Gillian Jacobs als Mary-Jayne Gold, Mila Rigaudon als Aube Breton, Cory Michael Smith als Varian Fry und Amit Rahav als Thomas Lovegrove in der Netflix-Serie "Transatlantic".

Foto: Netflix

Wien / Los Gatos – Der Vater Wolfgang ist der Stammkameramann von Ulrich Seidl. Der Sohn Sebastian hat sich einen Namen hinter der Kamera bei Filmen von Patrick Vollrath gemacht. Bei der Netflix-Serie "Transatlantic", die seit Freitag zu sehen ist, haben die Thalers zum ersten Mal gemeinsam Kamera geführt, was Möglichkeiten ergab, die man so nicht aus Österreich kenne. "Wir haben gestalterische Freiheit genossen", so der Senior im Gespräch mit der APA.

Als die amerikanische Showrunnerin Anna Winger Wolfgang Thaler anrief, weil er schon für "Unorthodox" die Kamera geführt hat, um ihre neue Serie "Transatlantic" zu drehen, hat der renommierte österreichische Kameramann und Regisseur "selbstverständlich" seinen Sohn Sebastian als zweiten Mann für die Episoden fünf bis sieben hinter der Linse vorgeschlagen. "Das ist doch eine große Chance", sagt er.

Ähnlicher Zugang

"Wie der Vater so der Sohn" ist eine gängige Floskel, aber im Fall der Thalers trifft es zu. "Wir haben eigentlich einen sehr ähnlichen Zugang, würde ich behaupten, nur gehöre ich einer alten Generation an, und er ist die junge Generation", erzählt Thaler. "Er ist ein bisschen moderner in seiner Bildsprache, und bei mir ist es ein bisschen gesetzter." Man profitiere gleichermaßen voneinander, tausche Ideen aus und inspiriere sich auch gegenseitig. Ist der Sohn als Bursche noch beim Vater mitgegangen, so ist er ihm heute in manchen Dingen auch einiges voraus. "Die Jugend beherrscht die digitale Welt, da hole ich mir sämtliche Ratschläge auch von Sebastian", so der 65-Jährige.

Der vielfach ausgezeichnete Wolfgang Thaler ist in der österreichischen Filmindustrie fest verankert. Vielen ist er als der Haus-und-Hof-Kameramann von Ulrich Seidl ("Hundstage", "Sparta") bekannt. Mehrfach preisgekrönt ist seine Kino-Dokumentarfilm-Trilogie mit Michael Glawogger "Megacities" (1998), "Workingman's Death" (2005) und "Whores' Glory" (2011). Auch wenn sein Sohn denselben Nachnamen trägt, so hat sich der 36-Jährige inzwischen auch einen ganz eigenen als Kameramann gemacht. Mit Patrick Vollrath hat Sebastian Thaler den für einen Oscar nominierten Kurzfilm "Alles wird gut" (2015) gedreht, ebenso wie Vollraths ersten Spielfilm "7500" (2019). Vergangene Woche erst hat er einen neuen Weihnachtsfilm von Mirjam Unger ("Maikäfer flieg!") gefilmt.

Mit einem Kran über Wasser gleiten

Er und sein Vater haben jetzt zum ersten Mal auf Augenhöhe zusammengearbeitet und das war "wirklich schön", erzählt der Sohn. "Wir arbeiten ja schon lange zusammen, aber es war das erste Mal, wo wir beide beim gleichen Projekt Kamera machen durften, und das war eine ganz andere Erfahrung, als für den Wolfgang zu schwenken oder zu schärfen, wie ich das früher gemacht habe." Es war auch das erste Mal, dass er mit einem Kran über Wasser gleiten und eine spektakuläre Parallelfahrt mit einem Flugzeug machen konnte. "Das würde bei uns in Österreich nicht funktionieren", sagt der Senior beeindruckt über die Drehbedingungen bei der siebenteiligen Serie, die 2022 in Frankreich gefilmt wurde. "Die französische Crew hat uns alles ermöglicht, was wir uns gewünscht haben. Wir haben das sehr genossen."

Er kennt die Bedingungen, die in der Heimat vorherrschen, nur zu gut – und die seien nicht immer ideal. "In Österreich wäre das alles unmöglich, das hat mit Budgetgrenzen zu tun", so Wolfgang Thaler. "Ich habe auch das Gefühl, dass wir Filmschaffende in Österreich unter viel, viel schwierigeren Bedingungen arbeiten müssen, weil das Budget seit Jahren das Gleiche ist und man für seine kreativen Ideen mehr kämpfen muss. In Frankreich hat man eine andere Herangehensweise, es wird vonseiten der Produktion und anderen Departments alles getan, um die visuellen Visionen zu ermöglichen. Das hat definitiv mit Geld zu tun und wirkt sich somit auf optische Gestaltung aus."

In Österreich ändert sich durch neue Filmförderung viel

Es gibt ein französisches Kaffeehaus in der Serie, beschreibt Thaler das Set von "Transatlantic". Die Straßenlaternen waren im echten Leben modern, erzählt er, aber weil die Serie im von den Nazis besetzten Frankreich spielt, hat sie das französische Produktionsteam einfach durch historische ersetzt. Ein ganzes Kino wurde in einem Gebäude in Marseille abgebaut, um das altehrwürdige Splendide Hôtel wieder auferstehen zu lassen. "In Österreich würde Sie jeder Produzent fragen, ob Sie noch bei Sinnen sind, weil es zu viel Geld kostet", lacht der gebürtige Kärntner.

Der Sohn zeigt sich optimistisch und spielt auf die neue Filmförderung an, die im Nationalrat beschlossen wurde. "Ich glaube, in Österreich ändert sich jetzt viel", betont er. "So viel wie heuer wurde noch nie gedreht, und ich glaube auch, das Österreich als Filmstandort relevanter werden wird. Aber auch Ko-Produktionen werden immer wichtiger, weil die Budgets steigen müssen, um der Qualität von Netflix oder HBO gerecht zu werden. Da wird man nachhelfen müssen."

Umschlagplatz auf den Fluchtrouten

In der neuen Netflix-Serie ist Marseille der große Umschlagplatz auf den Fluchtrouten europäischer Intellektueller, die der amerikanische Journalist Varian Fry (gespielt von Cory Michael Smith) und die amerikanische Erbin Mary Jayne Gold (gespielt von Gillian Jacobs) vor den Nazis retteten. Darunter waren der deutsche Künstler Max Ernst (Alexander Fehling) und der große jüdische Denker Walter Benjamin (Moritz Bleibtreu), der sich auf der Flucht das Leben nahm. Der österreichische Schauspieler Lucas Englander spielt famos den deutschen Sozialwissenschafter Albert O. Hirschman, einen Helfer von Varian Fry, der, weil er Jude war, in die USA emigrierte.

Man merkt, dass Netflix hier Geld in die Hand genommen hat. Gedreht wurde in etwa 86 Tagen an fantastischen Originalschauplätzen in Frankreich. "Das fand ich sehr beeindruckend, das bringt natürlich einen Mehrwert", so Sebastian Thaler. Für die Bildsprache haben sich die beiden für eine "moderne Kamerasprache" entschieden, denn "die damalige Realität war auch nicht schwarzweiß oder sepia, sondern sie war genauso bunt wie heute. Die Menschen haben trotz der widrigen Umstände und der dunklen Zeiten versucht, Freude zu finden", sagt er, "und das hat zu den surrealistischen Künstlern in der Geschichte gepasst". Die Kostüme und das Produktionsdesign sind von hohem Niveau. "Der technische Standard, der von Netflix gesetzt wurde, ist hervorragend", erzählt Wolfgang Thaler, "und von der kreativen, von der künstlerischen Seite her, haben wir einfach gestalterische Freiheit genossen."

Er drückt es gerne so aus: "Frankreich ist auf halbem Weg zwischen Österreich und Hollywood, also irgendwo dazwischen." Apropos Hollywood, über den Atlantik zieht es den Sohn nicht gezwungenermaßen. "Wo es einen hin verschlägt, weiß man nie, aber ich glaube, die Zeiten, in denen man sagt, 'Ich will nach Hollywood gehen', sind vorbei", so Sebastian Thaler. "Die Hauptsache ist doch, man hat etwas Gutes und Interessantes zu erzählen." (APA, 10.4.2023)

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