Mein Vater hat in den Siebzigerjahren gefühlt die ganze Welt bereist – per Autostopp. Meine Eltern sind Reisefreaks, sie waren in Indien, im Sudan, in Äthiopien oder Algerien. Unzählige Dia-Boxen erzählen Geschichten dazu. Toll, dachte ich, allein als junge Frau kann ich das nicht machen. Als mein jüngerer Bruder damit begonnen hat, habe ich mit 21 beschlossen, es auch zu tun. Die Technik meines Vaters: auf der Tankstelle auf Kennzeichen, Reiserichtung und darauf, wer da reist, zu achten. Man kann sich Familien, Frauen oder Pärchen aussuchen und muss sich keinen finsteren Männergruppen anschließen. Ich musste damals viel zwischen Österreich, Deutschland und den Niederlanden pendeln, das habe ich dann oft per Autostopp gemacht. Ich hatte aber nie ein Fotoprojekt vor, weil es nicht meiner Arbeitsweise entspricht. Das Faszinierende an der Sache, man trifft Menschen, die man sonst nie treffen würde. Alleinerziehende Mütter, Parlamentarier, Arbeitsmigrantinnen, Lkw-Fahrer, es herrscht das totale Zufallsprinzip.

Odyssee von Ithaka nach Wien

Im Jahr 2018 waren der Rechtsruck und die Spaltung der Gesellschaft überall ein Thema, Ressentiments gegen Flüchtlinge und Migration waren sehr präsent in den Medien. Ich wollte weg. Im Sommer war ich auf einer Residency auf der griechischen Insel Ithaka, wo angeblich Odysseus zu Hause war. Ich finde den Mythos der Odyssee wirklich spannend, es geht um das Leben, den Tod und die Bewältigung von Abenteuern. Von Ithaka bin ich mit meinem Freund über Korfu nach Sarandë und dann fünf Tage lang nach Wien zurückgestoppt: Griechenland, Albanien, Montenegro, Bosnien, nach Zagreb haben wir einen Bus genommen, von dort sind wir direkt wieder per Anhalter nach Wien.

Vor dieser Reise war ich immer nur auf westeuropäischen Tankstellen unterwegs, die Strecke, die wir gestoppt sind, hatte kaum Autobahnen. Wir standen immer direkt auf der Straße. Das war anders. Die Leute auf dem Balkan habe ich gastfreundlicher und wärmer empfunden. Aber alles ist chaotisch. Es war eine richtige Balkan-Experience. Für diese Autostopp-Odyssee habe ich nicht nur fotografiert, sondern auch gefilmt und Tonaufnahmen gemacht. Irgendwann werden das Kollagen. Mit den Menschen, mit denen wir unterwegs waren, haben wir über die Odyssee gesprochen und viel über deren Probleme, wie etwa über die nicht vorhandenen Perspektiven für die Jungen.

Geld beschäftigt alle

Das Thema Geld hat alle beschäftigt. Wie schlecht die Politik mit Steuergeldern umgeht und dass die Fördergelder bei den Menschen nicht ankommen. Wir haben Leute getroffen, die zwei Sommerjobs für insgesamt 300 Euro gemacht haben. Flüchtlinge waren nicht so das Thema, Arbeitsmigration dagegen schon. Wir sind auch mit Touristen mitgefahren, einem Pärchen aus Polen und einem aus der Schweiz, die uns aus ihrem Leben erzählt haben. Es herrscht überall große Politikverdrossenheit. Eine junge Polin war verzweifelt wegen der fatalen Abtreibungspolitik in ihrem Land. Die Leute waren wirklich offen, wir wurden auch zum Übernachten eingeladen. Das muss man sich vorstellen: Du bist zu zweit, machst Autostopp und hast noch jede Menge Kameras dabei. Es hat immer geklappt, und ich bin dankbar, dass uns so viele mitgenommen haben.

Mein Autostopprekord: von Berlin nach Barcelona in 24 Stunden, allein als Frau, nur über Autobahnen. Eigentlich hatten wir in diesen fünf Tagen viel zu wenig Zeit für das, was uns begegnet ist. Ich dachte nicht, dass wir mit den Leuten so viel Kaffee trinken werden. Diese Arbeit ist subjektiv, aber zugleich auch poetisch und politisch. Ich hoffe, dass ich Menschen anregen kann, sich Gedanken über die Welt und die Gesellschaft zu machen. (protokolliert von Mia Eidlhuber, 31.3.2023).

Foto: Mafalda Rakoš
Foto: Mafalda Rakoš
Foto: Mafalda Rakoš
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