Seit Wochen wird in Österreich eine hitzige Debatte um das Thema Teilzeit geführt. Auslöser war die Aussage von Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP), wonach freiwillig in Teilzeit arbeitende Menschen künftig weniger Sozialleistungen erhalten könnten. Der Aufschrei war groß, vor allem Frauen würde eine derartige Regelung nachteilig treffen. Zu Wort kamen zahlreiche Betroffene: Menschen, die freiwillig auf einen Vollzeitjob verzichten, vor allem aber Menschen – insbesondere Frauen –, die aufgrund von Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen keine andere Möglichkeit haben, als in Teilzeit zu arbeiten.

Aber auch abseits von Kindererziehung und Pflege gibt es Menschen, die Teilzeitjobs benötigen. Denn in vielen Bereichen, etwa Musik, Kunst und Kultur, sind Arbeitsbedingungen so prekär, dass man auf einen zweiten Job angewiesen ist, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Ein Studium finanziert sich ebenfalls nicht von selbst, und wer im Spitzensport aktiv ist, investiert viel Zeit, braucht mitunter aber einen Plan B.

DER STANDARD hat mit einer Musikerin, einer Studentin und einer Fußballerin über ihre jeweilige Lebenssituation gesprochen.


Musikerin Romy Jakovcic: "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen"

Romy Jakovcic ist Teilzeitlektorin und Bassistin.
Foto: Noel Richter

Name: Romana (Romy) Jakovcic
Alter: 33
Beruf: Lektorin (Teilzeit) und Musikerin in der Indiepop-/Rock-Band Pauls Jets
Gehalt: ca. 1.000 Euro im Brotjob und zwischen 200 und 500 als Musikerin

Romy Jakovcic ist Bassistin der Band Pauls Jets, einer festen Größe der österreichischen Indie-Szene. Die Formation spielte auf zahlreichen Konzerten im In- und Ausland und veröffentlichte drei Alben. Für Jakovcics Unterhalt reicht das Geld durch die Musik aber nicht. Nach dem Motto "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen" arbeitet die Musikerin unter der Woche etwa vier Stunden täglich als Lektorin für ein Medienunternehmen, bevor sie Bass spielt – eine Notlösung, wie sie sagt: "Eigentlich habe ich einen geistes- und kulturwissenschaftlichen Abschluss. Am liebsten würde ich daher im Kulturbereich arbeiten, oft sind die Stellen in dem Bereich aber unterbezahlt, oder man kommt nur schwer an mehr Stunden."

In Teilzeit zu arbeiten sieht die Musikerin als Kompromiss: "Einerseits würde ich manchmal gerne mehr verdienen, andererseits habe ich so Zeit für Kreatives", sagt die 33-Jährige. "Von der Musik allein könnte ich nicht leben. Vom Teilzeitjob allein aber auf Dauer auch nicht."

Den Ansatz, junge Menschen zur Vollzeit zu motivieren, versteht Jakovcic zwar, von Martin Kochers Aussage hält sie trotzdem nicht viel: "Viele arbeiten bewusst in Teilzeit, um nebenbei Musik machen zu können – das ist ja wiederum gut für die österreichische Kulturszene." Ein Vollzeitjob außerhalb der Musik würde Jakovcic ihrer Ansicht nach einengen. "Am liebsten wäre ich natürlich Vollzeitmusikerin in einer berühmten Band, die von der Musik gut leben kann. Da das nicht der Fall ist, muss ich die Jobs so kombinieren, dass es für mich abwechslungsreich ist und es trotzdem für den Lebensunterhalt reicht." (Viktoria Kirner, 3.4.2023)


Fußballerin Andrea Glibo: "Super Kolleginnen, superflexibel"

Andrea Glibo ist Stürmerin beim SK Sturm.
Foto: SturmTifo.com

Name: Andrea Glibo
Alter: 20
Beruf: Fußballerin und Praktikantin in einer Bank
Gehalt: unbekanntes Einkommen als Fußballerin, rund 900 Euro netto Bankpraktikum

Andrea Glibo kickt seit 2021 für den SK Sturm. Zudem arbeitet sie seit einigen Monaten zusätzlich 20 Stunden pro Woche als Praktikantin in einer Bank. Für die Hak-Absolventin die perfekte Ergänzung: "Super Kolleginnen, superflexibel", sagt die 20-Jährige. "Und es lenkt mich von meiner Verletzung ab." Im Herbst riss sich die Stürmerin beim kroatischen Nationalteam das Kreuzband. Seither schuftet sie "acht-, neunmal pro Woche" für das Comeback, vor allem in der Kraftkammer. Mit der Doppelbelastung kommt Glibo gut zurecht. "Ich kann mich zeitlich nicht beschweren", sagt sie. Die meisten ihrer Freundinnen spielen ebenfalls Fußball, gemeinsame Unternehmungen gehören da dazu.

"Ich habe mich damit abgefunden, dass ich mit Fußball nicht so viel verdiene, dass ich nur damit auskomme", sagt sie. Früher unterstützten ihre kroatischen Eltern sie. Mit dem Teilzeitjob in der Bank könne sie nun gut leben, außerdem wohnt sie mit einer Mitspielerin in einer WG. Kochers Spruch nennt Glibo "nicht cool". Viele Jüngere bräuchten Teilzeitjobs, um ihr Leben zu finanzieren. Die Tirolerin hofft, dass sie irgendwann einmal nur vom Fußball leben könne. Dabei strebt sie über die Landesgrenzen hinaus. Die spanische Liga taugt Glibo, sie bleibt aber offen: "Mal schauen, wohin die Reise geht." (Andreas Gstaltmeyr, 3.4.2023)


Studentin Marlene Z.: "Freie Wochenenden kenne ich nicht"

Marlene arbeitet Teilzeit bei der Vienna Design Week.
Foto: privat

Name: Marlene Z.
Alter: 27
Beruf: Social Media / Kommunikation bei der Vienna Design Week
Studium: Publizistik (Master) und Kunstgeschichte (Bachelor)
Gehalt: zwischen 1.000 und 1.200 Euro netto

Marlene Z. arbeitet seit zwei Jahren Teilzeit, um sich ihr Studium der Kunstgeschichte und Publizistik zu finanzieren. Sie habe Glück, bei der Vienna Design Week einen Job gefunden zu haben, den sie wirklich gerne macht, sagt die 27-Jährige. Freizeit hätte sie aber durch die Doppelbelastung kaum noch: "So etwas wie freie Wochenenden kenne ich eigentlich nicht. Aber das sind halt die Opfer, die man bringt."

Nach der Schule hat Marlene zunächst eine Lehre gemacht, später aber gemerkt, dass das langfristig nicht der richtige Weg für sie ist. Als sie ihr Studium begann, war Marlene deshalb schon älter als die meisten ihrer Studienkolleginnen. Die ersten zwei Jahre ihres Studiums arbeitete sie Vollzeit, auf Dauer hätte sie das aber nicht geschafft, meint sie. Seitdem muss sie finanziell zurückstecken, auch die Inflation macht ihr aktuell zu schaffen. "Irgendwie muss man halt auskommen", sagt sie resigniert. Das Stipendium, das sie bis vor wenigen Monaten bekam, habe geholfen, aber auch Schattenseiten gehabt: "Man bekommt dadurch extremen Druck. Man muss schnell studieren, wenn man das nicht schafft, ist das Geld weg."

Von Kochers Vorschlag hält Marlene gar nichts: "Das würde in meinem Fall bedeuten, dass ich nicht studieren könnte." Dabei würde die Gesellschaft doch davon profitieren, wenn junge Leute eine Ausbildung abschließen, findet sie. "Ein Studium ist ja auch in einem gewissen Sinne ein Beruf. Das ist ja kein Hobby oder so." Dieses Jahr schließt Marlene ihre Studien ab – trotz Arbeit beide in Mindeststudienzeit. (Clara Wutti, 3.4.2023)