1929 musste die Creditanstalt die Boden-Credit-Anstalt übernehmen, 1931 wurde sie verstaatlicht, 1934 übernahm sie den Bankverein. Damals übersiedelte die CA ins Haus in der Wiener Schottengasse.

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Die Geschichte wiederhole sich nicht, "aber man kann aus ihr lernen. Und in Bezug auf Bankenkrisen gibt es genug Anschauungsmaterial dafür." Das sagt der Wiener Wirtschaftshistoriker Dieter Stiefel, fragt man ihn nach Parallelen und Ähnlichkeiten zwischen der Credit-Suisse-Übernahme durch die UBS in der Schweiz und der Geschichte der Österreichischen Creditanstalt für Handel und Gewerbe in den schwarzen Jahren ab 1929.

Sie, die größte Bank der jungen Republik, musste 1929 ihre Konkurrentin und zweitgrößte Bank des Landes, die ins Wanken geratene Allgemeine Oesterreichische Boden-Credit-Anstalt, schlucken. Mit fatalen Folgen: 1931 fiel die Creditanstalt (CA) um und musste vom Staat gerettet werden. Die CA-Krise verbreitete weltweit Schockwellen, Banken fielen um wie Dominosteine, die Weltwirtschaftskrise vertiefte sich.

Schweizer Niederlage

Fast hundert Jahre liegen zwischen den jüngsten spektakulären Entwicklungen am Schweizer Finanzmarkt und jenen in der jungen Republik Österreich – wie könnte man da Vergleiche ziehen?

In der Schweiz wurde die größte Bank voriges Wochenende dazu gedrängt, die zweitgrößte zu übernehmen. Das globale Schwergewicht UBS mit einer Bilanzsumme von rund einer Billion Euro schluckt also ihre Konkurrentin Credit Suisse mit einer Bilanzsumme von 536 Milliarden Euro und an die 50.500 Mitarbeitern weltweit. Sie hatte sich in veritable Probleme manövriert, war in Skandale sonder Zahl verwickelt. 2022 spitzten sich die Probleme zu, im letzten Quartal 2022 zog die Kundschaft mehr als 100 Milliarden Franken ab, kurz vor der Übernahme waren es an einem einzigen Tag rund zehn Milliarden. Die Bank war am Zusammenbrechen.

Um das und die befürchteten Folgen für Banken- und Finanzmärkte zu verhindern, entschlossen sich die Schweizer zur Ruck-zuck-Aktion. In zwei Tagen wurde die Übernahme durch die UBS besiegelt. Ohne dass sie die Bücher hätte prüfen können. Per Notrecht, ohne die Aktionäre zu fragen. Weil es so schnell gehen musste, gab der Staat Haftungen, die Schweizerische Nationalbank stellt Liquidität bereit. Über Nacht war ein Bankenkoloss entstanden.

Über Nacht gerettet

Wie sich die Bilder gleichen: Die Creditanstalt übernahm 1929 ihre Konkurrentin Boden-Credit-Anstalt binnen eines Tages und wurde so zu einer "Superbank".

Mai 1929. Die Erste Republik ist zehn Jahre alt, die Monarchie ist nach dem Ersten Weltkrieg untergegangen. Aus einem Reich mit 52 Millionen Einwohnern und 700.000 Quadratkilometer Fläche wurde ein 84.000 Quadratkilometer kleines Land mit sieben Millionen Einwohnern. Österreich ist von innenpolitischen Krisen gezeichnet, die wirtschaftliche Lage prekär.

Groß sind nur noch die Banken. Die 1855 gegründete "k. k. privilegierte österreichische Credit-Anstalt", in Mehrheitsbesitz der Familie Rothschild, ist die größte und wichtigste Bank des Landes, eine von internationalem Ruf. Sie ist der größte Financier der Monarchie gewesen, hat alles finanziert, vom Bergbau bis zur Lebensmittelindustrie. Sie begleitete von ihr finanzierte Unternehmen an die Börse und beteiligte sich an von ihr finanzierten Unternehmen.

Kleines Land, zu große Banken

Daran ändert sich auch nach dem Ende der Monarchie nichts. War die Bank 1913 an 85 Unternehmen beteiligt, sind es 1929 schon 215: Wenn die Kreditnehmer nicht mehr zahlen, steigt das Geldhaus selbst ins Unternehmen ein. Die Bilanzsumme entspricht ungefähr einem Viertel der österreichischen Wirtschaftsleistung, die Banker finanzieren nun die Nachfolgestaaten der Monarchie. "Die Monarchie war zwar gefallen, aber die Bank ist dennoch nicht geschrumpft", fasst das Clemens Jobst, Wirtschaftshistoriker an der Uni Wien, zusammen. Und: "An der Creditanstalt kamen die Kunden nicht vorbei, man hatte keine Alternative mehr zu ihr", so Jobst zu ihrer Bedeutung.

Die Bank selbst finanzierte sich mit kurzfristigem Geld ausländischer Anleger – was 1931 schreckliche Folgen haben sollte, als die ihr Geld zurückholen wollten.

Doch zurück in den Oktober 1929. In den 20er-Jahren ist es unter Österreichs Banken bereits zu Konzentrationen gekommen, die Boden-Credit-Anstalt hat 1927 die kaputte Union Bank und weitere Institute übernommen. 1929 steht das zweitgrößte Institut Österreichs, einst Bank des Kaiserhauses, selbst auf der Kippe. Auch sie finanziert die Nachfolgestaaten, auch sie ist an Unternehmen beteiligt, die nun selbst in Turbulenzen geraten – allen voran die Steyr-Werke, die "einer der Auslöser der Krise waren", wie Bankenhistoriker Hans Kernbauer erzählt.

Eigentlich müsste die Bank Konkurs anmelden. Da sie aber die Schlüsselindustrien finanziert und mitbesitzt, beschließt die Regierung unter Kanzler Johann Schober, das Institut zu retten. Too big to fail.

Bankrettung im Jagdrevier

Die Creditanstalt wird zur Retterin auserkoren, man begibt sich auf die Suche nach deren Verwaltungsratspräsidenten, Baron Louis Rothschild, der gerade auf der Jagd ist. Gendarmen finden ihn in einem seiner Reviere, der Kanzler selbst begibt sich zu ihm. Rothschild, der nicht viel Engagement für seine Bank aufbringt, stimmt widerwillig zu. "Ich werde es tun, jedoch Sie werden es bedauern", habe er geantwortet, erinnerte er sich später. Im Parlament antwortete der Innenminister damals auf die Frage, ob man Rothschild mit der Pistole an der Brust habe überzeugen müssen, so: "Es war schon ein Maschinengewehr notwendig."

Louis Rothschild, Verwaltungsratschef und Mehrheitseigner der Creditanstalt (links), wurde zum Kauf gedrängt.
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Zeit, in die Bücher zu schauen, bekamen die CA-Banker nicht. Darin und im Druck des Staates auf die übernehmende Bank sieht Peter Eigner, Wirtschaftshistoriker an der Uni Wien, "die größte Ähnlichkeit" zum Fall UBS / Credit Suisse. Damals wie jetzt seien Institute mit unterschiedlicher Unternehmenskultur zusammengebracht worden. Allerdings, und da sind sich die Historiker einig: Wirtschaftliche Rahmenbedingungen und politische Gegebenheiten ließen sich nicht vergleichen, die Finanzmärkte seien weitaus komplexer als in den 1930ern. Zudem gibt es heute strenge Regulatorien und Bankenaufseher, was damals nicht der Fall war.

Ende mit Schrecken

Heute gehen Historiker davon aus, dass es den Verantwortlichen der Creditanstalt gar nicht so unrecht war, die Boden-Credit-Anstalt umgehängt zu bekommen. Wie sich später herausstellte, waren die Bilanzen beider Institute seit Jahren geschönt. In der CA habe man 1929 gehofft, das mit der zweiten Bank im Bauch besser verschleiern zu können – oder das Problem, sollten alle Stricke reißen, dem Staat überantworten zu können.

Das geschah am 8. Mai 1931. Da informierte der Vorstand der Creditanstalt die völlig überraschte Nationalbank und Regierung, sie könne keine Bilanz mehr legen. Die Bank wurde mit überaus viel Geld gerettet, der Staat stieg ein: too big to fail. (Renate Graber, 25.3.2023)