Seilbahnen in Wien, das wünschen sich die Neos und ein privater Unternehmer – und stoßen auf Unverständnis. Aber warum? Erst Gondeln machen Wien zur Weltstadt, urbane Seilbahnen sind die Zukunft, sagt die Ethnologin Elsbeth Wallnöfer im Gastkommentar.

Warum nicht mit der Gondel auf den Kahlenberg? Von Hütteldorf nach Ottakring? Oder zum Westbahnhof?
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Des Kanzlers Vorstellung der Welt von morgen ist mit seiner tranigen "Rede an die Nation" recht gestrig ausgefallen und will daher in die notwendigen (Seil-)Bahnen gerückt werden. Gleich fünfmal in Folge bemühte er eingangs das Wort "Angst". Der dramaturgische Trick, damit eine gewisse Beklemmung in uns auszulösen, zielte darauf ab, ihm am Ende schuldigst als idealem Angstlöser dankbar zu sein. Vermutlich liegt sein Unwille, nicht vom Verbrenner ablassen zu wollen, auch am Reiz der eingebildeten Schönheit längst vergangener Tage, an der Erinnerung an den Geruch des ersten Kusses, der eingenebelt von der charaktertypischen "Zweitaktfahne" eines Puch-Mofas herrührt. Doch, liebe Leserinnen und Leser, das Aftersausen der Kanzlerfraktion ist nicht unser Symptom, und wenn doch, mag ich Sie beruhigen. Denn es gibt noch Vorschläge vonseiten der Politik, die in die Zukunft weisen: beispielsweise die Idee der Neos, der heimelig verschnarchten Weltenhauptstadt Wien eine geräusch- und abgasarme Seilbahn zu verpassen.

Futuristisch, nicht provinziell

Eine Stadt, die die Genehmigung zur Errichtung einer Seilbahn erteilt, bringt keine Gletscher zum Schmelzen, lässt nicht zwangsläufig Schneekanonen auf dem Bisam- und Kahlenberg aufstellen und baut hoffentlich nicht den geschichtsträchtigen Sauberg zum tyrolesken Saubergstadelremmidemmi mit Franz Posch und/oder DJ Ötzi aus. Liebe, im Vorurteil hängengebliebene, Wienerinnen und Wiener! Es ist im Geiste ein Irrtum zu glauben, Seilbahnen wären nur was für die Provinz, für Skifahrerinnen, Hüttenwirte, und dürften erst ab 750 Meter Seehöhe zum Einsatz kommen. Der wohl verwerflichste Glaube ist zu meinen, Seilbahnen funktionierten nur bei Nebelwetterlagen von Glühweindunst. Seilbahnen sind außerhalb Österreichs längst Teil urbaner Verkehrsplanungen. Cablecars weisen in die Zukunft. Nein, sie sind die Zukunft und die Rettung vor dem Verkehrskollaps. Mit eleganter Leichtigkeit verbinden sie längst in Millionenstädten Menschen, ignorieren Kurven, Steilhänge und Höhenunterschiede, bringen die Fahrgäste von einem Hügel zum anderen.

Cablecars am Horizont. Gondelbahnen verbinden die bolivianischen Städte La Paz und El Alto.
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Weltstädte wie La Paz oder Ankara, das seit 2014 über Eurasiens größte Standseilbahn verfügt, das kleine, feine Bozen mit der neuen alten Rittner Bahn und Hongkong mit dem Projekt Ngong Ping 360 imponieren auch als städtebaulich futuristische Architekturen – und macht sie, welch schöner Nebeneffekt, gerade deshalb interessant. Erbaut aus Gründen verkehrstechnischer Entlastung, sind sie indessen markante Erkennungszeichen.

"Es ist die Stunde gekommen, Ideen zum Vorteil der Verkehrswende, seien sie auch zunächst befremdlich oder von den Neos, als seriöse Okkasion zu prüfen."

Loben wir die Intention als futuristisch, architektonisch, technisch, städtebaulich vielversprechendes Verkehrsvorhaben, das Wiens Einwohnerinnen und Einwohner in Windeseile, abgasfrei und geräuscharm durch die Stadt bringt. Doch keinesfalls als touristisches Seilbahnprojekt! Denn so wenden wir potenziell tirolisch-hörlsche Übernahmebegehren ab. Die Liftkaiser und talentierten Umweltsünder würden flugs im Umland Megahotels errichten, gigantomanische Schutzhütten bauen und Zwischenstationen, die an holzgebissenen Wegweisern halten, ersinnen.

Lösen wir uns vom Klischee und der Angst des ÖVP-Kanzlers vor dem Verlust des Verbrenners. Wir sollten nicht seine Angst zu unserer Bangnis machen. Es ist die Stunde gekommen, Ideen zum Vorteil der Verkehrswende, seien sie auch zunächst befremdlich oder von den Neos, als seriöse Okkasion zu prüfen. Die irrige Annahme, Seilbahnen funktionierten nur durch von Alkoholschwaden kondensierten Dampf oder wegen Ziehharmonika spielender Trachtler, ist eine älplerische Posse. Denken Sie bei "Seilbahn" an superleise, fast emissionsfreie urbane Fortbewegungsmittel, an Hightech-Produkte, wie in filmischen Utopien. Vergessen Sie die brunftig-derbe Verbrennerfolklore, sie ist bestaunenswertes Überbleibsel im Fuhrpark der Menschheit. Gondelfahrten sind hingegen aufregend, reizvoll, erholsam, meditativ oder pittoresk, der Stress riskanter Überholmanöver hupender Mobilistinnen und Mobilisten vorweg ausgeschlossen.

Neue urbane Silhouette

Touristikerinnen und Touristiker dürfen angesichts der Flut von Souvenirs jubilieren, die Stadt profitierte vom Charme einer neuen urbanen Silhouette. Garantiert sucht man in Wien bereits grantelnd einen Vulgonamen. Baut uns eine Seilbahn unter Beteiligung der Stadt, integriert sie ins Stadtnetz der Wiener Linien, dann lassen wir auch Touristinnen und Touristen mitfahren! (Elsbeth Wallnöfer, 26.3.2023)