Im Südwesten des Kongo sind bereits Ölkonzerne tätig. Gerne würden sie es auch im Regenwald sein.

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Mpeka – Jean Paul Ikolongo sitzt auf einem Plastikstuhl in seiner Hütte und schaut skeptisch. Seit Politiker aus der Hauptstadt Kinshasa und Forscher aus dem Ausland in sein Dorf Mpeka gekommen sind, weiß der kongolesische Fischer nicht mehr, wem er trauen soll. Die einen sagen, er soll gehen, damit Firmen nach Öl suchen können. Die anderen wollen, dass er bleibt und auf Bäume aufpasst.

Ikolongos Dorf liegt im Nordwesten der Demokratischen Republik Kongo im zentralafrikanischen Regenwald und mitten im weltweit größten tropischen Torfgebiet. In diesem Moor, doppelt so groß wie Österreich, lagern laut Forschern der Universitäten Kisangani, Leeds und London 29 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Würden sie freigesetzt, entspräche das den Emissionen fossiler Brennstoffe, die die gesamte Welt in drei Jahren ausstößt. Soll die Erde nicht noch wärmer werden, muss das Moor bestehen bleiben.

22 Milliarden Barrel Öl

Im Torfgebiet befinden sich aber auch die Blöcke Nummer 4, 4B und 22. Sie sind Teil der 27 Regionen, in denen Kongos Regierung Öl verortet. 22 Milliarden Barrel sollen es insgesamt sein. Firmen können seit Juli letzten Jahres um Lizenzen bieten, damit sie nach Öl suchen und es ausbeuten können. Es wäre ein Milliardengeschäft für ein Land, in dem die meisten Menschen arm sind, obwohl es reich an Rohstoffen ist.

Die Männer aus Kinshasa haben Ikolongo erklärt, dass alle 1.000 Einwohner aus Mpeka wegziehen müssten, wenn die Ölfirmen kämen. Aber anderswo würde die Regierung schöne Häuser für die Fischer bauen. Auch Schulen und Krankenhäuser würden überall im Land errichtet.

Wasserfluten im Wohnzimmer

Von einem schönen Zuhause träumt Ikolongo schon lange. Während der 60 Jahre alte Fischer in seiner Bude sitzt, schwappt ihm Wasser über die Füße. Es ist Regenzeit. Fast alle Hütten entlang des Ruki-Flusses sind überschwemmt. Damit die Familie zu Hause bleiben kann, hat Ikolongo zusätzliche Bretter als provisorischen Boden über dem Wasserspiegel eingezogen. Aber die Fluten dringen immer wieder ins Wohnzimmer.

Rund um seine Hütte sieht Ikolongo nur Wasser. Es dient als Toilette, Badewanne und Geschirrspülbecken. Pech ist, wenn Ikolongo, seine Frau oder eines seiner 16 Kinder Cholera bekommen. Bis zum Krankenhaus in der Provinzhauptstadt Mbandaka dauert es mit dem Paddelboot einen Tag. "Wir vegetieren wie Tiere im Stall", schimpft er und überlegt, ob es besser wäre wegzuziehen.

Appell von Forschern

Allerdings waren auch Forscher aus Großbritannien in Mpeka. Sie haben Ikolongo erklärt, das Klima sei schuld, dass er keine Elefanten zum Jagen mehr findet und die Fische immer weniger werden. Er solle bleiben und keine Bäume mehr fällen, haben sie gesagt. Dann werde vieles wieder besser. Nur, womit soll seine Frau kochen, wenn nicht mit Feuerholz?

Die Europäische Union und einige europäische Staaten unterstützen Projekte im Tropenwald des Kongobeckens über zehn Jahre mit 500 Millionen Dollar, um den Klimawandel aufzuhalten. Ihnen missfällt es, dass Kongos Regierung Öl fördern will. Wenn es so käme, könnten Budgets gekappt werden, heißt es in Kreisen der Geldgeber.

Kritik an Europa

Der kongolesische Historiker Aloys Tegera findet das anmaßend. Die "großen Verschmutzer" seien reich geworden, weil sie fossile Energien genutzt hätten, schimpft er: "Und nun sagen sie uns, erhaltet bitte die Lunge der Erde." Wenn die Regierung auf das Öl verzichten und 90 Millionen Menschen im Kongo keine Holzkohle mehr zum Kochen verwenden sollen, müsse das Land entschädigt werden.

Tegera ist aber wichtig, dass das Geld für Klimaschutz nicht die kongolesische Regierung bekommt. Eine neutrale Instanz müsse es verwalten, damit es nicht veruntreut werde.

Heimliche Geschäfte?

Greenpeace und neun andere Umweltorganisationen werfen dem Ölminister Didier Budimu Intransparenz vor. Er wolle zwei Blöcke heimlich einem Geschäftspartner zuschanzen. Die Umweltschützer fordern, die Ölauktion sofort zu stoppen. Schließlich wären sechs Prozent des Regenwaldes und des Moores gefährdet, wenn in allen Gebieten Öl gefördert würde.

Während sich Klimaschützer und Politiker streiten, ist Fischer Ikolongo in Mpeka immer noch unentschlossen, mit wem er ins Geschäft kommen will. Das Moor gehöre jedenfalls den Dorfbewohnern, glaubt er. Wer auch immer etwas dort wolle, müsse bezahlen. Denn Ikolongo will sich endlich satt essen und soliden Boden unter den Füßen haben. (Judith Raupp, 9.4.2023)