VR-Controller und -Brillen verstauben oft wenige Wochen nach dem Kauf in der Ecke. Schuld daran ist auch die rare Auswahl an Spielen, die langfristig begeistern können.

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Schleichen, klettern, mit Pfeil und Bogen auf Robo-Dinosaurier schießen: "Horizon: Call of the Mountain", der Vorzeigetitel für Sonys VR-Brille Playstation VR 2, ist auch im Test des STANDARD gut weggekommen. Doch erstens sind zehn Stunden Spielzeit schnell vergangen, zweitens sind knapp 70 Euro schon ein recht happiger Preis für dieses kurze Vergnügen. Es stellt sich also die Frage, welche Titel man sich als Nächstes genehmigt, nachdem man schon knapp 600 Euro für die neue Hardware ausgegeben hat.

"After the Fall": Ein halber Blockbuster

Wirft man einen Blick auf die Metacritic-Hitliste der Playstation-5-Games, so finden sich dort Fortsetzungen von VR-Spielen und VR-Adaptionen von Klassikern, darunter etwa mit "Tetris Effect: Connected" eine Neuauflage des beliebten Klassikers und mit "Moss: Book 2" die Fortsetzung des Mäuseabenteuers, das schon auf Sonys erster VR-Brille überzeugen konnte.

Im Test des STANDARD wurde wiederum "After the Fall" ausprobiert. Dabei handelt es sich um einen Multiplayer-Shooter im postapokalyptischen Zombie-Setting. Will heißen: Gemeinsam mit Freunden oder Fremden läuft man durch verlassene Gebäude und vereiste Landschaften, um auf allerlei Untote und andere Monster zu schießen. "After the Fall" war auch auf anderen VR-Plattformen erfolgreich und sammelte auch auf Steam gute Kritiken.

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Aus gutem Grund: Das Setting eines alternativen, zerstörten Los Angeles der 1980er-Jahre weiß zu überzeugen, als Spieler wird man rasch in das Geschehen gezogen, die Situationen sind mal beklemmend gruselig, mal lassen rasante Gefechte den Puls nach oben schnellen.

"Altair Breaker": Allein in der virtuellen Welt

Vor allem ist "After the Fall" aber eines: ein Multiplayer-Game. Und da ich leider keine Freunde habe, muss ich mich mit Fremden oder Bots durch die virtuelle Welt ballern. Wie sieht das bei anderen Spielen aus? Diese Frage bringt uns zum zweiten getesteten Game: "Altair Breaker".

Dabei handelt es sich um eine Schwertkampf-Simulation in einer fantasievoll gestalteten Manga-Welt, in der man auf diverse Roboter-Schwertkämpfer einschlägt. Das Gameplay ist durchaus gelungen, sind doch verschiedene Kombos möglich, mit denen die Gegner eliminiert und teilweise in die Luft geschleudert werden können – wiewohl das Drehen via Joystick nicht immer gelingt. Auch auf grafischer Ebene wird eine wunderschöne Welt gebaut, wie der folgende Trailer demonstriert.

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Das Problem bei "Altair Breaker" ist aber ein anderes: nämlich die Tatsache, dass es gerne ein Multiplayer-Game wäre, mangels Mitspielern aber zum Singleplayer-Spiel wird. So habe ich mehrmals versucht, mich im Rahmen eines Matchmakings gemeinsam mit anderen Spielern auf die Roboter-Jagd zu machen, stand am Ende aber immer allein da. Auch die Zeit in der Lobby verbrachte ich einsam mit einem KI-Avatar. Meine Prognose: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Server abgedreht werden. Nächstes Spiel, bitte.

Technische Pannen bei "Across the Valley"

Spielen wir doch ein Singleplayer-Spiel. Etwas Beruhigendes. Etwas, womit man sich die Wartezeit auf den nächsten "Landwirtschaftssimulator" vertreiben kann. Die Wahl fällt hier auf "Across the Valley": ein Farming-Simulator, bei dem man zwar nicht im wie im Platzhirsch des Genres gewaltige Maschinen über riesige Äcker fährt, dafür aber händisch Felder umgräbt, Pflanzen gießt und Nutztiere versorgt. Die Tiere kann man außerdem streicheln.

Das wirkt zunächst auch sehr nett. Die Grafik ist liebevoll gestaltet, der Soundtrack besteht aus beruhigendem Gitarrenspiel, der bescheidene Hof lädt zum Verweilen ein. Die Probleme mit diesem Spiel lassen jedoch auch nicht lange auf sich warten.

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So können Objekte teils nur umständlich aus den Regalen genommen werden. Ein freies Bewegen ist oft nicht möglich, stattdessen steht man oft mitten in Tischen oder in einem Hühnerstall, aus dem man nicht mehr herauskommt, wenn man sitzend spielt. Einmal starrte ich im kurzen Testzeitraum überhaupt auf eine schwarze, nicht vorhandene Welt. Das Handhaben mit Gerätschaften ist vollkommen unnatürlich, und es stellt sich die Frage, ob die Developer überhaupt jemals eine Schaufel in der Hand gehalten haben.

Zwar wurde zuletzt mit einem Patch versprochen, einen Teil der Probleme zu beheben. Bis "Across the Valley" aber wirklich Spaß macht, dürfte noch ein wenig Zeit vergehen.

"Unplugged Air Guitar": Wie "Guitar Hero", nur schlechter

Ähnlich verhält es sich mit einem anderen Spiel, bei dem ein haptisches Objekt simuliert werden soll: "Unplugged: Air Guitar". Wie der Name schon vermuten lässt, spielt man hier Rocksongs auf einer virtuellen Gitarre nach. Dabei schaltet man schrittweise immer mehr Lieder und Bühnen frei, und wenn man richtig spielt, dann jubelt das Publikum.

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Die Aufmachung ist recht klischeehaft und kitschig geraten. So befinden wir uns am Anfang in einem versifften Backstage-Raum und erhalten unsere Anweisungen von einem sprechenden Poster, das den Gitarristen einer Glamrock-Band zeigt. Dieser zeichnet sich vor allem durch ein übersteuertes Selbstbewusstsein aus und begrüßt den Spieler mit den Worten: "Oh, schau mal, ein Nerd!"

Das Problem mit "Unplugged Air Guitar" liegt aber nicht in den Klischees, sondern in der Natur von VR. Denn es fällt nicht immer leicht, die Luftgitarre passend zu greifen, das haptische Feedback fehlt, und das Drücken der Standard-Buttons fühlt sich nicht so befriedigend an wie auf einem eigens für solche Spiele gestalteten Controller – kurzum: "Unplugged: Air Guitar" führt erst vor Augen, was für ein schönes Spiel "Guitar Hero" im Vergleich dazu eigentlich war.

Lichtblicke: "Song in the Smoke" und "Dyschronia"

Doch es ist nicht jedes Spiel schlecht, das ich im Lauf dieses mehrwöchigen Versuchs ausprobiert habe. "Song in the Smoke" zum Beispiel ist ein Horror-Survivalspiel, bei dem man sich durch eine düstere Landschaft bewegt und mit archaischen Methoden Waffen, Fackeln und allerlei andere Dinge herstellt.

Gewiss kämpft auch dieses Spiel mit dem Problem, dass man das Crafting zwar in einer virtuellen 3D-Welt sieht, es mangels haptischen Feedbacks aber nicht spürt –dies kann "Song in the Smoke" aber durch eine düstere Atmosphäre und ein abwechslungsreiches Gameplay wettmachen.

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Ein anderes, weitgehend unbekanntes und unterschätztes Spiel heißt "Dyschronia". Hier bewegt man sich durch eine dystopische Sci-Fi-Welt, in der Realität und Virtualität miteinander verschmelzen. Die Handlung wirkt verworren, weiß aber zu faszinieren – und generell hat man den Eindruck, als bewege man sich hier durch einen interaktiven Anime-Film mit gewissen Anleihen an das legendäre "Ghost in the Shell".

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Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten. Und so muss ich gestehen, dass mich beide der zuletzt genannten Titel zwar von Anfang an faszinieren konnten, ich ihnen aber auch jeweils nicht mehr als einen Abend schenken wollte.

Das liegt aber gar nicht an den Games per se, sondern ist ein weiteres Problem des vollmundig angekündigten Metaversums: Es erfordert das Überschreiten einer gewissen Hemmschwelle, sich abends nach einem Tag vor dem Bildschirm noch einen Klotz auf den Kopf zu setzen, der einem zwei weitere Screens direkt vor die Augen platziert.

Die Honeymoon-Phase ist vorbei

Das ist kein spezifisches Problem der Playstation VR 2, sondern von VR-Brillen allgemein. So heißt es auch innerhalb der Redaktion, dass ursprünglich mit viel Enthusiasmus erworbene Meta Quest 2-Brillen inzwischen nur noch in der Ecke verstauben. Das Gleiche hört man aus der Community von Menschen, die sich eine noch teurere VR-Brille plus Gaming-PC zugelegt haben: Der PC wird weiterhin eifrig genutzt, die Brille wurde hingegen in den Schrank verbannt.

Nicht besser wird dieser Umstand durch eine Tatsache, der VR-Fans ins Auge blicken müssen und die durch den mehrwöchigen Versuch erneut deutlich wurde: Die Auswahl an guten VR-Spielen ist noch immer extrem rar. Zwar gibt es Vorzeigetitel wie "Jurassic World: Aftermath" und "Horizon: Call of the Moountain" – doch sind diese abgegrast, so ist man als Gamer konfrontiert mit einer Auswahl an halbgaren Pseudo-Indies, die entweder schleißig programmiert oder lieblos konzipiert wurden.

Nur "VR" auf eine Verpackung zu schreiben, das wird nicht reichen, um dieser Technologie zum Durchbruch zu verhelfen. Es braucht Titel, die spielerisch und technisch beeindruckend sind, langfristig zu unterhalten wissen und obendrein mit einem attraktiven Preis angeboten werden. Dass der Branche dieser Spagat gelingt, daran gibt es immer mehr Zweifel. (Stefan Mey, 9.4.2023)