

Vor diesem Hintergrund sehen die Grünen einen "sehr günstigen Wettbewerbsvorteil", den sich die SPÖ verschaffe. Denn bei einer klassischen Plakatwand koste der Quadratmeter monatlich rund 65 Euro, also etwa das 15-Fache, rechnet der grüne Wohnsprecher Georg Prack auf Basis eines Angebots aus dem Jahr 2022 vor.

Seine Conclusio: Die rot regierte Stadt vermiete Werbeflächen massiv unter Marktwert an die SPÖ. Dieser Eindruck bleibe auch dann, wenn man von den deutlich höheren Preisen für klassische Plakatwände die Kosten für das Affichieren und Produzieren abziehe und einen geringeren Werbewert der Schaukästen anlege.

Wohnbauressort: "Gleiche Bedingungen für alle"

Die SPÖ habe sich durch diese Praxis einen Vorsprung gegenüber dem politischen Mitbewerb gesichert, der "kaum oder gar nicht über solche stark vergünstigten Werbeformen verfüge", kritisiert Prack. "Man muss sich schon fragen, ob hier nicht die Grenze zur versteckten Parteienfinanzierung überschritten wird." Die Grünen sehen Aufklärungsbedarf und erwarten sich nun vom Stadtrechnungshof Antworten.

Seitens des Wohnbauressorts wird argumentiert, dass die Mietpreise für die Schaukästen "in Verbindung" mit den bestehenden Mietverträgen zu sehen seien: Für alle Mieterinnen und Mieter stehe das gleiche Angebot zur Verfügung, für alle würden dieselben Regeln gelten. Ein Ergebnis der Prüfung des Stadtrechnungshofs erwartet man für Ende des Jahres. (Stefanie Rachbauer, 6.5.2023)