Das Gebäude des ehemaligen BVT am Rennweg in Wien.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Im Zusammenhang mit einer Geheimdienstaktion des mittlerweile aufgelösten Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) müssen sich ab 14. April vier frühere Spitzenbeamte des BVT und ein im maßgeblichen Zeitpunkt ranghoher Vertreter des Bundesamtes für Fremdenrecht und Asyl (BFA) wegen Amtsmissbrauchs am Wiener Landesgericht verantworten. Das gab Gerichtssprecherin Christina Salzborn auf APA-Anfrage bekannt. Vorerst sind fünf Verhandlungstermine fixiert.

Von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zur Anklage gebracht wurden einst höchste Verfassungsschützer, nämlich der ehemalige BVT-Abteilungsleiter Martin W., Ex-BVT-Spionagechef Bernhard P. sowie zwei Chefinspektoren. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten im Zuge der Operation "White Milk" für den israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad einen General der syrischen Staatssicherheit in Österreich untergebracht und ihm trotz Fehlens der rechtlichen Voraussetzungen Asyl verschafft – ungeachtet des Umstands, dass dem General die Mitverantwortung für Folterungen von Gegnern des syrischen Regimes in Raqqa zugeschrieben wurde. Für die Angeklagten, die die Vorwürfe im Ermittlungsverfahren bestritten haben, gilt die Unschuldsvermutung.

"Vorspiegelung falscher Tatsachen"

Die "Kooperationsvereinbarung" mit dem Mossad soll Martin W. am 6. Mai 2015 "zwecks Informationsgewinnung" abgeschlossen haben, wie die WKStA in ihrer Anklageschrift ausführt. Im Juli desselben Jahres soll der BVT-Abteilungsleiter gegenüber dem damaligen BFA-Direktor eine Gefährdung des syrischen Generals in Frankreich behauptet und diesem einen diesbezüglichen amtlichen Vermerk mit einer "Gefährdungsprognose" übergeben haben. Dabei wusste er – so jedenfalls der Vorwurf der WKStA –, dass diese ungeprüfte Behauptung "ausschließlich dazu dienen sollte, die zur Plausibilisierung der beabsichtigten Einreise des Generals in Österreich angegebene Gefährdung" zu untermauern. In weiterer Folge sei der Mann nach Österreich verbracht und bei der Stellung eines Asylantrags unterstützt worden, wobei "unter Vorspiegelung falscher Tatsachen" ein Asylantrag gestellt wurde.

Mit der konkreten Planung und operativen Umsetzung des Ganzen soll Martin W. der WKStA zufolge per rechtswidrige Weisung den ihm untergebenen damaligen Leiter des Referats Nachrichtendienst-Proliferation Bernhard P. betraut haben. Laut Anklage wurde der Offizier des syrischen Staatssicherheitsdienstes und Leiter eines von diesem Dienst geführten Gefängnisses am 13. Juni 2015 vom BVT an der österreichischen Grenze in Empfang genommen, mit einem Dienstfahrzeug nach Wien chauffiert und in ein Quartier gebracht. Bereits zwei Tage später stellte der General in der Erstaufnahmestelle Ost Traiskirchen einen – vorbereiteten – Asylantrag.

Syrischer General bestreitet Vorwürfe

Darüber hinaus wird in der Hauptverhandlung auch zu klären sein, ob die Angeklagten die Republik Österreich in ihrem Recht auf strafrechtliche Verfolgung des Generals geschädigt haben. Davon geht die WKStA aus. Sie unterstellt den früheren BVT-Spitzenbeamten, ihrer Berichtspflicht an die Staatsanwaltschaft hinsichtlich des tatsächlichen Aufenthalts sowie der Identität des syrischen Generals nicht nachgekommen zu sein. Vor allem sollen sie es von September 2016 bis Jänner 2017 unterlassen haben, die Angaben eines Zeugen weiterzuleiten, der in dem syrischen Gefängnis, das der Asylwerber geleitet hatte, als Vernehmer tätig war.

Mittlerweile – und das schon länger – ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien in Bezug auf Vorgänge in dem syrischen Gefängnis gegen den General, wobei die Ermittlungen wegen Verdachts auf Beteiligung an Körperverletzungen noch nicht abgeschlossen sind, wie der Anwalt des Mannes am Dienstagnachmittag gegenüber der APA erklärte. Die Medienstelle der Staatsanwaltschaft war vorerst nicht erreichbar. Sein Mandant bestreite, an Folterungen beteiligt gewesen zu sein oder diese beauftragt zu haben. Der Verdächtige kooperiere "umfänglich" mit den Strafverfolgungsbehörden und stünde "selbstverständlich jederzeit für Einvernahmen zur Verfügung". Der Mann halte sich in Österreich auf, den maßgeblichen Stellen sei sein Aufenthaltsort bekannt, sagte der Anwalt. Sollte er für die Verhandlung gegen die früheren Verfassungsschützer als Zeuge benötigt werden, "wird er natürlich erscheinen".

Prozedere bei der Hauptverhandlung

Für die anstehende Hauptverhandlung wurde vom Landesgericht ein Film- und Fotografierverbot verhängt, wie die Gerichtssprecherin ergänzend mitteilte. Abzuwarten bleibt auch, inwieweit Teile der Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden werden. Es ist wohl davon auszugehen, dass Details der "Kooperationsvereinbarung" mit dem Mossad nicht coram publico erörtert werden.

Der Verfassungsschutz wurde in Österreich inzwischen neu aufgestellt. Am 1. Dezember 2021 wurde als Nachfolgerin des BVT die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) installiert. Herzstück der Reform war die Trennung der Bereiche Staatsschutz und Nachrichtendienst. (APA, red, 4.4.2023)