Niemals in Basketballschuhen zu sehen ist Ben Affleck als zenmeisterlicher Nike-Gründer Phil Knight.

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Sportschuhe sind immerwährend im Trend. Angesagt sind derzeit (noch?) die Lauf- und Trekkingtreter der Japaner Asics, der Franzosen Salomon, und auch die superteuren, gelbbesohlten TN’s der US-Marke Nike sieht man häufig an jugendlichen Füßen.

Jede Marke hat eine bestimmte Zielgruppe, ein soziologisches Flair. Während Salomon eher das urbane Hipster-Milieu anspricht, liefern sich Asics und Nike beständig den Kampf um die coolen POC-Vorstadtkids. Ein solches war auch der Basketballer Michael Jordan, der 1984 am Beginn einer legendären Sportlerkarriere stand. Dass Jordan ein Ausnahmetalent war, erkannten die Talentscouts diverser Sportmarken schnell, und sie sputeten sich, um den Athleten für sich zu gewinnen. Nike machte bekanntlich den lukrativen Werbedeal, und die "Air Jordan"-Schuhe überrollten die Welt. Alle coolen Kids mussten in den 1980ern und 1990ern mindestens ein Paar der roten Basketballtreter im Schrank haben, sonst drohte der Reputationsverlust.

Die Geschichte eines Millionen-Deals

Wie es dazu kam, dass Nike wieder cool und Jordan reich wurde, und warum Jordans Mutter daran einen entscheidenden Anteil hatte, erzählt Air, der neue Film von und mit Ben Affleck. Affleck spielt darin den zenmeisterlichen Nike-Gründer Phil Knight, der sich ganz den meditativen Qualitäten des Laufens verschrieben hat und keinerlei Interesse an anderen Sportarten zeigt. Das haben dafür andere, etwa der Basketballfan und Talentscout Sonny Vaccaro, gespielt als schmerbäuchiger Sportmuffel von Affleck-Kumpel Matt Damon.

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Vaccaro erkennt eine Sache, die spätestens seit Jerry Maguire (1996) der heilige Gral des Hollywood-Marketing-Abc geworden ist: Statt auf mehrere, weniger bekannte Spieler zu setzen, sollte man versuchen, einen aufstrebenden, charismatischen Topathleten für ein hochgradig distinktives und personalisiertes Produkt zu finden. Die Wahl fällt auf Michael Jordan, der alles mitbringt, was eine Werbefigur haben muss: Talent, Charisma, Coolness.

Michael Jordan's Mama Deloris

Und da beginnt schon das Werben um Jordan, der im Film lediglich als schweigsame Silhouette zu sehen ist. Da dessen cholerischer Manager (Chris Messina) Sonny Vaccaro den Zugang blockiert, stattet dieser Jordans Mutter Deloris (Viola Davis) einen Hausbesuch ab. Ein Foul Play, das sich später als entscheidender Trumpf vom "Nike-David" im Kampf gegen die Basketball-Goliaths Adidas und Converse herausstellt.

Talentsucher Sonny (Matt Damon) mit Basketball-Mama Deloris Jordan (Viola Davis)
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Dass Adidas die ungemütliche Energie eines Nazi-Familienunternehmens (mit Barbara Sukowa als Matriarchin) versprüht und die Chefetage von Converse allzu sehr nach Südstaatenrassisten aussieht, stellt sich als weiterer Vorteil heraus, denn die afroamerikanische Familie Jordan wirkt hier in jeder Hinsicht wie ein Fremdkörper.

Zum Glück hat die weiße Buberlpartie von Nike mit Howard White (Rush Hour-Veteran Chris Tucker) zumindest einen afroamerikanischen Talentscout. Tucker spielt die Rolle des Quotenschwarzen wie eine Karikatur, die ihren Zweck erfüllt: Das Eis zwischen der gestreng verhandelnden Jordan-Mutter Deloris und den Nike-Boys ist gebrochen, und nachdem Vaccaro die obligatorische leidenschaftliche Rede (nach dem Vorbild von "I Have a Dream") gehalten hat, kommt es nur noch auf den lukrativsten Deal an.

Wandelnde Marken

Das Schicksal der Schemenhaftigkeit trifft nicht nur Chris Tuckers Rolle. In Air wirkt jede Figur wie eine wandelnde Marke, und das Drehbuch zelebriert die Firmenleitlinien Nikes völlig ironiefrei wie Meilensteine eines des größten Fast-Fashion-Marketing-Coups der Geschichte. Zeitgemäße Bedenken angesichts der Ausbeutung von Arbeits- und Umweltressourcen, die Fast-Fashion-Trends maßgeblich vorantreiben, fehlen völlig. Nur am Rande wird erwähnt, dass das sich uramerikanisch gebende Nike die Produktion bereits nach Südostasien ausgelagert hat. Von den Errungenschaften des globalen Kapitalismus und des amerikanischen Traums künden stattdessen die mit etlichen Millionensummen gespickten Endtitel.

Ben Affleck mag es Hollywood-konservativ, das ist mit Blick auf seine Regiearbeiten nichts Neues. In Air äußert sich die Liebe zum Genrefilm der alten Schule nicht nur in der geradlinigen David-gegen-Goliath-Erfolgsstory und im 1990er-All-Star-Cast, sondern auch in der altbekannten 1980er-Werbenostalgie und einem obligaten, medleyartigen Soundtrack inklusive Springsteen und Dire Straits. Dass Filme nach diesen Rezept an den Kinokassen bestens funktionieren, hat Top Gun Maverick letztes Jahr vorgemacht. Air tritt nun in dieselben, schon recht ausgetretenen, Fußstapfen. (Valerie Dirk, 5.4.2023)