Seit etwa zehn Monaten verrichtet das James-Webb-Teleskop inzwischen seinen Dienst im All und hat seither demonstriert, dass es in der Lage ist, tiefer ins Universum zu blicken als jedes andere Teleskop zuvor.

Doch auch bei der Beobachtung des Sonnensystems kommen die Stärken des mit einem 6,5 Meter durchmessenden Spiegel ausgestatteten Instruments zum Tragen. Nach Jupiter und Neptun stand nun Uranus im Fokus des Teleskops. Am Donnerstag veröffentlichte die europäische Weltraumorganisation Esa ein spektakuläres neues Bild.

So hat man die Ringe des Uranus noch nie gesehen.
Foto: NASA, ESA, CSA, STScI, J. DePasquale (STScI)

Neuer Blick auf das Ringsystem

Wie die anderen Gasplaneten unseres Sonnensystems besitzt auch Uranus ein Ringsystem, das freilich viel weniger prominent ist als das bekanntere des Saturn. Ungewöhnlich ist an Uranus, dass er praktisch durch das Sonnensystem "rollt". Seine Rotationsachse steht in einem Winkel von 90 Grad zu seiner Bahnachse. Das führt zu extremen Jahreszeiten, weil bei seinem 84 Jahre dauernden Umlauf um die Sonne jeweils eine Hälfte des Planeten völlig der Dunkelheit oder dauerhafter Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist.

Auf dem Webb-Bild sind elf der bisher bekannten 13 Ringe des Uranus sichtbar. Die schwächeren, inneren Ringe wurden bisher erst zweimal abgebildet – einmal 1984 aus der Nähe von der Nasa-Sonde Voyager 2, einmal mithilfe der ausgefeilten adaptiven Optik des Keck-Observatoriums. Es gibt noch zwei schwach ausgeprägte, außen liegende Ringe, die 2007 von Hubble entdeckt wurden. Sie könnten unter den richtigen Voraussetzungen auch für Webb sichtbar sein.

Für die Beobachtung wurde Webbs Kamera für nahes Infrarotlicht, die NIRCam, eingesetzt. Zwei Filter für Wellenlängen von 1,4 und drei Mikrometern zeigten unterschiedliche Details, die blau und orange eingefärbt wurden.

Eine Aufnahme von Uranus gemeinsam mit einigen seiner 24 Monde.
Foto: NASA, ESA, CSA, STScI, J. DePasquale (STScI)

Der weiße Bereich auf der rechten Seite des Planeten ist eine Besonderheit des Uranus, seine sogenannte Polkappe. Sie erscheint, wenn Uranus direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist, und verschwindet in der zweiten Hälfte des Uranus-Jahres, wenn die Einstrahlung aufhört. Es handelt sich, anders als etwa beim Mars, nicht um einen Eispanzer. Stattdessen zeigt sich hier ein Atmosphärenphänomen auf dem Gasplaneten, der nur einen kleinen, festen Kern hat, bedeckt von einer heißen, dichten Flüssigkeit aus Wasser, Methan und Ammoniak. Eine weiße Wolke am Rand der Polkappe könnte auf Sturmaktivitäten hindeuten.

Die Mechanismen hinter dem Phänomen, das für irdische Teleskope bisher unsichtbar blieb, sind noch unklar. Webb macht derzeit weitere Aufnahmen von Uranus. Sie sollen helfen, das Geheimnis zu lüften.

Die Kunst der Visualisierung

Editiert hat das Bild der Astronom Joe DePasquale. Die Bearbeitung der Bilder ist keine rein wissenschaftliche Angelegenheit, sondern enthält ein künstlerisches Element. Das von Webb aufgenommene Infrarotlicht, bei dem es sich eigentlich um Wärmestrahlung handelt, ist für das menschliche Auge unsichtbar. Die Farben, die den verschiedenen Wellenlängen des Infrarotlichts zugewiesen werden, sind also bis zu einem gewissen Grad willkürlich gewählt. Das animierte die Nasa dazu, die Webb-Aufnahmen des Jupiter von einer begabten Amateurin bearbeiten zu lassen.

Ein Zoom in das neue Bild des Uranus.
HubbleWebbESA

Das Weltraumteleskop Webb, das in Kooperation mit der US-Weltraumagentur Nasa entstand, ist eines der Leuchtturmprojekte der Esa. Nächste Woche soll ein weiteres Großprojekt auf den Weg gebracht werden. Kommenden Donnerstag ist der Start der Sonde Juice geplant, die sich der Erforschung der Eismonde des Jupiters widmen wird. Acht Jahre sind für die Reise eingeplant, die mehrere Vorbeiflüge an Mond und Venus vorsieht, mit denen die Sonde Schwung für die weite Reise zum größten Gasplaneten aufnimmt. Dann könnte sich weisen, ob die vermuteten flüssigen Ozeane unter den Eispanzern der Monde tatsächlich lebensfreundlich sind – ein weiteres Rätsel in unserer unmittelbaren kosmischen Nachbarschaft. (Reinhard Kleindl, 8.4.2023)