Hinter den Kulissen der heimischen Kunst- und Antiquitätenszene kommt es sporadisch zu kleineren Grabenkämpfen. Meist geht es um Banalitäten, die Konkurrenten untereinander ausbaldowern. Eine öffentliche Denunziation in Form einer Anzeige wegen mutmaßlichen Betrugs gehört eher nicht zum üblichen Repertoire. So geschehen im Oktober 2022 im Rahmen der Kunstmesse Fair for Art.

Laut Literatur schuf Willy Eisenschitz diese von Walter Freller mit 18.000 Euro veranschlagte Landschaft etwa um 1928/30.
Foto: Antikhaus GmbH Kunsthandel Freller

Im Mittelpunkt dieser Causa steht ein Gemälde, das laut Literatur zwischen 1928 und 1930 gemalt wurde: von Willy Eisenschitz, einem Künstler österreichischer Herkunft, dessen Schaffen hierzulande bis in die 1980er-Jahre weitgehend unbekannt war. Das lag auch am Lebensweg des 1889 in Wien als Sohn eines Rechtsanwalts Geborenen, der das 1911 begonnene Studium an der Akademie der bildenden Künste nach nur einem Jahr abbrach, um seine Ausbildung in Paris fortzusetzen.

Karriere auf Frankreich beschränkt

Bis zu seinem Lebensende 1974 blieb Eisenschitz, der 1935 französischer Staatsbürger geworden war, in Frankreich – sieht man von Aufenthalten in der Schweiz und Reisen nach Italien, Spanien oder Afrika ab. Ab Mitte der 1920er-Jahre stellte er in Galerien wie jener von Berthe Weill oder Joseph Billiet vor dem Zweiten Weltkrieg aus, danach in jener von Durand-Ruel oder auch des Tournelles, die noch zu seinen Lebzeiten Ausstellungen in Japan veranstaltete.

Größere museale Würdigung erfolgte erst posthum, zuerst in Frankreich und ab Ende der 1990er-Jahre auch andernorts. Das Zünglein an der Waage der Vermarktung des Eisenschitz-Œuvres spielte rückblickend betrachtet der Handel, genauer der österreichische, der etwa um die Mitte der 1980er-Jahre auch aus dem umfangreichen Nachlass zu kaufen begann.

1988 erschien hierzulande die erste monografische Publikation, herausgegeben von Thomas Mettlewicz und Erich Tromayer, die im Zusammenhang mit einem größeren Werkkonvolut stand, das aus der Schweiz importiert worden war. Eine gute Dekade später waren Werke von Eisenschitz bereits fix im Programm des heimischen Kunstmarktes, kaum ein Vertreter, der bis heute nicht irgendwann irgendeines seiner Bilder gehandelt hätte.

Das Bild ist in dem vom Kunsthändler Josef Schütz 1999 herausgegebenen Werkverzeichnis erfasst. Nun argumentiert Schütz, es handle sich um eine Fälschung.
Foto: Repro DER STANDARD

Kaum in Museen vertreten

In den Beständen öffentlicher Museen in Österreich ist Eisenschitz, zumindest den online einsehbaren Datenbanken zufolge, bis heute dagegen mit nur zwei Werken vertreten: Bei dem einen handelt es sich um ein Selbstporträt des Künstlers, das Margarete Widder (Linz), Mutter des in Wien ansässigen Händlers Roland Widder, 1983 an die Neue Galerie der Stadt Linz (heute Lentos Museum) verkauft hatte.

Das andere Bild, eine "Landschaft in der Haute Provence" (1937) , hatte Eisenschitzs Tochter Evelyn Marc 1982 dem Belvedere als Widmung überlassen. Es dürfte bisher nur ein Mal öffentlich gezeigt worden sein, konkret bei der 1999 vom Lentos Museum (Linz) veranstalteten Retrospektive, die für den Handel Booster-Wirkung haben sollte.

Im selben Jahr publizierte der damals in Linz ansässige Händler Josef Schütz parallel zu seiner Verkaufsausstellung das vom französischen Kunsthistoriker Jean Perreau verfasste Werkverzeichnis. Inwieweit bei solchen Kooperationen die Unabhängigkeit der Forschung gesichert ist, bleibt eine der gängigen Fragen.

Vom Verdacht zur Anzeige

Seither sieht sich Schütz, der 2011 auch eine hauptsächlich mit seinem Warenbestand bestückte Retrospektive im National Art Museum of China in Peking organisierte, jedenfalls als oberste Instanz, wenn es um die Beurteilung von Arbeiten des Künstlers und auch um mutmaßliche Fälschungen geht, die er im Angebot der Kollegenschaft erspäht haben will.

Eine Erfahrung, die schon einige machten und im Oktober nun Walter Freller (Linz) zuteilwurde: als er auf der Messe ein Landschaftsbild anbot, das bereits in der Monografie von 1988 dokumentiert war. Eine Fälschung, ist Schütz überzeugt.

Er forderte also von Freller und vom Veranstalter der Messe die sofortige Entfernung des Bildes, andernfalls würde er Anzeige erstatten. Denn "keiner deiner sogenannten Sachverständigen steht über mir und Jean Perreau", warnte Schütz.

"Natürlich ist es eine Fälschung, aber ich kann mich nicht erinnern, die schon einmal gesehen zu haben", hatte ihn Perreau via SMS informiert. Die skurrile Note dieser auf Basis eines Fotos erfolgten Bestätigung sollte sich bei den Ermittlungen des Landeskriminalamts (LKA) Wien herausstellen: Denn besagtes Bild findet sich samt Abbildung in dem von Schütz selbst herausgegebenen Werkverzeichnis.

Ermittlungen des LKA

Einige von Freller eigens zurate gezogene Kollegen konnten die Beanstandung nicht nachvollziehen. Also erstattete Schütz Anzeige wegen versuchten Betrugs. Die Stippvisite der Polizei bei der Fair for Art verlief vorerst ergebnislos, da die Sache als Disput unter Kunsthändlern interpretiert wurde.

In weiterer Folge kontaktierte Schütz die Abteilung Kunst- und Kulturgutkriminalität des LKA, die das Bild dann bei der Art-&-Antique-Messe in der Hofburg im November sicherstellte. Mittlerweile bekam Walter Freller das Bild zurück, genauer bei der jüngst im Palais Ferstel abgehaltenen Wikam-Messe.

Denn die zuständige Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren Anfang März ein, da sich der Verdacht, Freller habe wissentlich eine mutmaßliche Fälschung zum Verkauf angeboten, in keiner Weise erhärten ließ. Tatsächlich wäre er allenfalls Opfer, da er das Bild 2010 bei Wienerroither & Kohlbacher erworben hatte.

Viele Experten

Bereits damals habe er das Werk als Fälschung erkannt, erzählt Josef Schütz auf Anfrage. Warum er die Kollegen damals nicht von seinem Verdacht informierte? "Ich bin ja nicht die Polizei von Wien", lautet seine Erklärung. Zeitgleich kündigt Schütz einen Ergänzungsband zum Werkverzeichnis an, in dem auch die mittlerweile rund 30 von ihm als Fälschungen identifizierten Arbeiten veröffentlicht werden sollen.

Was seine Kollegen davon halten, die seit Jahrzehnten ebenfalls mit Werken von Eisenschitz handeln und sich mit Ausstellungen samt begleitenden Publikationen verdient gemacht haben? Es gebe"viele Experten, die mit einiger Gewissheit von sich behaupten, die letzte Instanz zu sein", versucht es Roland Widder diplomatisch zu formulieren.

Warum jemand ausgerechnet Bildervon Eisenschitz gefälscht haben soll, womöglich schon zu Lebzeiten des Künstlers, kann auch Josef Schütz nicht sagen: "Wenn ich das wüsste, wäre ich Gott", der Eisenschitz-Gott unter Experten quasi. (Olga Kronsteiner, 24.3.2023)