Ein US-Panzer bei Rumaylan in der Nähe der syrischen Stadt Hassakeh. Zuletzt mehrten sich mit dem Iran in Verbindung gebrachte Angriffe und russische Provokationen. Das Assad-Regime hat momentan Oberwasser.

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Der saudische König, Salman bin Abdulaziz, bei den Mullahs in Teheran: Das übersteigt zwar noch immer die Vorstellungskraft – auch angesichts der Gebrechlichkeit des 87-Jährigen, der die Bühne weitgehend seinem Sohn und Kronprinzen Mohammed bin Salman überlassen hat. Aber die entsprechende Einladung soll bevorstehen.

Zuvor hat Saudi-Arabien seinerseits den iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi eingeladen, die Außenminister der beiden Länder wollen sich noch im Ramadan treffen. Ebenso liegt die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen des Königreichs mit dem syrischen Regime von Bashar al-Assad in der Luft, den auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan derzeit geradezu umwirbt.

Die Region scheint sich auf dem Normalisierungstrip zu befinden, und Assad, der sich nur mithilfe Russlands und des Iran an der Macht halten konnte, ist zwölf Jahre nach dem Beginn des demokratischen Aufstands und in der Folge eines verheerenden Bürgerkriegs einer der Profiteure. Ein arabisches Land nach dem anderen – Jordanien, Ägypten, Bahrain – legt die Berührungsängste ab. Das beunruhigt in den USA die Community der Syrien-Experten und -Diplomaten so sehr, dass sie Präsident Joe Biden schriftlich aufgefordert haben, dem etwas entgegenzusetzen.

Raus aus Syrien

Der von Al-Monitor zitierte Brief enthält unter anderem die Empfehlung, die militärische US-Präsenz im Nordosten Syriens aufrechtzuerhalten, als Unterstützer der SDF (Syrian Democratic Forces), die ihrerseits von den kurdischen YPG-Milizen dominiert werden. Vor kurzem hat wieder einmal erfolglos der Republikaner Paul Rand eine Initiative gestartet, die "Authorization for Use of Military Force" (AUFM) für den US-Präsidenten aus dem Jahr 2001 zu beenden. Das würde – nicht nur – dem Einsatz in Syrien die rechtliche Grundlage entziehen.

Aber vor allem in Syrien selbst und in der Region haben noch ein paar andere etwas gegen die schätzungsweise 900 US-Soldaten in Syrien. Sie sind im Nordwesten bei den Ölfeldern nahe Hassakeh und auf der Militärbasis al-Tanf im Dreiländereck mit Jordanien und dem Irak stationiert. Während es im Irak diesbezüglich gerade etwas ruhiger ist, drohten Schläge und Gegenschläge von USA- und Iran-treuen Milizen beziehungsweise Iranern vergangene Woche zu eskalieren.

US-Generalstabschef ruft zu Härte auf

Dass die akute Krise nicht vorbei ist, zeigt ein Statement des US-Generalstabschefs Mark Milley im Kongress am Dienstag: Die US-Armee plane mehr militärische Härte gegen die Auslandseinheiten der iranischen Revolutionsgarden (IRGC), die Al-Quds-Brigaden. Auch Biden hatte den Iran vor ein paar Tagen scharf gewarnt, dabei aber auch betont, dass die USA keine militärische Auseinandersetzung mit dem Iran wollen.

Die jüngste Runde begann mit einem Angriff einer – laut USA – iranischen Drohne auf eine US-Anlage in Syrien, bei der ein US-Zivilist getötet und mehrere Soldaten verletzt wurden. Darauf reagierten die USA mit einer Serie von Luftschlägen gegen mutmaßliche Einrichtungen der IRGC. Die Rede war von mehr als einem Dutzend Toten, wobei der Iran bestreitet, dass es sich um eigene Soldaten handelte.

Russische Überflüge

Im Jänner war bereits al-Tanf angegriffen worden. Laut dem Magazin al-Majalla provoziert zunehmend auch Russland die USA mit vermehrten Überflügen über die Militärbasis. Seit 2017 existiert ein US-russisches Koordinationsrahmenabkommen in Syrien, das dabei helfen sollte, die beiden Seiten nicht aneinandergeraten zu lassen. Das scheint gefährdet. Im März schickten die USA erstmals Generalstabschef Milley zum Truppenbesuch nach Syrien. Damaskus sprach von einer "flagranten Verletzung der syrischen Souveränität". Der Iran bezieht sich in jedem Statement darauf, dass sich iranische Kräfte – "Berater" ist die Sprachregelung – auf Einladung der syrischen Regierung im Land befinden. Das gilt auch für russisches Militär. Die USA sind hingegen im Rahmen der Bekämpfung des "Islamischen Staats" seit 2014 dort.

Ein ominöses "Iranian Advisory Center" in Syrien warnte nach dem jüngsten Schlagabtausch die USA vor weiteren Angriffen auf iranische Einrichtungen, wovon sich das iranische Außenministerium jedoch implizit distanzierte: Die offizielle iranische Position werde nur vom Iran selbst verlautbart. Die Iraner dementieren, für den Drohnenangriff, der die Serie auslöste, verantwortlich zu sein – und nennen eine bisher unbekannte irakische schiitische Gruppe.

Sicher ist nur: Der Druck auf die USA in Syrien wird erhöht, auch die US-russischen Spannungen im Rahmen des Ukrainekriegs sind dort angekommen. Der iranische Außenminister Hossein Amirabdollahian war am Mittwoch in Moskau: Der Iran ist ja Lieferant relativ preiswerter Kamikaze-Drohnen für den russischen Feldzug. In Moskau wurde bekannt, dass im April ein iranisch-türkisch-syrisches Treffen abgehalten werden soll. Russland bemüht sich um die Versöhnung zwischen Syrien und der Türkei, während sich China die überraschende Annäherung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran als Erfolg auf die Fahnen heften kann. Die USA sind in die Rolle der Zuseher verbannt.

Assad und die Drogen

Die USA und die EU stellen politische Bedingungen für eine Zusammenarbeit mit dem syrischen Regime – wobei die große Not nach dem Erdbeben dazu geführt hat, dass die strengen Sanktionen momentan nicht gegen jene angewandt werden, die Syrien helfen. Am Dienstag verhängten die USA hingegen Strafmaßnahmen unter anderem gegen zwei Cousins des syrischen Machthabers, Samir Kamal al-Assad und Wassim Badi al-Assad, wegen des Handels mit Captagon-Pillen. Diese Amphetamine sind wegen ihrer enthemmenden Wirkung auch als "Jihadistendroge" bekannt und sind bereits in die westlichen Märkte – und in die Partyszene – vorgedrungen.

Das Assad-Regime macht damit großes Geld. Laut einer AFP-Recherche ist das ein Zehn-Milliarden-Dollar-Geschäft, das Syrien, das sonst keine Einnahmen hat, in einen Narco-Staat verwandelt hat. Captagon wird auch über den Libanon vertrieben, was das besonders stark betroffene Saudi-Arabien dazu veranlasste, zeitweise libanesische Gemüse- und Obstimporte zu sperren. (Gudrun Harrer, 30.3.2023)