In Zukunft werden wir möglicherweise mit Virtual-Reality-Brillen wie diesen im Bild arbeiten und lernen.
Foto: Getty

Der Chatbot ChatGPT des US-Unternehmens OpenAI sorgt seit November 2022 für Staunen: Der künstlichen Intelligenz gelingt es, geschriebene Unterhaltungen auf einem nahezu menschlichen Niveau zu führen. Nach der Veröffentlichung von ChatGPT meldeten sich innerhalb von fünf Tagen mehr als eine Million Nutzer für den Dienst an.

Was lange Zeit eher nur IT-Fachleuten zugänglich war, wurde damit zum Mainstream: künstliche Intelligenz. An einer österreichischen Fachhochschule wird hingegen bereits seit einiger Zeit an realen Anwendungen von künstlicher Intelligenz geforscht. Das Team Data & Process an der FH Vorarlberg etwa forscht daran, wie künftig Bewerbungsprozesse in Unternehmen mittels Virtual-Reality-Spielen aussehen und die passenden Kandidatinnen und Kandidaten für einen Posten gefunden werden könnten.

Risiken

Erst jetzt gestartet ist ein weiteres Forschungsprojekt der Vorarlberger: Lassen sich durch die Anwendung von Augmented Reality Lernprozesse verbessern – auch weil sie dadurch spielerischer werden? Faktum ist, dass künstliche Intelligenz die Art und Weise, wie wir arbeiten, lernen und lehren, grundlegend verändern wird. So muss es eventuell nicht mehr nötig sein, etwa das Coding zu lernen, sondern wichtiger könnte werden, wie man der KI den richtigen Auftrag für diese Aufgabe erteilt.

KI hat das Potenzial, unser Leben ein Stück weit zu erleichtern. Doch es geht auch um Risikoabschätzungen. Was passiert, wenn ebenjene neuen KIs in die Hände von autokratischen Regimen geraten, wenn sie Propaganda und Fake News verbreiten oder die sogenannten White-Collar-Jobs, also die Arbeit von höheren Angestellten im Büro, in Zukunft verändern, teils abschaffen werden? Es sind Regulierungsfragen, die im Vorfeld noch gelöst werden müssen.

An der FH Vorarlberg wird nun erforscht, wie Virtual-Reality-Brillen in der Lehre und bei der Einschulung von Lehrlingen in Firmen funktionieren kann.
Foto: Getty, shironosov

Forschungsprojekt 1: Lernen mit VR-Brille

Stellen Sie sich vor, Sie müssen einen Motor zusammenbauen. Die Teile liegen vor Ihnen auf dem Tisch, und Sie wissen nicht weiter. "Wie soll ich nur anfangen?" Zum Glück tragen Sie eine Augmented-Reality-Brille. Ein animiertes Bild der ersten Teile und von deren Zusammensetzung taucht auf. Die künstliche Intelligenz (KI) hat Ihnen einen guten Hinweis gegeben. Der erste Schritt ist geschafft.

So oder so ähnlich könnten bald Lernszenarien aussehen. Schwierig dabei ist, dass die KI erkennen muss, an welchem Schritt die interagierende Person gerade ist, welchen Fehler sie gemacht hat – oder dass sie nicht zu viele Infos herausgibt. Muster zu erkennen funktioniert schon jetzt sehr gut. Die Ursache von der Wirkung zu unterscheiden ist noch eine Herausforderung.

"Die KI muss die Situation erkennen und gleichzeitig mit dem Menschen mitlernen", sagt Patrick Jost, Leiter des Forschungsprojekts SimLearn der FH Vorarlberg. Mit April startete dort das fünfjährige Projekt.

KI generiert multiple Choice-Aufgaben

Vorstellbar ist auch, dass die KI die Arbeit der Lehrenden unterstützt. Multiple-Choice-Fragen oder Lerninhalte kann sie schon jetzt generieren. Die wichtige Frage ist dann: Welches Wissen müssen die Studierenden überhaupt noch erwerben und was vielleicht nicht mehr?

"Ist es noch sinnvoll, sich anzueignen, wie man grundlegende Codes schreibt? Oder mehrere Programmiersprachen zu lernen, wenn die KI mit einem Auftrag den Code schreibt", sagt Projektleiter Patrick Jost. Ein Ziel des Forschungsprojekts ist, zusammen mit Betrieben aus der Region in Vorarlberg Lösungen für die Einschulung von Lehrlingen zu finden oder die Arbeit im Produktionsbetrieb mithilfe von Virtual- oder Augmented-Reality-Brillen zu vereinfachen.

"In ein bis zwei Jahren werden wir schon die ersten Ergebnisse und Testläufe in den Betrieben starten", ist sich Patrick Jost sicher. Wichtig sei, dass die Prozesse nicht nur effizienter würden, sondern sie auch Spaß machten. Denn sonst, so Jost, würden die neuen technischen Lösungen vielleicht gar nicht angenommen.

Das abgeschlossene Projekt von Alexander Simons zeigt: Es gibt eine Korrelation zwischen dem Spielerfolg und der Intelligenz.
Foto: Getty, Jacob Ammentorp Lund

Forschungsprojekt 2: Bei der Jobauswahl lustige Spiele spielen

Sind Menschen, die Videospiele schnell durchspielen, intelligenter? Wie sinnvoll sind Virtual-Reality-Spiele bei der Personalauswahl? Diese Frage stellten sich Alexander Simons und sein Forschungsteam an der FH Vorarlberg im Team Data & Process:

"In der Praxis werden VR-Spiele bei der Auswahl von neuem Personal schon angewendet. Wissenschaftliche Erkenntnisse darüber gibt es allerdings bisher nur wenige." Firmen wie BDO oder Accenture in Großbritannien verwenden bereits VR-Spiele in Bewerbungsprozessen.

In einem Experiment beschloss Simons, intellektuelle Fähigkeiten, in diesem Fall Verarbeitungs- und Merkfähigkeit, durch VR-Spiele zu testen. Rund 100 Studierende wurden eingeladen, das Spiel Jobsimulator, ein weithin bekanntes VR-Spiel, zu spielen. In diesem Fall standen die Teilnehmenden in einer virtuellen Küche und mussten Getränke zapfen oder ein Gericht zubereiten.

Wie gut die Teilnehmenden die Aufgaben erledigten, war in dem Fall egal, es ging nur um Schnelligkeit. Danach machten sie einen Intelligenztest, den Berliner Intelligenzstruktur-Test.

Schnell und clever

Tatsächlich konnte eine Korrelation festgestellt werden: Wer schneller im Spiel war, Schnitt auch im Intelligenztest um ein paar Prozentpunkte besser ab.

"Allerdings muss man beachten, dass der Test keinen kausalen Zusammenhang herstellt", betont Alexander Simons. Dass deshalb solche oder ähnliche Tests für den Bewerbungsprozess geeignet sind, sieht er eher skeptisch: "Menschen, die schon häufig mit VR-Spielen in Kontakt kamen, könnten bei solchen Bewerbungsformen im Vorteil sein."

Besonders beliebt sind die Spiele bei den Bewerbern und Bewerberinnen nicht. Im besten Fall sollte es ein Spiel sein, das nur für diesen Firmenbewerbungsprozess kreiert wurde und sonst nirgends zu erwerben ist. Jedes Spiel fordert andere intellektuelle Fähigkeiten. Ob diese durch VR-Spiele aber tatsächlich genau getestet werden können, dafür braucht es noch mehr Forschung. (Natascha Ickert, 14.4.2023)