Kronprinz Mohammed bin Salman (rechts) empfing Präsident Abdelfattah al-Sisi am Sonntagabend in Jeddah.

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In einem Ramadan in Ägypten, in dem leistbare Lebensmittel knapp sind, können sich die Menschen im Fernsehen allerhand Nützliches anschauen: zum Beispiel den berühmten Präsentator, der vor laufender Kamera eines der brasilianischen Importtiefkühlhühner verspeist, über deren Qualität auf Social Media so geschimpft wird. Ein anderer versichert, dass Pferdefleisch eigentlich eine Pariser Delikatesse sei – auch gegen Esel sei nichts einzuwenden –, ein anderer mahnt, mit dem Jammern aufzuhören, denn die Krise gebe es weltweit.

Nicht in Saudi-Arabien, zumindest nicht für das Gros der Bevölkerung. Am Sonntagabend reiste Ägyptens Präsident Abdelfattah al-Sisi überraschend nach Jeddah, um Kronprinz Mohammed bin Salman zu treffen. Der Besuch wird mit Ägyptens galoppierender Wirtschafts- und Finanzkrise in Zusammenhang gebracht. Mark Twains The Prince and the Pauper (Der Prinz und der Bettelknabe) liegt nahe – wofür man in Ägypten jedoch echten Ärger mit den Behörden riskieren würde. Im Februar gab es mehrere Verhaftungen wegen parodistischer Videos. Die Ägypter sind begnadete Satiriker, das hat in dem Land eine große Tradition. Aber der Staat versteht keinen Spaß mehr.

Das ägyptische Pfund wurde im Vorjahr mehrmals abgewertet, Devisenknappheit und verteuerte Produktion im Inland führen zur Verknappung von Gütern. Das Vorhandene ist durch die Rekordinflation für viele zu teuer. Die Regierung hat für den Ramadan stützende Maßnahmen getroffen und fördert private Wohlfahrt – aber es reicht nicht.

Too big to fail

Bisher galt Ägypten, dessen Verschuldung sich seit 2011, dem Sturz von Hosni Mubarak, mehr als vervierfacht hat, als "too big to fail". Nachdem Sisi 2013 die Muslimbrüder von der Macht verdrängt hatte, bekam er sofort finanzielle Unterstützung aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Laut New York Times haben die Saudis von 2013 bis 2020 46 Milliarden US-Dollar (42 Milliarden Euro) dort gelassen. Auch im Vorjahr wurden wieder fünf Milliarden in der Zentralbank deponiert.

Aber die Saudis sagen inzwischen ziemlich offen, dass sie Ägypten als Fass ohne Boden betrachten – und keine Blankoschecks mehr ausstellen. Sie wollen strategisch investieren. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos machte der saudische Finanzminister Mohammed al-Jaddan Schlagzeilen, als er, ohne Ägypten zu nennen, sagte, dass die Zeit der saudischen Finanzhilfen vorbei sei. Ägyptische Medien reagierten beleidigt oder sogar, wie der Chefredakteur von Al Gomhuria, mit blankem Rassismus. Sein Kommentar, in dem er die Saudis "nackte barfüßige Flegel" nannte, verschwand zwar wieder. Aber das Verhältnis war schon einmal besser.

Sisi ließ sich anfangs gern mit Präsident Gamal Abdel Nasser vergleichen und versprach, Ägypten zur alten Größe zurückzuführen. Stattdessen haben jetzt ganz klar die Saudis das Sagen in der arabischen Welt. Für ihr Geld, das sie weiterverteilen – etwa auch an die Türkei, auch Pakistan springen sie erneut bei –, wollen sie politischen und wirtschaftlichen Einfluss.

Ausverkauf des Staates

Im Fall Ägypten drängt Saudi-Arabien auch darauf, endlich die Inseln Tiran und Sanafir am Golf von Aqaba zu bekommen. Die Übergabe lässt trotz Parlamentsbeschlusses 2017 auf sich warten. Sisi wird implizit unterstellt, dass er die Inseln als Druckmittel benützt. Aber die Ägypter schimpfen, dass die Saudis ihre Lage ausnützen und den Staat aufkaufen. So wie es 2012, unter dem Muslimbruderpräsidenten Mohammed Morsi, Katar tat.

Für Sisis Wirtschaftspolitik wurde bereits der Terminus "Sisinomics" geprägt: ein auf Schulden bauender militarisierter Kapitalismus, ein Rentierstaat ohne Renten. Der große Profiteur war das Militär, das mit absurden Megaprojekten betraut wurde. Diese Politik zu revidieren ginge auf Kosten des Riesenunternehmens Armee und ist auch politisch gar nicht so einfach. Die verlangte Privatisierung stockt bereits in ihren Anfängen, und ohne Stützungen – auch sie hat der Internationale Währungsfonds im Visier – rutschen immer mehr Menschen unter die Armutsgrenze. Bei einer Bevölkerung von derzeit geschätzt 107 Millionen sind das eine Menge. In Europa schaut man besorgt auf die Migrationszahlen.

Für Mohammed bin Salman heißt es indes "Saudis first": Der radikale wirtschaftliche und soziale Umbau Saudi-Arabiens ist im Gange. Dazu muss man aufs Geld schauen. Auch außenpolitisch geht Saudi-Arabien neue Wege, ohne den alten Verbündeten USA. Das auch die zweite Entscheidung, die Ölproduktion zu reduzieren, im Rahmen der Opec+ gezeigt. Am Donnerstag treffen sich in Peking der saudische und der iranische Außenminister. Auch mit Syriens Bashar al-Assad ist Saudi-Arabien auf Normalisierungskurs. Das gilt jedoch auch für Ägypten. (Gudrun Harrer, 6.4.2023)