Wien – Wegen mehrerer Artikel über einen angeblichen Suizidversuch des Ex-FPÖ-Politikers Hans-Jörg Jenewein ist am Montag der "Kurier" am Wiener Landesgericht für Strafsachen wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs zu einer Entschädigung von insgesamt 27.000 Euro verurteilt worden. Vier zwischen dem 7. und dem 9. August 2022 erschienene Artikel gingen nach Ansicht von Richter Stefan Romstorfer zu weit und kamen einer öffentlichen Bloßstellung Jeneweins gleich.

Die medienrechtliche Klage Jeneweins hatte sich allerdings auf mehr als 30 online und in Print-Ausgaben erschienene Meldungen bezogen – der "Kurier" hatte bis Mitte September über den angeblichen Selbstmordversuch berichtet. Der weitaus erheblichste Teil dieser Veröffentlichungen waren dem nicht rechtskräftigen erstinstanzlichen Urteil zufolge zulässig und medienrechtlich gedeckt.

Für Richter Stefan Romstorfer war nämlich ein politischer Kontext der Artikel-Serie insofern nicht von der Hand zu weisen, als wenige Tage vor dem angeblichen Selbstmordversuch Jeneweins bekannt geworden war, dass auf dessen Handy der Entwurf einer Anzeige wegen Fördermissbrauchs gegen die Wiener FPÖ gefunden worden war, was seine innerparteiliche Stellung nicht unbedingt gestärkt haben dürfte. Unter diesem Blickwinkel "wäre es eine zu große Einschränkung für die Meinungsfreiheit, wenn man darüber (über den angeblichen Selbstmordversuch, Anm.) gar nicht berichten dürfte", begründete Romstorfer, weshalb der größte Teil der inkriminierten "Kurier"-Veröffentlichungen vorerst ohne Rechts- und finanzielle Folgen blieb. Jeneweins Rechtsvertreter Niki Haas meldete gegen den klagsabweisenden Teil der Entscheidung umgehend Rechtsmittel an.

Details berichtet

Entschädigungspflichtig – dagegen hat "Kurier"-Anwältin Margot Rest eine Rechtsmittelmöglichkeit – waren lediglich vier Artikel, die der Richter in der Urteilsbegründung "nicht verhältnismäßig" nannte. Unter Schlagzeilen wie "Verzweiflungstat" oder "Tragödie" wurde dabei über Details berichtet, die nach Dafürhalten des Erstgerichts nicht als Gegenstand der medialen Berichterstattung geeignet waren. Obendrein hätten diese Details gar keinen Tatsachengehalt gehabt, wie Jenewein beim Verhandlungsauftakt in der vergangenen Woche betont hatte. Er habe sich etwa niemals auf einer Intensivstation oder gar im künstlichen Tiefschlaf befunden, versicherte Jenewein: "Ich durfte ausschlafen. Das war die einzige medizinische Maßnahme im Spital."

Die mediale Berichterstattung – die "Kronen Zeitung" ist bereits vor einigen Wochen für ähnlich gelagerte, noch detaillierte Artikel nicht rechtskräftig zu einer Entschädigung von insgesamt 96.000 Euro verurteilt worden – hätte dazu geführt, "dass meine 83-jährige Mutter versucht hat herauszufinden, auf welcher Intensivstation ich bin", beklagte der frühere freiheitliche Politiker. Seine beiden ältesten Töchter hätten sich damals auf Sprachreisen in den USA befunden und wären insofern beunruhigt gewesen, als sich aufgrund der Zeitverschiebung für sie nicht gleich klären habe lassen, wie es ihrem Vater geht.

Wie der ehemalige freiheitliche Nationalratsabgeordnete und spätere Klubmitarbeiter – das Arbeitsverhältnis mit der FPÖ wurde Jeneweins Aussage zufolge mit 31. Dezember 2022 einvernehmlich beendet – im Grauen Haus betonte, habe "der Vorfall" nichts damit zu tun gehabt, dass bei ihm eine Anzeige gegen die Wiener FPÖ gefunden worden sei. Er sei vielmehr deshalb ins Spital gebracht worden, weil ihm ein Krankheitsfall im engsten Familienkreis zugesetzt habe. (APA, 27.3.2023)