Goldman Sachs hat gefragt, Versicherer geantwortet: Die Experten gehen von einer US-Rezession aus und von einer längeren Phase der Inflation.

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Das Umfeld aus Teuerung und Zinsanstiegen stellt auch Versicherungen vor eine neue Situation. Wie die Häuser damit umgehen, hat Goldman Sachs Asset Management in der Umfrage "Balancing with Yield on the Inflationary Tightrope" erhoben. 343 Chief Investment Officer (CIOs) und Chief Financial Officer (CFOs) von Versicherungsunternehmen, die zusammen mehr als 13 Billionen US-Dollar des weltweiten Bilanzvermögens repräsentieren, wurden Anfang Februar um ihre Einschätzung gebeten.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Versicherer von einer Abnahme der Kreditqualität und einer bevorstehenden Rezession in den USA ausgehen. Sie wenden sich verstärkt dem Fixed-Income-Bereich zu und streben eine höhere Duration (Dauer; eine Kennzahl zur Risikobeurteilung von Anleihen) und Kreditrisiko an. Erstmals bewerteten Versicherer die steigenden Renditechancen im aktuellen Umfeld als wichtigsten Faktor für ihre Anlageentscheidungen (68 Prozent). Ihr Anteil ist nahezu dreimal so hoch wie der Prozentsatz derjenigen, die aufgrund ihrer Bedenken hinsichtlich Kapitalverlust oder Kreditausfällen ihr Risiko aktuell reduzieren (25 Prozent).

Marktrisiko steuern

"Angesichts der hohen Inflation, der zunehmenden geopolitischen Spannungen und der Auswirkungen der geldpolitischen Straffung versuchen Versicherungsunternehmen, von den höheren Zinsen zu profitieren und gleichzeitig ihr Marktrisiko zu steuern", sagt Matt Armas, Global Head of Insurance Asset Management bei Goldman Sachs Asset Management. Die Ergebnisse würden zeigen, dass der Wiederaufbau der Renditen über ein ausgewogenes Verhältnis von Duration und hochwertigen Anleihenchancen erfolge.

Mehr als die Hälfte der weltweit tätigen Versicherer (51 Prozent) planen, ihre Allokation in Private Assets in den kommenden zwölf Monaten zu erhöhen. Unter allen Anlageklassen wollen Versicherungen im Laufe des nächsten Jahres ihre Allokation vor allem in privaten Unternehmensanleihen (41 Prozent) erhöhen. 29 Prozent der Befragten planen, den Anteil ihres Engagements in Private Equity zu steigern, 28 Prozent setzen vermehrt auf Infrastrukturfinanzierungen und Infrastrukturanleihen.

Inflation wird bleiben

Die Hoffnung auf eine temporäre Inflation schwindet: 81 Prozent der befragten Versicherer gehen davon aus, dass die Teuerung mittelfristig (zwei bis fünf Jahre) oder gar langfristig (fünf bis zehn Jahre) andauern wird. Als wichtigster Treiber für den strukturellen Anstieg der Inflation wird die Deglobalisierung (44 Prozent) genannt, gefolgt von der Energiekrise (33 Prozent). Das steigende Zinsumfeld sehen viele Versicherer als Chance, bei Neuanlagen im Rentenbereich attraktive risikoadjustierte Renditen für die Versicherungsnehmer zu erzielen.

ESG-Faktoren (Umwelt, Soziales und Governance) bestimmen auch weiterhin die Portfolioentscheidungen. 90 Prozent der Befragten berücksichtigen diese Faktoren während des gesamten Anlageprozesses. Europäische Versicherer planen in den nächsten zwölf Monaten zusätzliche Investments im Bereich der Green oder Impact Bonds.

Keine Storno-Welle

Die Veränderungen auf der Kundenseite mit den gestiegenen Lebenskosten wirken sich auf die Versicherer noch nicht wirklich aus. "Bei Lebensversicherungsklienten in Deutschland und Österreich beobachten wir im historischen Vergleich weiterhin sehr niedrige und stabile Stornoquoten", sagt Volker Anger, Leiter des Bereichs Insurance Asset Management DACH bei Goldman Sachs Asset Management. (Bettina Pfluger, 6.4.2023)