Der Fokus der deutschen Sammlung liegt auf Werken der Klassischen Moderne, darunter auch "Mystischer Kopf: Rabenflügel I (Lotte Bara)" des Expressionisten Alexej Jawlensky.

Foto: Philipp Schönborn

Der Sammler ist in Transparentfolie eingewickelt und gut verschnürt. Das Lächeln des Brillenträgers wirkt verschmitzt, über seinem Kopf steht das Wort "Fortune" geschrieben. Ja, zu enormem Reichtum hat es der Schraubenunternehmer Reinhold Würth gebracht, geschätztes Vermögen 28 Milliarden Euro. Der fünftreichste Deutsche hat damit rund 19.000 Kunstwerke erworben, darunter viele des Verpackungskünstlers Christo, der sich mit einem originellen Porträt bedankte.

Das Wickelbild hängt nun in der Schau Amazing. The Würth Collection im Leopold-Museum. Museumsleiter Hans-Peter Wipplinger hat damit nach WOW! The Heidi Horten Collection 2018 wieder einen dicken Fisch an Land gezogen. Die finanzielle Abfederung ist zwar weniger stark als bei Horten – sie zahlte Produktion, Katalog und Eintritte –, aber immer noch beachtlich.

Milliardär und Sammler

"Allein hätten wir diese Schau nie schultern können", sagt Wipplinger. Geld sei keines geflossen, aber dank des Leihgebers bewegen sich die Versicherungen für Munch, Picasso und Co "im Promillebereich". Außerdem ersparte man sich Transportkosten, da man die ausgewählten Werke der Sammlung aus 15 Dependancen zum Stammsitz holte. Dazu zählen das Museum Würth (samt Neuanbau von David Chipperfield), die Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall und die Johanniterkirche mit Schätzen wie Hans Holbeins Schutzmantelmadonna.

Der 1935 geborene Selfmademilliardär ist ein Sammler alter Schule, der in erster Linie kauft, was ihm gefällt – und davon dann üppig. So zählt seine Sammlung 140 Christos, aber auch 100 Werke von Bildhauer Alfred Hrdlicka, denn der Kapitalist diskutierte gerne mit dem Wiener Marxisten. Die heimische Kunst ist generell gut vertreten. Kein Zufall: Würth hat einen Wohnsitz in Salzburg und nahm nach einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung 2010 die österreichische Staatsbürgerschaft zur deutschen hinzu.

Auch Fades

Der Rundgang startet mit Max Liebermanns idyllischen Parkansichten aus dem Berlin der 1920er-Jahre, besticht mit Edvard Munchs Rotschopf Vampir oder Piet Mondrians Mädchen aus Zeeland von 1909, ehe er im blauen Max-Beckmann-Saal seinen ersten Höhepunkt erlebt. Dessen Selbstbildnis gelb-rosa ersteigerte Würth zwar 2022 zum Rekordpreis von 20 Millionen Euro, es wurde aber noch nicht einmal in Deutschland ausgestellt. Dafür schmückt Beckmanns schmissiges Bild Quappi in Blau im Boot Katalog und Plakate.

Sitzende Frau im Lehnstuhl nannte Picasso, der heuer 50 Jahre tot ist, ein eher fades Bildnis. Da steht sein Mann mit Schwert von 1969 schon besser im Saft. Überhaupt, die "Kraftlackln": Während die Großformate von Georg Baselitz, Anselm Kiefer oder Fernando Botero ganze Säle füllen, stammen unter den 200 Leihgaben gerade einmal sechs Gemälde von Künstlerinnen. Ein Missstand, der wohl mehr dem Sammler als dem Kurator anzukreiden ist.

Künftige Kategorien: WTF?

Auch wenn die Liste berühmter Namen lang ist, oft erwarb Würth die Avantgardisten erst nach 1945, als sie sich schon selbst zitierten. Besonders lohnen die Kapitel mit den biomorphen Skulpturen von Jean Arp, mit Sonia Delauneys Abstraktionen und den Gemälden von Max Ernst. Ein tolles Teil ist die Plattform, auf der sich 10 Figuren zum Triadischen Ballett von Oskar Schlemmer im Kreis drehen. Der Bauhäusler schnitt die Figuren seines experimentellen Tanztheaters 1935 mit der Laubsäge aus und bemalte ihre futuristischen Kostüme.

Immer wieder wirkt die umfassende Schau aber konfus, etwa wenn im Atrium ein Selbstporträt Rudolf Hausners auf eine konkave Schalenskulptur von Anish Kapoor trifft. Häh? Dafür könnte einem vor Gerhard Richters Gemälde Villa S. – Haus Sohl mit seiner verwischten Dämmerungsaura sehr wohl ein "Amazing!" entfahren.

Doch was sind das für Kategorien? Sollen die Sammlungen steinreicher Unternehmer in (semi)öffentlichen Institutionen einfach so abgefeiert werden? Angesichts der mangelnden Diversität könnten die Vorschläge für zukünftige Ausstellungstitel bald von "OMG!" ("Oh my God!") in Richtung "WTF?" ("What the fuck?") tendieren. (Nicole Scheyerer, 5.4.2023)