Foto: Getty/Yuri Arcurs

Als am 7. April 2003 die erste Ausgabe von "Forschung Spezial" erschien, waren wöchentliche Wissenschaftsbeilagen in Österreich noch eher eine Rarität. 20 Jahre später wird der Wissenschaftsberichterstattung in österreichischen Medien deutlich mehr Platz eingeräumt, und sie erreicht heute ungleich mehr Menschen als damals.

Nicht nur die Berichterstattung, auch die Wissenschaft selbst hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten fundamental verändert. Rückblickend auf die großen Wissenschaftsthemen von 2003 zeigt sich, wie rasant unser Wissensstand seither gewachsen ist. Beispielsweise sind in jenem Jahr mehrere bahnbrechende astronomische Arbeiten erschienen, die letztlich einen wesentlichen Beitrag zum Nachweis des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße lieferten. Darunter war auch eine Arbeit der US-Astronomin Andrea Ghez, für die sie 2020 schließlich mit dem Physiknobelpreis ausgezeichnet wurde.

Schwarzes Herz der Galaxie

Inzwischen haben wir nicht nur ein Foto dieses Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße, auch ist unser Verständnis davon stark gewachsen, wie sehr diese massereichen, mysteriösen Objekte die Entwicklungen von Galaxien prägen. Es sind letztlich auch diese schwarzen Herzen, durch die Galaxien überhaupt zusammengehalten werden. Schwarze Löcher haben aber noch längst nicht all ihre Geheimnisse preisgegeben. Nobelpreisträgerin Ghez geht davon aus, dass diese faszinierenden Objekte uns noch lange zum Staunen bringen werden – und dabei helfen können, unser Verständnis vom Universum weiterzuentwickeln. Ghez war zuletzt auch an Entdeckungen beteiligt, die den aktuellen astronomischen Theorien widersprechen.

Was Schwarze Löcher angeht, hat sich unser Wissen seit 2003 also enorm vergrößert. In anderen Bereichen ist es aber ein wenig erschreckend, wie vertraut so manches Problem der Forschung erscheint, dass schon vor zwei Dekaden Schlagzeilen machte: So erreichte die Sars-Pandemie im März 2003 ihren Höhepunkt, die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnete die Lungenerkrankung damals als "die erste schwere ansteckende neue Krankheit im 21. Jahrhundert".

Gesteigerte Aufmerksamkeit

Im April 2003 gelang es Wissenschaftern schließlich, den Ursprung der Pandemie in Südchina zu identifizieren. Natürlich wissen wir heute ungleich mehr über Coronaviren als damals, aber dennoch kommt man 20 Jahre und eine weitere Pandemie später kaum umhin, sich zu fragen: Hätten wir nach Sars-CoV-1 nicht besser auf Sars-CoV-2 vorbereitet sein können?

Eine der wenigen positiven Auswirkungen der Pandemie war, dass sie den Stellenwert von Wissenschaft und Wissenschaftsberichterstattung einer breiten Öffentlichkeit deutlich gemacht hat. Die gesteigerte Aufmerksamkeit brachte Forschenden aber auch Hass und Häme ein. Verschwörungsmythen verbreiteten sich viral, und die Wissenschaft wurde vielfach zum Sündenbock erklärt.

Dem lag oft auch ein fundamentales Missverständnis darüber zugrunde, wie Wissenschaft funktioniert, was sie leisten kann – und wo ihre Grenzen liegen. So ist immer wieder zu bemerken, dass Anhänger von Verschwörungsmythen der irrtümlichen Annahme aufsitzen, dass Wissenschaft für sich beansprucht, die Wahrheit zu kennen. Daher wird es Forscherinnen und Forschern häufig als Schwäche ausgelegt, wenn sie frühere Ergebnisse später revidieren. Viel Aufregung gab es in der Pandemie etwa um divergierende Aussagen zur Wirksamkeit von Masken – insbesondere zu Beginn der Corona-Krise.

Geduld mit Komplexität

Dabei liegt die Stärke von Wissenschaft genau darin, nicht dogmatisch an alten Denkmustern festzuhalten: Die Wissenschaft kann niemals die Wahrheit hervorbringen. Es liegt im Wesen von Wissensgewinn, alte Einsichten immer wieder über Bord zu werfen und durch neue, bessere, korrektere und präzisere Erkenntnisse zu ersetzen.

Geduld mit der Komplexität wissenschaftlicher Zusammenhänge werden auch die kommenden Jahre erfordern, wenn es darum geht, der vom Menschen verursachten Erderwärmung entgegenzutreten und sich an schon jetzt unvermeidbare Klimaänderungen anzupassen.

Klimawandel, Artensterben und Chancen wie Risiken von künstlicher Intelligenz stellen sowohl die Wissenschaft wie auch die Gesellschaft vor enorme Herausforderungen. Wie wir diesen zukunftsweisenden Themen künftig begegnen werden, ist entscheidend. Je mehr Menschen über ein grundlegendes Verständnis der komplexen Phänomene verfügen, desto breiter und demokratischer kann die Diskussion darüber geführt werden.

Perfektes Pissoir

Nicht zuletzt eröffnet uns die Wissenschaft gerade in schwierigen Zeiten immer wieder Verschnaufpausen, ihre Erkenntnisse lassen uns bisweilen schmunzeln oder staunen: wenn etwa Putzerfische dabei beobachtet werden, wie sie sich im Spiegel erkennen, oder Fluidphysiker ein perfektes Pissoir designen.

Das 20-jährige Jubiläum von "Forschung Spezial" wird darüber hinaus auch durch den neuen Podcast "Rätsel der Wissenschaft" begleitet – ab sofort erscheint jeden Mittwoch eine neue Folge. (Tanja Traxler, 7.4.2023)