Der Planet stellt viel zur Verfügung – aber die Menschheit nutzt diese Ressourcen so stark, dass sie sich nicht erholen können.

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Österreich lebt auf großem Fuß. Zum Beispiel verbrauchen wir immer mehr Fläche für Infrastruktur, für Straßen, Parkplätze, Häuser, Gewerbegebiete. Jeden Tag werden in Österreich rund 11,5 Hektar Boden versiegelt. Und auch der Flächenverbrauch für importierte Agrarprodukte aus anderen Staaten ist gewaltig. Allein für die Sojafuttermittel, die Österreich im Jahr einkauft, werden laut einer Studie des Forschungsinstituts für biologischen Landbau und der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) mehr als 285.000 Hektar gebraucht – ein Großteil davon in Brasilien, Argentinien und den USA. Dahinter kommt Kakao mit knapp 100.000 Hektar und Kaffee mit mehr als 53.000 Hektar. Insgesamt entspricht die Anbaufläche der Menge an Soja, Kakao, Kaffee, Palmöl, Bananen und Rohrzucker, die Österreich jährlich importiert, elfmal der Fläche von Wien.

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Diesen Flächenverbrauch will die Forschungsorganisation Global Footprint Network thematisieren. Sie berechnet jedes Jahr den sogenannten Earth Overshoot Day. Das ist jener Tag, an dem die Weltbevölkerung – rechnerisch – die Ressourcen der Erde so weit aufgebraucht hat, dass sie sich innerhalb eines Jahres nicht mehr erholen können.

Die Beispiele dazu reichen von Wäldern, die abgeholzt werden, bis hin zu Fischbeständen, die sich nicht mehr regenerieren können. Und auch den CO2-Ausstoß rechnen die Forschenden mit in den ökologischen Fußabdruck. CO2-Emissionen machen in der Rechnung rund 60 Prozent des ökologischen Fußabdrucks aus.

Immer mehr Konsum

Der weltweite Earth Overshoot Day, also das internationale Datum für die ökologische Grenze, fiel im vergangenen Jahr auf den 27. Juli. Danach geht der Verbrauch sozusagen auf ein Schuldenkonto. Österreich erreicht diese Grenze schon sehr viel früher als der globale Schnitt: in diesem Jahr am 6. April. Der Grund dafür ist, dass es mehr CO2 verursacht und mehr Ressourcen verbraucht. Österreichs derzeitiger Verbrauch wäre laut der Forschungsorganisation nur dann nachhaltig, wenn es dafür 3,8 Planeten nutzen könnte.

Noch schneller erschöpfen die USA die Ressourcen, ihr Earth Overshoot Day fiel auf den 13. März. Deutschland landet am 4. Mai, China am 2. Juni.

Hinter dieser Berechnung steht zwar ein vereinfachendes Modell, dennoch zeigt es: Die Ressourcen sind begrenzt – trotzdem verbraucht die Bevölkerung immer mehr. In den 1970ern lag der Earth Overshoot Day noch im Dezember.

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Sechs von neun planetaren Grenzen überschritten

Kurz: Der Earth Overshoot Day will deutlich machen, dass die Menschheit die Erde derzeit stark überbelastet. Ein Forschungsteam des Stockholm Resilience Centre veröffentlichte dazu 2009 ein Konzept, das die sogenannten planetaren Grenzen in neun Bereiche teilt. Seither wird die Darstellung laufend aktualisiert, unter anderem von der Helmholtz-Klima-Initiative. Sie warnt, dass der Artenverlust bereits ein äußerst kritisches Level erreicht hat, ebenso die Verschmutzung durch Chemie und Plastik sowie Stickstoff und Phosphor.

Auch der Klimawandel hat die planetare Grenze überschritten, allerdings noch nicht so weit wie die anderen Bereiche, weil er – zumindest mit viel Engagement – noch abgebremst werden könnte. Passiert das nicht, werden sich auch die anderen Bereiche deutlich weiter verschlechtern. Etwa die Ozeanversauerung: Die Ozeane nehmen rund 90 Prozent der durch den Klimawandel verursachten Wärme auf. Je wärmer sie werden und je mehr CO2 sie aufnehmen, desto saurer werden sie.

Beim Süßwasser gingen Forschende bis vor kurzem davon aus, dass die Belastungsgrenze noch nicht überschritten wurde. Vergangenes Jahr wurde jedoch klar, dass das grüne Wasser – das ist Wasser, das etwa in Pflanzen und im Boden gespeichert ist – zunehmend knapp wird. Beim blauen Wasser – in Flüssen, Seen und dem Grundwasser – liegen wir derzeit noch innerhalb der planetaren Grenze.

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Für ein späteres Datum

Und jetzt? Für Helmut Haberl, Professor für sozialökologischen Stoffwechsel an der Boku, gibt es darauf eine klare Antwort: aktive Klimapolitik. "Ein wesentlicher Treiber für den Overshoot sind die Treibhausgase. Zum Glück kennen wir die Handlungsmöglichkeiten", sagt er. Die Verbrennung fossiler Brennstoffe müsse sinken, ebenso die Flächenversiegelung. Mit entsprechenden politischen Entscheidungen, ergänzt er, könnte der Earth Overshoot Day auf ein späteres Datum geschoben werden. (Alicia Prager, 6.4.2023)