Das "Bureau am Belvedere" wurde soeben von der Immofinanz an die Real-Treuhand veräußert.

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Rund 4,1 Milliarden Euro wurden noch im Jahr 2022 am österreichischen Immobilienmarkt investiert, doch in dieser Tonart wird es heuer wohl nicht weitergehen. Im ersten Quartal ging das Volumen stark zurück, mit rund 450 Millionen Euro wurden von Jänner bis März um 55 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum 2022 investiert. Der Zehn-Jahres-Schnitt wurde laut einer Aussendung des Immo-Dienstleisters CBRE um 43 Prozent unterschritten. "Österreich liegt hier aber im internationalen Trend", kommentiert Lukas Schwarz, Head of Investment Properties bei CBRE, die Situation.

Käufer warten auf Preisreduktion

Am Markt bewege sich wenig, "Verkäufer sind in vielen Fällen noch nicht bereit, die Preise zu senken – aber genau darauf warten die Käufer". Insbesondere in der zuletzt stärksten Assetklasse, bei den Wohnimmobilien mit mehr als 20 Wohneinheiten, gab es heuer noch kaum Aktivität.

Gefragteste Assetklasse waren somit wieder die Büroimmobilien (51 Prozent). Hier wechselte soeben das "Bureau am Belvedere" seinen Besitzer, die Real-Treuhand erwarb es von der Immofinanz Group. Das vollvermietete Büroobjekt in der Prinz-Eugen-Straße mit rund 9.000 Quadratmetern wurde von EHL Investment Consulting vermittelt (EHL hat dort auch seinen Hauptsitz). Über den Kaufpreis wurde zwischen den Vertragsparteien Stillschweigen vereinbart.

Großtransaktion im Healthcare-Segment

Zweitgefragteste Assetklasse im ersten Quartal war der Healthcare-Sektor mit ca. 24 Prozent, was laut CBRE aber hauptsächlich auf den Verkauf eines Pflegeheim-Portfolios in der Steiermark zurückzuführen war. Drittbeliebtester Sektor war die Logistik mit rund 14 Prozent.

Für die zweite Jahreshälfte erwartet CBRE-Experte Schwarz, dass der Immobilieninvestmentmarkt wieder Fahrt aufnimmt. "Dafür gibt es einige Anzeichen: Die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern nähern sich langsam an, und die Investoren können das Zinsumfeld für ihre Investitionen besser einschätzen."

Finanzierungsgeschäft strauchelt

Bis es so weit ist, leidet aber naturgemäß auch das Geschäft der Immobilienfinanzierungen. In der Erste Group wurde 2022 im Commercial-Real-Estate-Geschäft noch ein Volumen von rund vier Milliarden Euro bewegt, das war mehr als im Schnitt der Jahre zuvor (rund drei Milliarden). Geschäftsbereichsleiter Günther Artner rechnet im Gespräch mit dem STANDARD für heuer mit einem niedrigeren Volumen.

Artner ist seit 2000 in der Erste Group, die meiste Zeit als Aktienanalyst. Seit dem Vorjahr ist er Leiter des Commercial-Real-Estate-Geschäfts der Erste Group und der Erste Bank Österreich.

Energieeffizienz entscheidend

Die Erste Group finanziert laut Artner "kein Projekt mehr, wo wir uns vorher nicht die Energieeffizienz ansehen". Beim gerade boomenden Logistiksegment sei das aber schwierig; beim üblicherweise hohen Bodenverbrauch der Logistikobjekte bleibe die Ökologie oft auf der Strecke – außer es handle sich um sogenannte Brownfield-Entwicklungen, also Projekte auf bereits vorgenutzten Flächen. Solche wären "mit den ESG-Kriterien der EU natürlich besser in Einklang zu bringen als Projekte auf der grünen Wiese".

Logistik boome jedenfalls, der Leerstand liegt meist bei null bis fünf Prozent, das Segment ist mit dem Online-Handel stark gewachsen. Dieses lege zwar nach wie vor zu, aber nicht mehr so stark wie zu Corona-Zeiten. "Es gibt viele Developments, aber irgendwann kommt wohl der Zeitpunkt, wo man schauen muss, ob die alle eine Nachfrage finden", sagt Artner.

"Selektiv" bei Shoppingcentern

Im Retailsegment habe die Stabilität der Fachmarktzentren in der Pandemie wirklich überrascht, sagt der Experte. "Das wird auch so weitergehen." Im Shoppingcenter-Bereich müsse man bei Neu- oder Refinanzierungen aber mittlerweile sehr genau hinschauen, welche Projekte man finanziere. "Da sind wir schon sehr selektiv." Manche Shoppingcenter seien bereits wieder an die Vor-Corona-Besucherzahlen herangekommen, andere noch nicht. Auch die steigenden Kosten werden ein Problem für manche Betreiber werden, so Artner. "Mieterhöhungen können nicht überall weitergegeben werden. Da wird es Kompromisse geben müssen."

Bei Büros würden bestehende Immobilien die größten Fragen aufwerfen. Bei in die Jahre gekommenen Objekten sei die Frage, ob man Leerstand akzeptiere oder ob man Geld in die Hand nehme, um sie zu modernisieren. Und der Trend zur Flächenreduktion sei noch nicht abgeschlossen, gehe in manchen Bereichen vielmehr gerade erst los, sagt Artner.

Hotels lassen Corona hinter sich

Bei Hotels sei man in der Erste Group grundsätzlich offen für neue Finanzierungen, die schwierige Lage während Corona lasse der Sektor gerade hinter sich. "Grüne Projekte sind Hotels aber meistens nicht", spricht Artner ein wichtiges Thema an. Man erarbeite gerade hausintern einen Leitfaden, wie ein "grünes" Hotelprojekt auszusehen hat.

"Wir finanzieren keine Immobilien, die wir uns nicht angesehen haben", nennt Artner als grundlegendes Motto. Viel beschäftigt ist er aber auch mit Refinanzierungen, wenn eine Finanzierung ausläuft und eine neue benötigt wird. Dazu finden gerade intensive Gespräche statt, in denen auch sichergestellt werden soll, "dass ein weiterer Anstieg der Zinsen für den Kunden noch zu stemmen ist".

Refinanzierungen mit Auflagen

Steht eine Refinanzierung an, beginne üblicherweise rund ein Jahr vor dem Ablauf der bisherigen Finanzierung der "Dialog" mit dem Partner. In Neukredite versuche man oft eine "Investitionslinie" einzubauen – dass also der Darlehensnehmer einen Teil der Kreditsumme etwa auch in Energieeffizienz investieren muss. "Man hat nur bei einer Refinanzierung die Möglichkeit, solche Auflagen zu erteilen." Mit Energieeinsparungen von mindestens 30 Prozent können auch Bestandsimmobilien, die die Kriterien ansonsten niemals einhalten würden, als ESG-konform angesehen werden. (Martin Putschögl, 10.4.2023)