Es ist ein Heimspiel nach 24 Stunden in feindlicher Umgebung – und es wäre eine gute Gelegenheit, sich nach einem beispiellosen juristischen Showdown als Sieger zu präsentieren. Donald Trump ist unmittelbar nach seiner Anklage in New York am Dienstag zurück nach Florida geflogen, wo einige hundert ausgesuchte Gäste im pseudobarocken Ballsaal seines Luxusanwesens Mar-a-Lago auf ihr Idol warten.

Nur 25 Minuten dauerte die Rede von Donald Trump am Dienstagabend.
Foto: REUTERS / MARCO BELLO

Eigentlich scheint der Trip nach New York aus Trumps Sicht nicht schlecht gelaufen zu sein: die Medien hatten seit dem Wochenende kein anderes Thema, die ganze Welt scheint sich um ihn zu drehen, sagenhafte zehn Millionen Dollar Spendeneinnahmen sind geflossen, nützliche Bilder für künftige Wahlkampfkampagnen entstanden – und die Anklageschrift von Alvin Bragg, dem Bezirksstaatsanwalt von Manhattan, wirkt so mager, dass die Experten beim linksliberalen Sender CNN ihre Enttäuschung nicht verbergen können.

Trump ist in 34 Punkten wegen der Fälschung von Geschäftsunterlagen angeklagt worden. Bei der Anklageverlesung in New York plädierte Trump in allen Punkten auf nicht schuldig
AFP

Trump beteuert Unschuld

Aber als Trump um kurz nach 20 Uhr (Mittwoch, 2 Uhr MESZ) ans Rednerpult tritt, ist er noch bitterer als bei seinen üblichen Auftritten. Ohne Begrüßung und Einleitung listet er gleich auf, wie ihm seit den ersten Mutmaßungen über eine Russland-Connection in zwei Impeachment-Verfahren angeblich Unrecht getan, dann vorgeblich der Wahlsieg gestohlen wurde und nun seine neuerliche Kandidatur von der Justiz sabotiert werden solle. Voller Groll beschreibt sich Trump als Opfer, betont, dass er keinerlei Verbrechen begangen habe, und wütet gegen Präsident Joe Biden.

Trumps Gesicht ist aufgedunsen, seine Haare sind zerzaust. So sehr das New Yorker Verfahren dem Politiker an der rechten Basis paradoxerweise zu helfen scheint, so sehr hat es dem Ego des Narzissten zugesetzt. Schon auf den Bildern im Gerichtssaal hatte der 76-Jährige angespannt und irgendwie getroffen ausgesehen. Staatsanwalt Alvin Bragg habe mit seiner politisch motivierten Attacke Trumps Wahlsieg 2024 gesichert, hatte Stunden zuvor dessen rechtsradikale Leibgardistin Marjorie Taylor Greene triumphierend verkündet. Doch der Ex-Präsident wirkt gar nicht glücklich. Eine "sehr schwarze Wolke" hänge über dem Land, sagt er zum Abschluss seines mit 25 Minuten ungewöhnlich kurzen Vortrags.

Proteste blieben aus

Die widersprüchlichen Signale passen irgendwie zu einem Tag, der mit der ersten Anklage eines Ex-Präsidenten zweifelsohne historisch war, im Grunde aber niemand zufriedenstellen kann: die Republikaner nicht, weil ihr De-facto-Parteiführer sich nun vor Gericht verteidigen muss. Aber auch die Demokraten nicht, weil der Demokratieverächter Trump nicht etwa wegen der versuchten Manipulation der Wahl oder des Putschversuchs vom Jänner 2021 belangt werden soll, sondern wegen Schweigegeldzahlungen im Zusammenhang mit Sex-Affären. Entgegen den seit Tagen in linksliberalen Medien geschürten Erwartungen legte Bragg in seiner Anklage auch kein überraschendes, zusätzliches Belastungsmaterial vor.

Der Tag hatte vor dem Gericht im Süden Manhattans mit einem kleinen Kräftemessen beider Lager begonnen. Trump-Gegner und Trump-Unterstützer hatten dort zu zwei Demonstrationen aufgerufen, die jedoch beide keinen großen Zulauf hatten. Zeitweise schienen in dem kleinen Park gegenüber des Justizgebäudes mehr Reporter als Protestler unterwegs zu sein. Immerhin waren das Megafon der Trump-Fans so schlecht und die Zwischenrufe der Gegendemonstrationen so laut, dass Marjorie Greene einen desaströsen Auftritt hatte und nach nur zehn Minuten die Szene fluchtartig verließ.

Um 13.20 Uhr rollte dann die Kolonne mehrerer schwarzer SUV mit Trump an. Der Ex-Präsident winkte kurz, bevor er durch einen Seiteneingang zunächst ins Büro des Staatsanwalts im siebten Stock fuhr. Dort wurden ihm Fingerabdrücke abgenommen. Auf den sonst üblichen "Mug Shot", eine Art Fahndungsfoto, verzichtete die Behörde jedoch.

Prozess im Jänner 2024

Nach der vorübergehenden Festnahme ging es vom Büro der Ermittler mit dem für Richter reservierten Aufzug zum Gerichtssaal in der 15. Etage. Entgegen seiner vorherigen Ankündigung gab Trump auf dem dortigen Flur keinerlei Erklärungen ab. Die Anklageverlesung hinter verschlossenen Türen dauerte dann länger als üblich. Was Richter Juan Merchan mit Trump und seinen Anwälten besprach, ist nicht ganz klar. Jedenfalls durfte der prominente Kurzzeithäftling – während seines Aufenthalts im Gebäude war Trump tatsächlich kein freier US-Bürger – das Gericht eine Stunde später wieder verlassen.

Die nächste Anhörung wurde erst auf den 4. Dezember festgesetzt. Im Jänner 2024 soll nach den Vorstellungen von Merchan die Hauptverhandlung losgehen – genau dann aber beginnen die Vorwahlen zur Präsidentschaftswahl 2024. Trump wird sich nicht nur gegen parteiinterne Kandidaten durchsetzen müssen, sondern muss dann auch einen Prozess ausfechten, der wiederholte Anwesenheit in New York erfordern wird.

Finsterer Blick, kein Statement: Donald Trump im Gerichtsgebäude.
Foto: Imago / UPI Photo

Das Timing dürften Trumps Anwälte nun mit allen Mitteln zu verhindern oder mindestens noch weiter zu verzögern versuchen. Sie haben schon Eingaben angekündigt. "Die Anklage hat keinerlei Substanz", sagte Trumps Anwalt Joe Tacopina. "Wenn dieser Mann nicht Donald Trump hieße, wären wir nicht hier." Bei der Befragung durch den Staatsanwalt hatte der Ex-Präsident denn auch auf nicht schuldig plädiert.

Schweigegeldzahlungen

Im Kern wirft die Staatsanwaltschaft Trump vor, durch Schweigegeldzahlungen systematisch das Bekanntwerden von Affären unterdrückt zu haben, die ihm politisch schaden könnten. Dabei geht es vor allem um die Pornodarstellerin Stormy Daniels (mit zivilem Namen Stephanie Clifford), die 130.000 Dollar erhielt, aber auch das Ex-"Playboy"-Model Karen McDougal, der die Rechte an ihrer Story für 150.000 Dollar abgekauft wurden, und einen ehemaligen Portier im Trump Tower, der von einem unehelichen Sohn Trumps berichtete und dessen weiteres Schweigen mit 30.000 Dollar bedacht wurde.

Schweigegeldzahlungen sind in den USA nicht illegal. Allerdings soll Trump die Geldflüsse in 34 Fällen falsch verbucht haben. Das wäre ein Vergehen. Zur Straftat wird der Vorgang erst, weil Bragg unterstellt, dass Trump dadurch eine andere Straftat (möglicherweise einen Verstoß gegen bundesstaatliche Kampagnenfinanzierungsgesetze) vertuschen wollte.

Das juristisch nachzuweisen ist nicht einfach. Es für die Öffentlichkeit überzeugend zu kommunizieren, dürfte noch schwieriger werden – zumal Trump zum frontalen kommunikativen Gegenangriff übergeht. Bei der Anklageeröffnung soll ihn Richter Merchan ausdrücklich ermahnt haben, von aufwiegelnden Äußerungen, die auf der Straße zu Unruhen führen könnten, abzusehen.

Am Abend in Florida macht aber der Ex-Präsident überdeutlich, was er davon hält: Sonderermittler Jack Smith, der in einem weiteren Verfahren – wegen des Putschversuchs im US-Kapitol am 6. Jänner 2021 – gegen Trump ermittelt, nennt er einen "Verrückten". Die afroamerikanische Staatsanwältin Fani Willis, die in Georgia Trumps Versuch der Stimmenmanipulation untersucht, diffamiert er als "Rassistin". Und den New Yorker Staatsanwalt Bragg, mit dem er erst Stunden zuvor zusammengesessen ist, bezeichnet er als "Kriminellen": "Er sollte angeklagt werden, nicht ich." (Karl Doemens aus New York, 5.4.2023)